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WÜRZBURG
Pilotprojekt gegen Radikalisierung
Die Leiterin des Pilotprojekts Elena Enzmann sprach bei einer Pressekonferenz über radikalisierungsgefährdete Jugendliche.
Foto: Theresa Müller | Die Leiterin des Pilotprojekts Elena Enzmann sprach bei einer Pressekonferenz über radikalisierungsgefährdete Jugendliche.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:27 Uhr

Das Vorhaben ist in Bayern einzigartig: Zum ersten Mal wollen künftig alle Verantwortlichen gemeinsam und koordiniert an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, jedweder Form von religiös begründeter Radikalisierung vorzubeugen. Dafür gründen die Stadt und der Landkreis Würzburg das erste „interkommunale Präventionsnetzwerk Radikalisierung“. Es gehe vor allem um die Sensibilisierung in Schulen und im Jugendbereich, sagt Oberbürgermeister Christian Schuchardt am Dienstag in Würzburg.

Welche sind die ersten Anzeichen, wenn Kinder und Jugendliche in die Fänge fundamentalistischer Prediger geraten? Wie können Eltern, Lehrer, Jugendarbeiter und Ehrenamtliche frühzeitig die Warnsignale erkennen? Wie kann man von vorneherein radikalen Ideologien den Nährboden entziehen? Mit diesen Fragen will sich das Netzwerk beschäftigen, das vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert wird. Wie hoch die Förderung sein wird, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass der Freistaat zwei halbe Stellen sowie die einzelnen Projekte für Kinder und Jugendliche zunächst bis Ende des Jahres 2019 finanziert.

„Das Netzwerk richtet sich gegen jede Form der Radikalisierung, die religiös begründet ist – egal, welcher Glaubensrichtung“, sagt Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg. Eingebunden sind alle fünf Würzburger Moscheegemeinden, die auch selbst Workshops anbieten werden, sowie Vertreter der Kirchen.

„Noch gibt es keinen Masterplan“, sagt Klaus Rostek, Fachbereichsleiter im Amt für Jugend und Familie des Landkreises. Im Herbst soll es losgehen. Im Anschluss werden die ersten Workshops, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen stattfinden. „Wir wollen auf externe Referenten setzen, die das entsprechende Knowhow mitbringen“, so Rostek. Diese Experten sollen zunächst die Fachkräfte schulen. Gemeint sind Lehrer der Mittelschulen, Berufs- und Fachoberschulen, Jugendhelfer, Sozialarbeiter und Pädagogen, kurzum alle, die sich um Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund sowie um junge unbegleitete Flüchtlinge kümmern.

Im nächsten Jahr sollen Veranstaltungen für Eltern, Mitarbeiter des Stadt- und Kreisjugendrings und Verantwortliche in Sportvereinen angeboten werden. Auch ehrenamtliche Flüchtlingshelfer – allein im Landkreis gibt es 30 Helferkreise, die sich um 1130 Asylbewerber kümmern – will das Netzwerk einbinden.

Anschließend will man sich der gefährdeten Zielgruppe selbst widmen. In Jugendtreffs, Einrichtungen der Jugendhilfe und in Unterkünften für Asylbewerber sollen Kinder und Jugendliche für religiöse Radikalisierung sensibilisiert werden. Ziel sei es, „das Selbstbewusstsein von Jugendlichen zu stärken, die sich in einer Identitätskrise befinden, sie in unsere Gesellschaft einzubinden, sie über Terrorismus und Extremismus aufzuklären, sie vor radikalen Gruppen in sozialen Medien zu warnen und ihnen religiöse Bildung zu vermitteln“, erklärt Elena Enzmann, Projektleiterin des Netzwerks für die Stadt Würzburg. Das Ziel sei die Prävention. In Fällen, in denen eine Radikalisierung bereits stattgefunden hat, werde man externe Experten einschalten.

Die Anzeichen einer Radikalisierung können unterschiedlich sein, so Enzmann. Gefährdet sind Jugendliche, die sich in einer Krise befinden, die ihr Verhalten, ihr äußeres Erscheinungsbild, ihr Gebets- oder Essverhalten verändern, soziale Kontakte abbrechen und Feindbilder aufbauen.

Denn eines, darin sind sich alle einig, soll nie wieder passieren, meint Landrat Eberhard Nuß: Dass ein minderjähriger Flüchtling, der gerade noch mit den kleinen Kindern einer Pflegefamilie, die ihn herzlich aufgenommen hatte, Fußball und Maumau spielte, urplötzlich mit einer Axt in einen Zug steigt und ein Blutbad anrichtet. Das Axt-Attentat im Juli 2016 in Würzburg, bei dem fünf Menschen verletzt wurden, habe vieles verändert. Doch Ängste oder Vorurteile – „das will niemand“, so Nuß.

 
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