
Zwei bekannte Gastronomen, zweimal der gleiche Ärger: Die Corona-Pandemie hat Alexander Wiesenegg, Chef der Würzburger Bürgerspital Weinstuben, und seinen Kollegen, den Sternekoch Bernhard Reiser, schwer getroffen. Monatelang blieben ihre Restaurants geschlossen – ein betriebswirtschaftliches Desaster.
Und doch blieb die Hoffnung, ihre Versicherung würde zumindest für einen Teil der Schäden aufkommen, schließlich hatten sie bei der Helvetia ein "All-Inclusive"-Paket abgeschlossen. Doch der Konzern weigerte sich, zu zahlen. Am Mittwoch hat nun das Landgericht Würzburg die Klagen der beiden Gastronomen abgewiesen – ein Erfolg für die Versicherung.
Der Streit um sogenannte Betriebsschließungsversicherungen beschäftigt seit vielen Monaten Zivilgerichte in ganz Deutschland. Bundesweit sind laut des Gaststättenverbandes Dehoga hunderte Klagen anhängig.
Coronavirus nicht mitversichert
Mit einer Betriebsschließungsversicherung können sich Metzgereien, Restaurants, Supermärkte oder Arztpraxen für den Fall absichern, dass Behörden ihren Betrieb auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes zwangsschließen. Doch in der Corona-Pandemie ließen große Konzerne wie die Allianz, Helvetia, Ergo, die Versicherungskammer Bayern und die Nürnberger Versicherung ihre Kunden im Regen stehen – mit der Begründung, das neuartige Coronavirus sei nicht mitversichert.
In den Versicherungsbedingungen werden meist verschiedene Krankheiten und Erreger wie beispielsweise Masern, Mumps, Tollwut oder die Pest einzeln genannt. Diese Aufzählung sei abschließend, argumentieren die Versicherer. Nachdem die Verträge häufig lange vor der Pandemie abgeschlossen wurden, ist das Sars-Cov-2-Virus in der Liste meist nicht enthalten. Somit bestünde kein Versicherungsschutz.
Abschließende Aufzählung "relevanter Krankheiten"
Viele Bedingungen verweisen jedoch im gleichen Abschnitt auf das Infektionsschutzgesetz, das immer wieder aktualisiert wird, wenn neue Erreger auftauchen. Die Vertragsklauseln müssten entsprechend dynamisch ausgelegt werden, argumentieren Gastronomen, Hoteliers und ihre Anwälte.
Das Landgericht Würzburg folgt dieser Argumentation nicht und stützt sich dabei auf einen aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts München. Die "Versicherungsbedingungen enthalten eine abschließende Aufzählung der relevanten Krankheiten", teilt das Gericht auf Anfrage mit.
Sternekoch-Reiser: "verlogene Branche"
Wiesenegg und Reiser wollen jedoch weiterkämpfen und Berufung gegen das Urteil einlegen. "Ich bin schwer enttäuscht", sagt Reiser im Gespräch mit dieser Redaktion. In seinem Verfahren geht es um eine halbe Million Euro. Im ersten Lockdown seien ihm innerhalb von sechs Wochen Aufträge im Wert von zwei Millionen Euro weggebrochen. Das Geld aus der Versicherung hätte er dringend gebraucht. Heute spricht er von einer "verlogenen Branche". Es ärgert ihn, dass vermeintliche "Sorglospakete" verkauft werden und er am Ende doch auf den Kosten sitzen bleibt.
"Das muss zum Bundesgerichtshof. Das war von Anfang an klar", sagt auch sein Kollege Wiesenegg. Die "Haarspalterei bei der Auslegung der Versicherungspolicen" frustriert ihn. "Das ist für mich ein Geschäftsgebaren unterster Schublade", meint der Würzburger Gastronom. Er verweist auf Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach Versicherungsverträge so klar und transparent zu gestalten seien, dass sie ein durchschnittlicher Kunde versteht – auch ohne Jurastudium.
Nicht jeder Wirt, kann sich einen jahrelangen Rechtsstreit leisten
Dass nun Gerichte bundesweit – bei vergleichbaren Verträgen – unterschiedlich entscheiden, ist für ihn der Beleg, dass die Bedingungen offensichtlich nicht verständlich sind. "Die besten Juristen des Landes streiten sich seit einem Jahr", betont Wiesenegg.
Sein Anwalt Jörg Hofmann von der Würzburger Kanzlei Bendel und Partner hat den Versicherern bereits vor einem Jahr eine "Strategie der Austrocknung" vorgeworfen. Zahlungen seien bewusst abgelehnt worden – in der Hoffnung, dass sich nur wenige Unternehmer wehren. Schließlich könne sich nicht jeder Gastronom einen jahrelangen Rechtsstreit leisten.
Das ist nicht nur Unterste Schublade, das ist in meinen Augen eine arglistische Täuschung!
ein Problem scheint darin zu liegen, dass bei den Betriebsschließungsversicherungen nicht Privatleute, sondern Unternehmen ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Das ist bislang nicht in Form einer Sammelklage möglich, was unter anderem die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann kritisiert. "Stünden den Gastronomen solche kollektiven Klageverfahren offen, wären sie in einer deutlich stärkeren Position und weniger leicht zu erpressen", sagte Rottmann vergangenes Jahr der Main-Post.
Hier geht's zum Artikel: https://www.mainpost.de/ueberregional/wirtschaft/mainpostwirtschaft/rottmann-versicherungen-nutzen-notlage-der-betriebe-aus-art-10437601
Herzliche Grüße
Moritz Baumann
Falls die Versicherung einspringt, dann gibt’s eben keine staatlichen Hilfen, entweder so oder so.