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WÜRZBURG
Netzwerk gegen Radikalisierung
Schülerprojekt gegen Salafismus       -  ARCHIV - In einem Rollenspiel hat sich ein Schüler der Gerhart-Hauptmann-Schule am 12.05.2017 im Rahmen des Projekts 'Wir gegen Salafismus' als Islamist verkleidet. Im kritischen Dialog sollen die Schüler so erkennen, wie sie Anwerbeversuchen von Salafisten im Alltag entgegentreten können.
Foto: Boris Roessler (dpa) | ARCHIV - In einem Rollenspiel hat sich ein Schüler der Gerhart-Hauptmann-Schule am 12.05.2017 im Rahmen des Projekts "Wir gegen Salafismus" als Islamist verkleidet.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:32 Uhr

Von vorneherein verhindern, dass Jugendliche in die Fänge extremistischer Gruppen und Ideologien geraten, dies hat sich das Präventionsnetzwerk Radikalisierung von Stadt und Landkreis Würzburg zum Ziel gesetzt. Bei dem interkommunalen Projekt gibt es jetzt erste Ergebnisse.

Ein Auslöser war das Axt-Attentat im Juli 2016 in einem Regionalzug bei Würzburg, bei dem ein minderjähriger Flüchtling ein Blutbad anrichtete. So weit soll es nie wieder kommen. Darin sind sich alle einig. Doch es geht nicht nur um die Gefahr radikaler Salafisten, sondern um jegliche extremistische Ideologie. Dafür rückt das Präventionsnetzwerk der Stadt und des Landkreises Würzburg Jugendliche aller Glaubensrichtungen und aller sozialer Schichten, männlich wie weiblich, mit und ohne Migrationshintergrund, in seinen Fokus.

Es gehe vor allem um die Sensibilisierung, sagt Oberbürgermeister Christian Schuchardt am Montag im Würzburger Burkardushaus. Welche sind die ersten Anzeichen, wenn Kinder und Jugendliche mit radikalen Ideen liebäugeln? Wie können Eltern, Lehrer, Jugendarbeiter und Ehrenamtliche frühzeitig die Warnsignale erkennen? Mit diesen Fragen will sich das Netzwerk beschäftigen.

Jährliche Expertentreffen

Ab sofort treffen sich einmal im Jahr Experten aus der praktischen Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, beispielsweise aus der Jugendarbeit, der Berufsintegration, der sozialpädagogischen Betreuung und den Schulen, um gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie man extremistischem Gedankengut den Nährboden entziehen kann. Kinder und Jugendliche, die besonders leicht in die Fänge extremistischer Strippenzieher geraten, sollen immun werden gegen deren Gedankengut.

Mit Aufklärung, Fachwissen, Projekten und Workshops sollen alle - auch die Jugendlichen selbst und ihre Eltern - für das Thema sensibilisiert werden.

Die Organisatoren des Präventionsnetzwerks Radikalisierung Elena Enzmann (verantwortlich für die Stadt Würzburg) und Jürgen Schwab (verantwortlich für den Landkreis Würzburg) im Burkardushaus Würzburg.
Foto: Angelika Kleinhenz | Die Organisatoren des Präventionsnetzwerks Radikalisierung Elena Enzmann (verantwortlich für die Stadt Würzburg) und Jürgen Schwab (verantwortlich für den Landkreis Würzburg) im Burkardushaus Würzburg.

In der ersten Tagung des Netzwerks wollten die Organisatoren vor allem wissen, wo den Lehrern, Sozialpädagogen und professionellen Flüchtlingshelfern aus Stadt und Landkreis der Schuh drückt und wie man sich am schnellsten sowohl untereinander als auch mit Radikalisierungs-Experten vernetzen könnte.

Wo am meisten der Schuh drückt

„Das was uns im Augenblick am meisten bedrückt, ist, dass wir oft Menschen vor uns haben, die in unserem Land eine schlechte Perspektive haben“, sagt Christine Fabri vom Kolping-Bildungszentrum in Würzburg. Sie spricht unter anderem von geflüchteten Teenagern mit ungewisser Bleibeperspektive, die vor ihrer Abschiebung zittern. Aus ihrer Sicht ist die Vernetzung aller Partner, die sich für Jugendliche engagieren, besonders wichtig.

„Die Mittel- Grund- und Realschulen brauchen Hilfe!“ fordern Stephan Becker, Rektor der Würzburger Mönchbergschule und Michael Hümmer, Rektor der Mittelschule in Gaukönigshofen übereinstimmend. Die Arbeit der Lehrer werde immer komplexer. „Manchmal nehmen wir es nicht wahr, wenn sich Jugendliche verändern. Wir brauchen an allen Schulen sowohl einen Jugendsozialarbeiter als auch kompetente externe Ansprechpartner beim Thema Radikalisierung“, sagen die beiden Rektoren und ernten Applaus aus dem Publikum. Sie wünschen sich mehr Angebote auf Augenhöhe ihrer Schüler.

Ähnliches fordert Sonja Welzenbach vom Ochsenfurter Jugendzentrum, die klagt: Bei 40 bis 80 Jugendlichen, die pro Tag von zwei Fachkräften betreut werden, gehe andernfalls Einiges unter. Kilian Schick vom Würzburger Jugendzentrum Bechtolsheimer Hof ergänzt, wie schwierig es sei, bestimmte Gruppen, beispielsweise muslimische Mädchen, über traditionelle Angebote des Jugendzentrums zu erreichen.

"An den Schulen brennt es!"

Margit Stühler aus der Schulleitung vom Beruflichen Schulzentrum Kitzingen-Ochsenfurt sagt: „Bei uns an der Schule brennt es! Wir haben nicht nur Flüchtlinge, sondern auch viele deutsche Schüler, die unsere Hilfe brauchen und die man davor bewahren muss, dass sie nicht in eine Szene abrutschen, die uns allen gefährlich werden kann.“ Mehr Unterstützung, mehr Vernetzung und mehr Angebote für Pädagogen und Schüler ist ihr Wunsch.

Elena Enzmann, Verantwortliche des Netzwerks für die Stadt Würzburg, resümiert nach der ersten Tagung: „Es war gut, einmal in die Köpfe der Profis hinein zu schauen!“ Ab Januar sollen die ersten Fortbildungen für Pädagogen zum Thema Radikalisierung starten.

 

An wen richtet sich das Präventionsnetzwerk Radikalisierung?

Zum ersten Mal in Bayern wollen alle Verantwortlichen einer Stadt und eines Landkreises gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, jedweder Form von Radikalisierung vorzubeugen und diese zu verhindern. Dafür gründeten Stadt und Landkreis Würzburg im Mai das erste „interkommunale Präventionsnetzwerk Radikalisierung“. Ähnliche Präventionsnetzwerke einzelner Städte gibt es in Augsburg und Nürnberg.

Die Verantwortlichen versammelten am Montag alle Fachkräfte in der Region, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, für die erste Netzwerk-Tagung im Würzburger Burkardushaus, darunter Jugendsozialarbeiter, Lehrer und Schulpädagogen.

In einem zweiten Schritt sollen Eltern, Jugendleiter sowie die Vorstände und Übungsleiter von Sportvereinen für das Thema sensibilisiert werden. Anschließend wolle man die Jugendlichen selbst ansprechen: in pädagogischen Einrichtungen der Jugendhilfe, Unterkünften für Asylbewerber und Jugendtreffpunkten in Stadt und Landkreis.

Wie hoch die Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration des Netzwerks insgesamt sein wird, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass der Freistaat die einzelnen Projekte zunächst bis Ende des Jahres 2019 finanziert.

Ansprechpartner für das Präventionsnetzwerk sind Christine Blum-Köhler und Elena Enzmann für die Stadt sowie Stephan Junghans und Jürgen Schwab für den Landkreis.

 
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