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Ochsenfurt
Ochsenfurt: Wo moderne Kunst und Antiquitäten Hand in Hand gehen
In dem Geschäft in der Hauptstraße gibt es vorne alles vom Grammofon bis zur Taschenuhr, hinten werden die Kunden mit moderner Kunst überrascht: eine seltene Kombination.
Ein Haus, zwei Nutzungen: Barbara Zell betreibt in der Ochsenfurter Altstadt ein Antiquitätengeschäft, Künstler Anton Kestel hat dort Galerie und Atelier. Hündin Emma passt auf, wenn sie nicht gerade schlummert.
Foto: Thomas Obermeier | Ein Haus, zwei Nutzungen: Barbara Zell betreibt in der Ochsenfurter Altstadt ein Antiquitätengeschäft, Künstler Anton Kestel hat dort Galerie und Atelier. Hündin Emma passt auf, wenn sie nicht gerade schlummert.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:11 Uhr

Nur auf den ersten Blick ist niemand in dem Ladengeschäft mit den vielen liebevoll ausgestellten Kleinigkeiten. Wer genauer hinschaut, bemerkt Emma, die große braune Hündin, die von ihrem Stuhl am Eingang aus alles im Blick hat. Weiter hinten findet man dann Barbara Zell, die Inhaberin, die mit einem Kunden spricht. Und ganz weit hinten, im hell ausgeleuchteten Ausstellungsraum auf halber Treppe, mit etwas Glück auch Anton Kestel, der sich aber genauso oft in seinem Atelier im Untergeschoss aufhält.

Der Künstler und die Händlerin teilen sich in einer etwas ungewöhnlichen Kooperation die Räumlichkeiten in der Ochsenfurter Altstadt. Eigentümer des Hauses ist der ehemalige Geschäftsmann Anton Kestel, der sich als Ruheständler inzwischen ganz seiner Leidenschaft für die Kunst widmet. Nachdem das vorher im Haus befindliche Schuhgeschäft schloss, belegte der Künstler die Räumlichkeiten selbst mit Beschlag. "Aber es war mir zu groß", sagt er. Deshalb zog bald das Geschäft "Antikes und Besonderes" mit ein.

Aus dem Geschäft sollte kein Leerstand werden

Dessen Inhaber haben inzwischen das Szepter an die mit ihnen befreundete Barbara Zell übergeben, die aus Frankfurt stammt, aber zuletzt mit ihrem Mann in Taiwan lebte. Nach der Rückkehr aus Asien entschied sie sich, in Ochsenfurt heimisch zu werden. "Ich habe mich in Ochsenfurt und auch in den Laden verguckt", gesteht Barbara Zell. Trotzdem hat die 64-Jährige lange überlegt, ob sie das Geschäft übernehmen wollte. Letztlich fand sie aber die Vorstellung, dass auch dieser Laden ein Leerstand werden könnte, unerfreulich. "Es wäre schade für Ochsenfurt gewesen."

Und so findet man in dem Haus seit etwa einem Jahr sowohl die modernen Skulpturen von Anton Kestel im Schaufenster, wie antike Püppchen oder auch mal ein Jugendstil-Kaffeservice im Geschäft. Wie geht das zusammen? Hervorragend, sind sich Zell und Kestel einig. "Es sind verschiedene Stilrichtungen, aber beide betreiben wir die Dinge mit Liebe", sagt Barbara Zell.

Anton Kestel malt Bilder und gestaltet Skulpturen.
Foto: Thomas Obermeier | Anton Kestel malt Bilder und gestaltet Skulpturen.

Die gelernte Biologielaborantin hat sich in ihrem Leben schon mit Vielem beschäftigt, nicht zuletzt auch zwei Kinder großgezogen. Mit Künstlern hatte sie häufig Kontakt, befasste sich selbst auch mit Fotografie. Sich Fähigkeiten autodidaktisch anzueignen, ist für sie nichts Neues. Und so hat sie auch keine Scheu davor, die Antiquitäten, die teils nicht im Bestzustand den Weg in ihr Geschäft finden, selbst instand zu setzen. Ob ein schöner alter Stuhl neu zu beziehen ist oder die Oberfläche eines Schränkchens repariert werden muss – Barbara Zell findet schon heraus, wie das geht. Derzeit lernt sie, wie man versilbert und vergoldet.

Anton Kestels ungewöhnliche Kunsttechniken

Diese Lerneinheit hat Anton Kestel bereits hinter sich. Auch er hat nach und nach all die Fertigkeiten erworben, die er für seine Kunst benötigt. Der 70-Jährige begeistert sich für zwei recht ungewöhnliche Techniken: Seine Bilder entstehen in der Technik der intuitiven Prozessmalerei. Dabei werden in mehreren Schichten unterschiedliche Materialien aufgetragen, die dann trocknen und in diesem Prozess auch mal reißen oder bröseln dürfen. Was später daraus wird, weiß Anton Kestel im Voraus nicht, und genau das gefällt ihm. "Ich akzeptiere, was dabei herauskommt", schmunzelt er.

Seine Skulpturen stellte er aus Liquid-Polymer her, einer flüssigen Kunststoffmasse, mit der er die Grundform umhüllt und die an der Luft austrocknet. Auf dieser Basis kann der Künstler mit weiteren Materialien sehr unterschiedliche Oberflächen erzielen. Anton Kestel macht abstrakte Figuren, aber auch menschliche sowie eigenwillige Tiergestalten wie Vögel oder Fische. Mitten in der Galerie thront derzeit eine große, golden leuchtende Biene, "die oft als Ameise gehandelt wird", amüsiert sich Kestel. In der Nähe von Berlin hat der Künstler übrigens gerade eine Ausstellung.

Schöne alte Sachen verkauft Barbara Zell in ihrem Laden.
Foto: Thomas Obermeier | Schöne alte Sachen verkauft Barbara Zell in ihrem Laden.

Dass er inzwischen auch Käufer für seine Werke hat, freut und bestätigt ihn in seinem Tun. Und wie sieht es mit Interessenten für die Antiquitäten aus? Die seien durchaus vorhanden, sagt Barbara Zell. In Ochsenfurt und Umgebung hat sie sich einen Kundenstamm aufgebaut. Aber die Lage des Geschäftes in der vor allem im Sommer von Touristen frequentierten Altstadt bringt immer wieder auch Zufallskäufer in den Laden. "Die nehmen gerne ein Mitbringsel mit." Auch Kleinmöbel gehen recht gut.

Neue Liebhaber für alte Sachen

Ihre Waren findet Barbara Zell auf Flohmärkten, manchmal werden sie ihr auch direkt angeboten. So hatte eine Frau, die ihr hochwertiges Porzellan verkaufen wollte, sich mehrere Antiquitätengeschäfte angeschaut, bevor sie sich für das in Ochsenfurt entschied, weil sie es am schönsten fand. "Das ist ein Kompliment, über das ich mich wahnsinnig gefreut habe, weil es mir zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin."

Für alte Sachen neue Liebhaber zu finden anstatt sie dem Wertstoffhof zu überantworten, das gefällt Barbara Zell an ihrer Arbeit. Wenn ein Kunde mit seiner Erwerbung strahlend den Laden verlässt, freut sie das noch lange Zeit. Die Vorauswahl bei den Kunden trifft übrigens Hündin Emma. "Wen sie anknurrt, mit dem stimmt etwas nicht", verweist ihr Frauchen scherzhaft auf das untrügliche Gespür des Vierbeiners. Aber das kommt bei dem stets in sich ruhenden Rhodesian Ridgeback eigentlich so gut wie nie vor.

 
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