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WÜRZBURG
Noch kein Urteil zu den Facebook-Lügen
Verhandlung in der Sache Anas Modamani gegen Facebook vor dem Landgericht Würzburg, mit großem Medienaufgebot.
Foto: Thomas Obermeier | Verhandlung in der Sache Anas Modamani gegen Facebook vor dem Landgericht Würzburg, mit großem Medienaufgebot.
Michael Czygan
 und  Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 09.02.2017 03:37 Uhr

Eineinviertel Stunden lang ging es vor dem Landgericht Würzburg um die Frage, ob der Internet-Riese Facebook eine offensichtliche Lüge löschen muss oder nicht. Beantwortet wird sie aber erst am Dienstag, 7. März. Die Verhandlung fand am Montag unter großem Medieninteresse statt.

Das Merkel-Selfie und die Folgen

Flüchtling Anas Modamani hat im September 2015 ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemacht. Seitdem benutzen politisch rechte Kreise dieses Bild immer wieder, um den jungen Syrer als Terroristen zu verleumden und ihn verschiedener Verbrechen wie des Brandanschlages auf einen Berliner Obdachlosen zu bezichtigen. Üble Fotomontagen geistern seit Monaten in mehreren hundert Kopien durch das soziale Netzwerk. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Facebook die meisten Ausgangs-Beiträge für deutsche Nutzer blockiert hat.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Nun hat Modamani beim Landgericht Würzburg eine Einstweilige Verfügung gegen Facebook beantragt. Mit Hilfe seines Würzburger Anwalts Chan-jo Jun will er erreichen, dass das soziale Netzwerk von sich aus alle Posts, in denen die Lügen geteilt werden, löschen muss.

 

Facebook wird von dem Hamburger Anwalt Martin Munz und dessen Berliner Kollegen Christian Wirth vertreten. Die beiden übergeben Anwalt Jun kurz vor Verhandlungsbeginn ein etwa zwei Zentimeter dickes Schriftstück. „Es wäre nett gewesen, wenn Sie uns das vorher per E-Mail hätten zukommen lassen“, sagt Jun. Munz lächelt. Jun auch. „Aber Sie wollten nicht nett sein“, ergänzt er.

Die Zivilkammer versucht, wie es vorgeschrieben ist, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erreichen. Der Vorsitzende Richter Volkmar Seipel schlägt vor, dass Facebook dem jungen Syrer ein Schmerzensgeld zahlt. Das aber kommt für die Anwälte des sozialen Netzwerks nicht in Frage. Begründung: „Facebook hat die Inhalte ja nicht gepostet.“ Man sei lediglich der neutrale Verbreiter der Beiträge, sagt Munz.

Fotoserie

Der nächste Vorschlag des Gerichts: Die Bilder, um die es geht, werden von Facebook europaweit gelöscht, ohne dass das soziale Netzwerk sich damit verpflichtet, künftig ähnliche Beiträge durch ein Bild-Erkennungsprogramm zu verhindern. Darüber, so die Facebook-Anwälte, könne man „eventuell reden“. Ohne Rücksprache mit dem Unternehmen, wollen sie sich aber nicht festlegen.

Anwalt Jun erklärt die Sorge seines Mandanten: Anas Modamani rechne damit, dass sein Bild auch in Zukunft in Zusammenhang mit Straftaten auftauche. „Es ist Facebook zuzumuten, das Foto zu löschen“, sagt Jun. Für das Unternehmen sei es „kein Problem“, das Bild im Netz aufzuspüren. Sein Mandant habe diese Möglichkeit nicht.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Nachdem viele Argumente ausgetauscht sind, weist der Vorsitzende darauf hin, dass seine Kammer eine einstweilige Verfügung nur dann erlasse, „wenn uns alles plausibel erscheint“. Das Gericht werde seine Entscheidung am Dienstag, 7. März, um 13.30 Uhr verkünden.

„Ich will in Deutschland in Frieden leben“

Derweil gibt sich Anas Modamani kämpferisch. Er habe weiter Hoffnung, dass die Richter Facebook verpflichten, keine Lügen mehr über ihn zu verbreiten. Leider sei es so, dass viele Menschen glaubten, was sie in dem Netzwerk lesen. Er aber sei kein Terrorist. „Ich will in Deutschland in Frieden leben.“

Er habe vieles geschafft, so Modamani weiter, habe die Sprache gelernt und verdiene seinen Unterhalt selbst. Diese Erfolge wolle er sich nicht zerstören lassen. Manchmal fürchte er sich mittlerweile auf die Straße zu gehen, deshalb trage er Schals zur Tarnung. Angst hätten seine Eltern in Syrien, die die Diskussion ebenfalls verfolgten.

Während Chan-jo Jun betonte, er werde weiter für Modamanis Rechte streiten, wollten sich die Facebook-Anwälte nicht weiter zu einem „laufenden Verfahren“ äußern.

 
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  • W. K.
    Das ist ganz logisch. Wie kommt man sonst an 2 Mal eine dreiviertel Seite kostenlose Werbung am gleichen Tag in der MainPost.
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  • M. G.
    ... mit Fakenews. Ich weiß leider nichts von dem Bild, aber wenn er das mit der Kanzlerin eingestellt hatte, hat er sie überhaupt gefragt ob er das darf! Ich würde nie ein Bild vom Bekannten einstellen ohne ihm gefragt zu haben! Fälschungen und Unwarheiten gehören nach meinen Verständnis selbstverständlich raus, besonders wenn solche Zusammenhänge geschaffen werden wo frei erfunden sind. Ich habe auch den Verdacht, dass sich die Politik oft auch dazu hinreißen lässt, siehe Meinungsumfragen! Ist doch auch aufgemöbelt! Hoffentlich bekommen sie ihr Recht, wie auch immer!
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  • J. S.
    Diese Bilderrätsel "Fehlersuchbild" sind schon bei Kindern beliebt: Finden Sie alle zehn Fehler, die wir stets im rechten Bild integriert haben. Ein tolles Spiel, auch schon für die ganz Kleinen. Und die Kinder lernen da spielerisch für den Ernst des Lebens. In jedem Bild können sich Fehler verstecken und es könnte dann nicht das Original sein, sondern es könnten Fehler darin sein - eine Kopie halt. Unecht, nicht der Wirklichkeit entsprechen. "getrickst", halt. Und mathematisch betrachtet: Dreisatz: Richtig-Falsch-Lösung. Das wissen schon die Kinder, manche Erwachsen haben`s wohl vergessen. Da gibt´s nur eins: Üben, üben, üben. Und nicht alles für bare Münze nehmen.
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    ... ist aber immer das "Original" mit dabei.
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  • M. R.
    gerade für besitzer für websites, die ein forum oder gästebuch betreiben, gibt es ein urteil: sobald der betreiber es sichtet, muss er solche inhalte entfernen. sofern das keiner meldet, muss facebook nichts löschen. jetzt geht es darum, ob facebook genug mittel zur verfügung stellt, um dies nachzukommen, und wie diese leute entscheiden müssen, denn: auch die gegenargumente müssen geprüft werden.
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  • T. B.
    Das Posting enthält beleidigende Inhalte und wurde daher gesperrt.
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  • A. H.
    sag's ihnen.......
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  • J. S.
    Was der Rechtsanwalt Jun will und sein Mandant will sind zwei verschiedene Dinge und zwei verschiedene Interessen"gemenge". Letzter will die "permanente"Löschung seines Bildes bzw. die Folgen davon. Da wird er einen langen Atem brauchen und müsste immer wieder klagen. Den Vergleichsvorschlag des Richters nach Schmerzensgeld hätte er annehmen können und der Fall wäre erledigt gewesen. Aber wie es aussieht soll eine "politische" Lösung erreicht werden. Dafür sind aber nicht die Gerichte (Einzelfallentscheidungen) zuständig, sondern die Politiker. Wo bleibt der Bundesjustizminister Maas mit seinen "Drohungen" gegen Facebook. Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten "Fakes"! Viel Lärm um nichts. Jeder kann und muss sich seine eigene, auch "falsche" Meinungen bilden und dazu bedarf es keiner "Zensur". Viel Lärm um nichts. Übrigens ich bin wie der Richter auch nicht in Facebook. Na und? "Lass die Leute reden, sie reden über jeden. Heute über dich, morgen über andere. Wie hier: Kommentare!
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    Wenn der Kläger dem Vergleich zugestimmt hätte, wäre gar nichts passiert. Denn laut Bericht war Facebook nichtdazu bereit.

    Und ich sehe einen Unterschied zwischen reden und verbreiten gefälschter Fotos.
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  • G. S.
    Der Kläger konnte den Vergleichsvorschlag gar nicht annehmen, weil die Beklagte (also Facebook) nicht bereit war, einen solchen Vergleich zu schließen.
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  • J. S.
    unabhängig von der Gegenseite. Aber er hat den Vergleichsvorschlag nicht angenommen! Umgekehrt hätte "Facebook" den Vergleichsvorschlag annehmen können. Unabhängig von der Gegenseite. Das sind die Fakten. Jetzt macht halt das Gericht einen Vergleich. Da wird dann jeder ein bisschen Recht bekommen. Ganz einfach und doch ganz schön kompliziert. Richtig?
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  • K. R.
    Soso, Facebook hält sich für einen “neutralen Verbreiter” von Verleumdung und Beleidigung.

    Gleichzeitig schützt Facebook aber die Beiträge der Verleumder und Beleidiger vor dem Zugriff der Verleumdeten und Beleidigten. Sicher nicht absichtlich, aber so neutral wie der Konzern den Anschein erwecken möchte, ist die Plattform keinesfalls. Geschädigte haben es grundsätzlich schwerer als die Schädiger.

    Fakt ist, dass die Falschdarstellungen durch Medien wie Facebook erst überregionale (und teilweise globale) Verbreitung finden. Ob Facebook es wahrhaben möchte oder nicht: erst mit Facebook (und Co) wird aus der Lüge des kleinen Mannes eine Hetzkampagne.

    Die Verpflichtung zum Entfernen derartiger Inhalte ist eine absolute Mindestforderung. Das Persönlichkeitsrecht ist immerhin ein Grundrecht.

    Eine Beleidung auf einer Hauswand muss der Hausbesitzer schließlich auch entfernen - auch wenn er sie nicht zu verantworten hat ...
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  • J. S.
    Und Facebook ist nicht mehr führend. Der Kläger konnte nur klagen, weil er einen "Kläger" hier den Rechtsanwalt Jun gefunden hat. Im Zivilprozess muss nämlich der Kläger die Gerichtskosten im voraus bezahlen. Es handelt sich hier quasi um einen "Stellvertreter"-Gerichtsstreit. Der Kläger könnte sich auch unter Umständen anrechnen lassen müssen, dass er ja dieses Foto nicht in Facebook hätte plazieren müssen. Warnungen darüber gibt es immer und immer wieder. Das Ganze ist nicht so einfach. Zumindest wurde hier mal ein Musterprozess geschaffen. Es bleibt spannend. Und über die Höhe des Schmerzensgeldes sollte man sich keine allzu großen Hoffungen machen. Wir sind nicht in Amerika.
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