Wer den Garten von Simone Angst-Muth betritt, erlebt ein Feuerwerk für die Sinne: sattes Grün, soweit das Auge reicht, uralte Obstbäume, blühende Stauden, Ziergehölze und Ramblerrosen, dazu ein stetiges Summen von Bienen und anderen Insekten – und an jeder Ecke weht ein anderer Duft um die Nase.
Seit 2021 ist das 2000 Quadratmeter große Grundstück, oberhalb des Würzburger Steinbachtals, direkt unterhalb der Frankenwarte, als "Naturgarten" zertifiziert. Wer seinen Garten offiziell so nennen will, muss auf chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel sowie auf Torf zur Bodenverbesserung verzichten, Futter, Schutz und Nistmöglichkeiten für Tiere und Insekten liefern. Zudem sollte dort eine hohe Vielfalt an Pflanzen und Tieren zu finden sein.
Den Garten von Simone Angst-Muth bevölkern Vögel, Insekten, Ringelnattern, Molche, Kröten, Eidechsen, Igel, Blindschleichen, Füchse. Sie alle finden hier Unterschlupf: in Ecken mit Totholz etwa, oder einem Baumstamm, in dem sich neben Nisthöhlen von Vögeln auch das Nest eines Siebenschläfers befindet.
Futter für die Tiere ist in Simone Angst-Muths Garten fast das ganze Jahr über vorhanden. Im Vorfrühling sorgen Gewächse wie die Zaubernuss dafür, dass Bienen bereits in dieser kargen Zeit Futter finden. "Wir lassen außerdem Gräser und Samenstände auch im Winter stehen", so die Garten-Expertin.
Uralter Bestand an Obstbäumen sorgt für Andrang von Bienen und anderen Insekten
Ihren Garten hat sie in fünf "Räume" mit unterschiedlichem Charakter unterteilt: "Ein Naturgarten muss nicht wild und ungeplant sein", meint Simone Angst-Muth. Im Eingangsbereich steht einladend eine Bank unter einem Birnbaum. Ein geschwungener Weg führt an zahlreichen blühenden Stauden vorbei zur Terrasse.
Entlang des Weges findet sich zur Linken die Obstwiese mit ihren über 80 Jahre alten Bäumen. Unter anderem Boskop, Cox Orange, Kaiser Wilhelm und andere Apfelsorten, die nicht einmal die Gartenbesitzerin selbst benennen kann, bieten dort Futter für Bienen und andere Insekten. "2012 haben wir 2000 Kilo Äpfel geerntet – daraus wurden 1200 Liter Apfelsaft", erzählt Simone Angst-Muth stolz.
Beim Kauf 1997 glich das Grundstück einer "Koniferen-Wüste"
Als sie und ihr Mann 1997 das Haus und Grundstück im Oberen Steinbachweg kauften, waren es genau diese uralten Bäume, in die sich das Paar verliebt hatte. "Es war April, alle Apfelbäume blühten, wir hatten eine rosarote Brille auf", sagt Angst-Muth, die in einem 4.500 Quadratmeter großen Landschaftsgarten aufgewachsen ist und sich schon immer einen eigenen Garten gewünscht hat. Für die "tolle Substanz" des Gartens nahmen sie und ihr Mann in Kauf, dass das Grundstück ansonsten einer "Koniferen-Wüste" glich. Unzählige Nadelgehölze, dazu Waschbeton, Betonwege sowie eine zubetonierte Terrasse – die 60er Jahre ließen grüßen.
Nach und nach verwandelten die Angst-Muths den Garten, der in den 30er Jahren als Schrebergarten angelegt worden war, in das Paradies für Mensch und Tier, das er heute ist. Der alte Obstbestand wurde mit Hilfe eines Baumwarts wieder herausgearbeitet, die zum Großteil kaputten Koniferen herausgenommen und stattdessen tausende Stauden gepflanzt. Geblieben sind einige Eiben, die mit ihren Beeren den Vögeln Futter bieten.
2013 baute das Paar die obere Hälfte des Gartens komplett um: Nachdem der Beton beseitigt war, entstand eine Anlage "aus einem Guss", mit einem Duft- und Trockengarten rund um den Pool, der von Anfang an zum Haus gehörte, und organisch gewundenen Wegen.
Ihren fotogenen Garten, der für Simone Angst-Muth vor allem "Fülle und Ruhe" symbolisiert, nutzt die Kommunikationsexpertin beruflich für ihre Kommunikationsagentur, mit der sie für die grüne Branche tätig ist - daher rührt auch der Name sam (für Simone Angst-Muth)-Agenturgarten. "Der Erfolg einer Kampagne hängt wesentlich vom Bildmaterial ab", sagt sie. Stoff für gute Fotos findet sie vor ihrer Türe zuhauf. Doch der Garten- und Kommunikationsexpertin geht es um mehr als schöne Bilder. Sie möchte ihr umfangreiches Wissen weitergeben und andere anregen, selbst aktiv zu werden.
"Wir müssen unsere Umwelt viel stärker begrünen", betont Angst-Muth, die bekennt, bei ihrem Herzensthema durchaus "missionarisch unterwegs" zu sein. Man könne dafür jeden Winkel, wie zum Beispiel auch einen Balkon, nutzen, "man muss nur wissen, wie". So müsse die Pflanzenauswahl standortgerecht sein; zudem könne man Pflanzenwelten zusammensetzen, die sich gegenseitig guttun: Wer etwa Rosen neben Salbei oder Estragon pflanzt, hält Schädlinge ab. Ansonsten plädiert Angst-Muth dafür, Schädlinge entweder auszuhalten, oder sie mit natürlichen Aromen zu bekämpfen: So helfe Teebaumöl gegen Mehltau, Blattläuse und andere schädliche Insekten.
"Irgendwann haben wir es bedauert, dass der Garten nur für Fotozwecke genutzt wird", erinnert sich Angst-Muth. Es sei die Zeit gewesen, in der vielerorts Schottergärten in Mode kamen – "Gärten", die sich in praller Sonne auf bis zu 90 Grad aufheizen können. "Vielen fehlen Infos über Pflanzen und über das, was mit ihnen möglich ist", sagt Simone Angst-Muth. Seitdem bietet sie Seminare in ihrem Garten an, zu Themen wie Kräutern, Trockengärten oder Gärten für Mensch und Biene.
Viele Pflanzen können gut mit Trockenheit umgehen
Vor allem das Thema Trockengärten erweist sich angesichts der Klimaentwicklung als hochrelevant. 2018 legten die Angst-Muths um das Haus einen Trockengarten an, den Kräuter und mediterrane Stauden besiedeln. Denn Bohnenkraut, Salbei, Oregano, Estragon, Brandkraut und Mittelmeer-Wolfsmilch mögen Hitze, kommen mit wenig Wasser aus – und ziehen Schmetterlinge wie den Schwalbenschwanz an. "Die Pflanzenwelt liefert Lösungen, wir müssen sie nur nutzen", ist die Gartenexpertin überzeugt.
Um ihren Garten zu bewässern, verwendet sie das Wasser aus einer 20 Kubikmeter großen Zisterne, mit der das Haus von Anfang an ausgestattet war; eine zusätzliche Zisterne ist geplant. Ein Tipp von Simone Angst-Muth: Pflanzt man Beetflächen zu, verringert der dichte Bewuchs die Wasserverdunstung im Bodenreich. Dies helfe auch gegen Unkraut und mache den Einsatz von Rindenmulch überflüssig. Wer letzteren auf seinen Beeten verwende, entziehe dem Boden Stickstoff, den der Rindenmulch für den Verrottungsprozess brauche, und der den Pflanzen für ein gesundes Wachstum fehle, so die Expertin.
Gang in den Garten, um nach Arbeitstag "Schalter umzulegen"
Was ist die Intention eines Gartens? Das ist für die Beraterin die wichtigste Frage, wenn es um das Anlegen eines Gartens geht. Bei ihrem eigenen Exemplar scheint die Antwort klar: Simone Angst-Muth will inspirieren – in Sachen Biodiversität und vorausschauender Bepflanzung im Hinblick auf den Klimawandel. Im Blick hat sie dabei nicht nur Garten-, Terrassen- und Balkonbesitzer, sondern auch Unternehmen, die zubetonierte Außenanlagen in grüne Oasen für Insekten verwandeln sowie Dächer und Fassaden begrünen könnten.
Für sie persönlich bedeutet der Gang in ihren Garten nach einem langen Arbeitstag in der Agentur, "einen Schalter umzulegen". Dann genießt Simone Angst-Muth ihre grüne Oase ganz privat: "Die Natur schenkt uns viel für die Seele", sagt sie.