Sie haben so komplizierte Namen wie Schistosomiasis, Buruli Ulcer oder Leishmaniose. Oder andere – für den Laien griffiger: Lepra, Tollwut oder die afrikanische Schlafkrankheit. 20 Arten sogenannter "vernachlässigter Tropenkrankheiten" zählt die Weltgesundheitsorganisation auf. Und sie sind weit mehr als eine Randnotiz: Rund eine Milliarde Menschen sind davon betroffenen. In Würzburg entsteht nun das Deutsche Zentrum für die Erforschung, Prävention und Bekämpfung (DZVT) dieser Krankheiten.
Würzburger Netzwerk verschiedener Einrichtungen
Vor wenigen Tagen haben die Akteure im Würzburger Rathaus eine Absichtserklärung unterschrieben. In Kürze soll ein Trägerverein gegründet und ein Koordinationsbüro installiert werden. Der fachliche Auftakt ist mit einem Symposium im Mai in der Residenz geplant.
Das Besondere an dem neuen Zentrum: Es handelt sich um ein Netzwerk von Würzburger Instituten und Einrichtungen, die ihre Expertisen im Kampf gegen "vernachlässigte Tropenkrankheiten" bündeln. Beteiligt sind die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW), das Missionsärztliche Institut, Universität und Fachhochschule. Also Forschung im Verbund mit konkreten Projekten vor Ort.
"Es wird zu viel nur auf Medizin und Pharmazie geschaut", sagt DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm und nennt ein Beispiel: Zwar könne man die Schistosomiasis mit Medikamenten bekämpfen. Nur macht eine große Zahl von Neuinfektionen den Behandlungserfolg wieder zunichte. Deshalb sind breiter angelegte Strategien gefragt.
"Man muss das Lebensumfeld der Menschen verändern", so Kömm. Brunnen für sauberes Trinkwasser, Toiletten für verbesserte Hygiene, Schulen für mehr Bildung – wichtige Faktoren, um Krankheiten zu bändigen. Eine Rolle spielt aber auch die Mitsprache, die Möglichkeit der politischen Beteiligung. Die richtige Kommunikation, damit Menschen nachteiliges Verhalten ändern. Und schließlich technisch-logistische Aspekte: Wie gelingt es, den Bedarf an medizinischer Versorgung zu ermitteln und die Menschen in entlegenen Dörfern zu erreichen?
Fachhochschule und Universität bringen ihr Wissen ein
Von der "letzten Meile" sprechen hier die Experten. Und die sitzen etwa in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften: In den Geowissenschaften befassen sich Studierende in Würzburg mit dem Aufbau von Strukturen oder der Datenerhebung. Umgekehrt verfügen Hilfsorganisationen vor Ort über Wege und Zugänge, die der Wissenschaft eine schnelle praktische Umsetzung erlauben.
Die Julius-Maximilians-Universität bringt starke Kompetenzen aus der Medizin, der Politikwissenschaft oder der Ökologie ein. Seit Jahren vereint das Afrikazentrum der Uni Lehrstühle aus allen Fakultäten, die einen wissenschaftlichen Bezug zum Kontinent haben.
Die medizinische Fakultät betreibt schon heute einen Austausch angehender Mediziner zwischen der Uniklinik und dem Hospital in Würzburgs Partnerstadt Mwanza in Tansania – auch zum Vorteil der Würzburger Medizinstudierenden: "Sie lernen dort relativ unbekannte Krankheiten kennen", erklärt Dekan Matthias Frosch. Die Armutskrankheiten führen häufig zu Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung. Hinzu kommt ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden, unter dem die Entwicklung der Länder leidet.
Das weltweit bekannte Missionsärztliche Institut und die DAHW sind seit Jahrzehnten auf Tropenkrankheiten spezialisiert. "Es gibt keine andere Stadt in Deutschland mit solchen Kompetenzen", so DAHW-Chef Kömm. Oberbürgermeister Christian Schuchardt spricht von einer Würzburger "Standort-Expertise". Diese soll mit dem neuen Zentrum genutzt und weiteren Partnern ausgebaut werden.
Auch Pharmaindustrie zeigt Interesse
Auch die Wirtschaft ist daran interessiert: Erste Gespräche mit dem Verband forschender Arzneimittelfirmen haben stattgefunden. Ziel ist es laut Kömm, weitere Experten-Organisationen aus Deutschland und den betroffenen Ländern mit ins Boot zu holen. Der Anfang jedenfalls sei gemacht.