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Würzburg
Nicht gegen Corona versichert: Würzburger Gastronomen scheitern vor Gericht
Bundesweit verklagen Gastronomen und Hoteliers Versicherungskonzerne, die für Corona-Schäden nicht zahlen wollen. In Würzburg endete dies nun mit einer Niederlage.
Wirte unterlagen in Würzburg in einem Streit mit ihren Versicherungen. Auch Sternekoch Bernhard Reiser hatte geklagt.
Foto: Christoph Weiss | Wirte unterlagen in Würzburg in einem Streit mit ihren Versicherungen. Auch Sternekoch Bernhard Reiser hatte geklagt.
Moritz Baumann
Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:06 Uhr

Zwei bekannte Gastronomen, zweimal der gleiche Ärger: Die Corona-Pandemie hat Alexander Wiesenegg, Chef der Würzburger Bürgerspital Weinstuben, und seinen Kollegen, den Sternekoch Bernhard Reiser, schwer getroffen. Monatelang blieben ihre Restaurants geschlossen – ein betriebswirtschaftliches Desaster.

"Das ist für mich ein Geschäftsgebaren unterster Schublade."
Alexander Wiesenegg, Chef der Würzburger Bürgerspital Weinstuben, über die Versicherer

Und doch blieb die Hoffnung, ihre Versicherung würde zumindest für einen Teil der Schäden aufkommen, schließlich hatten sie bei der Helvetia ein "All-Inclusive"-Paket abgeschlossen. Doch der Konzern weigerte sich, zu zahlen. Am Mittwoch hat nun das Landgericht Würzburg die Klagen der beiden Gastronomen abgewiesen – ein Erfolg für die Versicherung.

Der Streit um sogenannte Betriebsschließungsversicherungen beschäftigt seit vielen Monaten Zivilgerichte in ganz Deutschland. Bundesweit sind laut des Gaststättenverbandes Dehoga hunderte Klagen anhängig.

Coronavirus nicht mitversichert

Mit einer Betriebsschließungsversicherung können sich Metzgereien, Restaurants, Supermärkte oder Arztpraxen für den Fall absichern, dass Behörden ihren Betrieb auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes zwangsschließen. Doch in der Corona-Pandemie ließen große Konzerne wie die Allianz, Helvetia, Ergo, die Versicherungskammer Bayern und die Nürnberger Versicherung ihre Kunden im Regen stehen – mit der Begründung, das neuartige Coronavirus sei nicht mitversichert.

In den Versicherungsbedingungen werden meist verschiedene Krankheiten und Erreger wie beispielsweise Masern, Mumps, Tollwut oder die Pest einzeln genannt. Diese Aufzählung sei abschließend, argumentieren die Versicherer. Nachdem die Verträge häufig lange vor der Pandemie abgeschlossen wurden, ist das Sars-Cov-2-Virus in der Liste meist nicht enthalten. Somit bestünde kein Versicherungsschutz.

Abschließende Aufzählung "relevanter Krankheiten"

Viele Bedingungen verweisen jedoch im gleichen Abschnitt auf das Infektionsschutzgesetz, das immer wieder aktualisiert wird, wenn neue Erreger auftauchen. Die Vertragsklauseln müssten entsprechend dynamisch ausgelegt werden, argumentieren Gastronomen, Hoteliers und ihre Anwälte.

Das Landgericht Würzburg folgt dieser Argumentation nicht und stützt sich dabei auf einen aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts München. Die "Versicherungsbedingungen enthalten eine abschließende Aufzählung der relevanten Krankheiten", teilt das Gericht auf Anfrage mit.

Sternekoch-Reiser: "verlogene Branche"

Wiesenegg und Reiser wollen jedoch weiterkämpfen und Berufung gegen das Urteil einlegen. "Ich bin schwer enttäuscht", sagt Reiser im Gespräch mit dieser Redaktion. In seinem Verfahren geht es um eine halbe Million Euro. Im ersten Lockdown seien ihm innerhalb von sechs Wochen Aufträge im Wert von zwei Millionen Euro weggebrochen. Das Geld aus der Versicherung hätte er dringend gebraucht. Heute spricht er von einer "verlogenen Branche". Es ärgert ihn, dass vermeintliche "Sorglospakete" verkauft werden und er am Ende doch auf den Kosten sitzen bleibt.

"Das muss zum Bundesgerichtshof. Das war von Anfang an klar", sagt auch sein Kollege Wiesenegg. Die "Haarspalterei bei der Auslegung der Versicherungspolicen" frustriert ihn. "Das ist für mich ein Geschäftsgebaren unterster Schublade", meint der Würzburger Gastronom. Er verweist auf Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach Versicherungsverträge so klar und transparent zu gestalten seien, dass sie ein durchschnittlicher Kunde versteht – auch ohne Jurastudium.

Nicht jeder Wirt, kann sich einen jahrelangen Rechtsstreit leisten

Dass nun Gerichte bundesweit – bei vergleichbaren Verträgen – unterschiedlich entscheiden, ist für ihn der Beleg, dass die Bedingungen offensichtlich nicht verständlich sind. "Die besten Juristen des Landes streiten sich seit einem Jahr", betont Wiesenegg.

Sein Anwalt Jörg Hofmann von der Würzburger Kanzlei Bendel und Partner hat den Versicherern bereits vor einem Jahr eine "Strategie der Austrocknung" vorgeworfen. Zahlungen seien bewusst abgelehnt worden – in der Hoffnung, dass sich nur wenige Unternehmer wehren. Schließlich könne sich nicht jeder Gastronom einen jahrelangen Rechtsstreit leisten.

 
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  • R. G.
    Nennt einfach alle Versicherungen, die dieses perfide Spiel treiben, mit Namen. Dann kann man sich das nächste Mal eine andere suchen.
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  • R. B.
    Schließlich hatten sie bei der Helvetia ein "All-Inclusive"-Paket abgeschlossen. Aber ein Rundumsorglospaket gibt es nicht und schon gar nicht bei einer Versicherung. Und so steckt, wie so oft, der Teufel im Detail. Denn in den Versicherungsbedingungen waren die versicherten relevanten Krankheiten erschöpfend aufgezählt. Da CORONA in dieser Aufzählung nicht enthalten war, war diese pandemieauslösende Krankheit nicht versichert. Jetzt kommen all die Schlaumeier und sagen, tja, dann muss man eben die Allgemeinen Geschäftsbedinungen richtig lesen. Prinzipiell ist das schon richtig, aber wer macht dies und vor allem ist es auch nicht ganz so einfach, dies auch alles noch zu verstehen. Ein guter Versicherungsvertreter hätte die Gastronomen auf die Einschränkungen der Vereinbarung hingewiesen. Meine Generalagentur jedenfalls erklärt mir derartige Einschränkungen im Detail, was ich nach vielen Jahren der Zusammenarbeit und des Vertrauens auch erwarte.
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  • J. S.
    Gerne nehme ich die Versicherungen in Schutz. Wenn dieses "verdammt" hohe Risiko und das Wissen oder Erahnen der Entstehung einer solchen Pandemie bekannt oder nur erahnbar gewesen wäre, dann wären auch die Beiträge dazu immens gestiegen. Wiederum mit der Folge, dass eben fast keiner mehr eine solche Versicherung und Erhöhung in Kauf genommen hätte. Das Ergebnis wäre dann wie jetzt: Auf den Kosten der Pandemie sitzen bleiben. Es muss halt ein gewisses Gleichgewicht auf beiden Seiten sein. Keiner hat Geld zu verschenken. Eigentlich auch der Staat nicht. Siehe die "Bereicherung" und den Mißbrauch auf Kosten des Staates und somit des Steuerzahlers.
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  • W. S.
    So isses. Viele Menschen leben in dem kindlichen Wahn, sich Versicherungen als karitative Organisationen vorzustellen und lehnen dauerempört deren etwaiges Gewinnstreben als moralisch zutiefst verwerflich ab. Um dann als nächstes um eine neue Gehaltserhöhung zu ersuchen und 24 Stunden am Tag Schnäppchen zu jagen. Lustig.
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  • H. G.
    Immer das Gleiche mit den Versicherungen, wenn es um Abschlüsse geht, stehen Sie mindestens drei mal täglich auf der Matte, wenn es um Schadensregulierung geht, dann werden sie alle spitzfindig und wollen nicht zahlen.
    Das ist nicht nur Unterste Schublade, das ist in meinen Augen eine arglistische Täuschung!
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  • G. R.
    hier können nur wieder die geifern, die kein Geschäft haben! Die Versicherungen winden sich, elende Bagage!
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  • C. W.
    Was ich nicht verstehe: Sicher können sich viele Gastwirte einen Prozess finanziell nicht leisten. Warum unterstützt die DEHOGA keinen Musterprozess und führt diesen bis zum BGH? Darauf könnten sich doch dann viele Gastwirte berufen.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Hallo roxy@,

    ein Problem scheint darin zu liegen, dass bei den Betriebsschließungsversicherungen nicht Privatleute, sondern Unternehmen ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Das ist bislang nicht in Form einer Sammelklage möglich, was unter anderem die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann kritisiert. "Stünden den Gastronomen solche kollektiven Klageverfahren offen, wären sie in einer deutlich stärkeren Position und weniger leicht zu erpressen", sagte Rottmann vergangenes Jahr der Main-Post.

    Hier geht's zum Artikel: https://www.mainpost.de/ueberregional/wirtschaft/mainpostwirtschaft/rottmann-versicherungen-nutzen-notlage-der-betriebe-aus-art-10437601

    Herzliche Grüße
    Moritz Baumann
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  • M. Z.
    Ein Musterprozeß muß auch nicht alles klären. Denn vermutlich haben versch. Versicherer oder auch der gleiche Versicherer in versch. Tarifen untersch. Formulierungen in den AGB stehen.
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  • S. K.
    soll mal der BGH entscheiden, damit Klarheit herrscht...so oder so
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    Na, na, na liebes grüne VG Würzburg. Vor kurzem sagtet ihr noch, dass das eben das Geschäftsrisiko von Künstlern, Barkeepern oder Gastronomen sei und eine Erstattung seitens Staat nicht möglich sei. Nun haben diese Leute solidarisch (Versicherung) vorgesorgt. Weder der Staat, noch die Versicherung leisten nun. Gut, dass im September eine Wahl ansteht und es Alternativen gibt zu diesem undemokratischen Spott.
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    Möchte nicht wissen welche staatlichen corona Hilfen da schon geflossen sind. Fürs nichts tun. On top, Belegschaft vermutlich in kurzarbeit oder entlassen. Es gibt welche die es härter getroffen hat...
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  • D. K.
    @dappschaaf
    Falls die Versicherung einspringt, dann gibt’s eben keine staatlichen Hilfen, entweder so oder so.
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  • S. K.
    nicht das VG (Verwaltungsgericht) sondern das LG (Landgericht) hat entschieden
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  • W. S.
    Wenn ich mir die erheblichen wirtschaftlichen Aktivitäten und Neuinvestitionen des Herrn Reiser so anschaue, scheint es zumindest ihn dennoch nicht überhart getroffen zu haben. Informationen hierzu entnehmen Sie einfach dieser Zeitung hier.
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  • H. A.
    Grundsätzlich suchen Versicherungen immer sich rauszureden, nur um Abschlüsse und große Boni zu bekommen, versprechen sie einem das blaue vom Himmel. Das aber auch die Gerichte sich noch auf die Seiten der Versicherungen stellen zeigt wie wenig man für den rechtschaffenden Bürger heutzutage noch übrig hat. Solange er seine Rechnungen etc. brav bezahlt ist er gut, wenn nicht lässt man in fallen wie eine heiße Kartoffel.
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  • M. F.
    Und wenn die Gastro genug Geld hat bezahlen sie das Personal ja auch nicht besser oder senken die Preise. Von daher alles nicht schlimm.
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  • R. A.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • H. A.
    Bezahlt Sie Ihr Arbeitgeber besser wenn Ihr Chef bzw. die Firma mehr verdient? Nein, es wird nach Tarif gezahlt bzw. das was in der Branche übrig ist und wem das nicht gefällt dem steht frei sich einen anderen Job zu suchen.
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