
Als sie diesen Garten zum allerersten Mal sahen, damals vor über 20 Jahren, da standen die Apfelbäume in voller Blüte und die Wiese war übersät mit knallgelbem Löwenzahn. Ein Traum. Für Simone Angst-Muth und ihren Mann war klar: Diesen Garten und das Häuschen darin, das wollten sie gerne haben.

Sie hatten schon länger gesucht. Simone Angst-Muth, studierte Kommunikationsdesignerin, war mit ihrer Agentur für die grüne Branche tätig, beschäftigte sich schon aus beruflichen Gründen viel mit Pflanzen, mit Natur. Und sie wollte endlich einen eigenen Garten.
Dass da auf dem 2000 Quadratmeter-Grundstück ganz weit hinten und oben im Würzburger Steinbachtal, direkt unterhalb der Frankenwarte, nicht nur Apfel- und andere alte Obstbäume standen, sondern zum Beispiel auch 32 riesige Fichten, Blautannen und andere Nadelgehölze, dass sonst vor allem überall Wacholder in halbmondförmigen Beeten zwischen viel Waschbeton vor sich hin wuchs – das Ehepaar sah es beim Hauskauf mit rosaroter Brille. „Alles Zeug der 60er Jahre“, sagt Simone Angst-Muth und verdreht demonstrativ die Augen. Bis direkt an die Hauswand seien die Betonwege verlaufen, die Terrasse war zubetoniert, kein Gräschen sollte dem Haus zu nahe kommen. Der Besitzer hatte sich abgeschottet. Und mit Garten nichts am Hut.
Wer heute die Ramblerrose „Bobbie James“ sieht, die in der Gartenmitte den Apfelbaum hoch hinaufgewachsen ist und diesem gerade imposant zu einer späten zweiten Blüte verhilft, wer sich an den Inseln von Mutterkraut vorbeidrückt, wer versucht, die Bienen und Hummeln zu zählen, die sich allein auf der blauen Färberhülse sattfuttern – der braucht schon viel Fantasie, um sich hier einen Garten des Grauens vorzustellen.

Eher schon kann man sich ausmalen, wie der Garten vor 80, 90 Jahren aussah. Ein alter Obst- und Gemüsegarten muss es gewesen sein – mit Weinstöcken, Beeren, Birnen, Quitten. „Da war Ernährung angesagt.“ Das Häuschen sei eigentlich mal eine Hütte gewesen, sagt die Gartenliebhaberin. Nach dem Krieg müssen die Grundstücksbesitzer dann dort eingezogen sein. Und wie es mit Provisorien so ist. . . Simone Angst-Muth hat im Garten, zwischen den Johannisbeeren, uralte Pfingstrosen gefunden und gerettet. „50, 60 Jahre alt müssen die sein. Und sie werden nicht altersmüde.“ Gerade ist die üppige Pfingstrosenblüte vorbei. In den Edelpfingstrosen nach japanischer Art, denen mit den breiten und weit offenen statt kugelrunden Blüten, hatten sich tagelang die Bienen gewälzt – „förmlich ekstatisch“.

Nach Iris und Pfingstrosen sind jetzt die Taglilien an der Reihe, dann all die Sommerblumen: Sonnenhüte, Mädchenaugen . . . „Wir verändern die Farbwirkung im Garten während des Jahres“, sagt die Expertin für Gartenmarketing. Und so gezielt wie es klingt, ist es auch. Mag dieser private Garten an der Frankenwarte noch so üppig wachsen, mag hier alles noch so natürlich gedeihen – alles ist Absicht. Und bewusst genauso gemacht. Zitronengelbe Blüten? Wird man hier nicht finden, weil sie farblich das Vanillegelb der Hausfassade stören würden. Blassblaue oder violette Blüten? „Ja, aber niemals kaltes Blau.“


Früh im Jahr geht's los mit 100 Meter Tulpen und Narzissen am Wegesrand. Im Herbst, da werden Gräser zum bestimmenden Thema. Und Fruchtstände – zum Beispiel die von der Indigolupine, die die Bienen so lieben – die lässt Simone Angst-Muth jetzt stehen. Weil der Garten im Winter dann wirkt wie eine grafische Zeichnung mit feinen Linien, Strukturen, weil die Gehölze ihr wahres Gesicht zeigen. „Ich liebe den Garten im Winter wahnsinnig“, sagt die Gestalterin. Der uralte Boskop „ist dann wie eine Skulptur“. Über die Jahre hat Angst-Muth aus dem 60er-Jahre-Waschbetongarten ein . . . ja was, geschaffen? Wäre es nicht so abgedroschen, man würde Paradies sagen.
Alter Lehmboden – „wie Knetmasse“ – raus, neue Erde rein. Fichten raus, Platz, Licht und Luft für die vielen alten Apfelsorten, die jedes Jahr der Fachmann schneidet, damit sie lange leben und tragen und den Vögeln und dem Siebenschläfer weiter Nist- und Nestmöglichkeiten bieten. Betonpiste ums Haus weg, Buchse und Hortensien an die Mauer. Und Stauden, Stauden, Stauden überall. „Gezielte Pflanzenauswahl“, sagt die 57-jährige Agenturinhaberin zu dem, was aussieht, wie von der Natur genau so erdacht. 2013 und 2014 wurde das Konzept von der Jury des grünen Fachmagazins „Taspo“ im Finale des Awards „Gartendesigner des Jahres“ ausgezeichnet.


Beim Design aber geht's nicht nur um schiere Schönheit: Bei einer Gartenreise traf Angst-Muth vor zwei Jahren zwei englische Landschaftsgärtner, die bei der Royal Horticultural Society in Whisley Garden bei London ihre Ausbildung gemacht hatten. Sie lud die beiden nach Würzburg ein – und die zwei spezialisierten Staudengärtner experimentierten ein halbes Jahr lang im Steinbachweg-Garten. Das Gelände ums Haus ist ein Testgelände geworden: „Wir wollten zeigen, dass man Trockengärten so gestalten kann, dass sie ein Blütenmeer statt Schotterwüste sind.“ Jetzt blüht und gedeiht es hinterm Haus, wo mal eine mächtige Kirschlorbeerhecke alles dominierte – völlig ohne Bewässerung und Gießkannen-Einsatz, auch in Sommern wie 2018.
Der Trick gegen Unkraut? „Einfach alles zupflanzen, dann hat man viel weniger Arbeit“, sagt Simone Angst-Muth. Wer Rindenmulch auf die Beete häufe, damit das Unkraut nicht wächst – fördere es gerade, weil allen anderen Pflanzen die Nährstoffe ausgehen. Ihr Garten sei auch so geworden, wie er jetzt ist, weil sie Fotos für ihre Arbeit, für Broschüren, Flyer, Kommunikationskampagnen brauchte, sagt die Würzburgerin. Sie hat jetzt Pflanzen und Motive vor der Agentur-Tür, die sie in keiner Bilddatenbank finden würde.
Und ihre Erfahrungen, ihre Tricks, will sie jetzt gerne mit anderen teilen. 2016 kam die erste Reisegruppe angefahren. Die Chefredakteurin der „Landlust“ hatte mit Lesern mal nicht nach England reisen, sondern deutsche Gärten zeigen wollen. Und der Garten an der Frankenwarte wurde ihr als Geheimtipp genannt.

„Das spricht sich rum“, sagt Simone Angst-Muth drei Jahre später über die vielen Besucher, die sie inzwischen durch ihren Garten geführt hat. Die Rosenfreunde aus Dortmund waren da, die Staudenfreunde aus Hamburg, Gruppen aus Berlin. Und neulich erst meldete sich jemand aus Würzburg an. Er war extra für eine Gartenbesichtigung ins Sauerland gefahren. Und die Leute dort hatten ihn entgeistert gefragt, warum er denn käme, wo es doch in Würzburg diesen 2000-Quadratmeter-Privatgarten gibt . . .
Gartenführungen: Natur- und pflanzenbegeisterten Menschen zeigt Simone Angst-Muth gerne den Garten im Oberen Steinbachweg 68 in Würzburg. Sie bietet jetzt auch Führungen zu bestimmten Themen an. An diesem Sonntag, 16. Juni, geht es um 15 Uhr um „Gärten für Mensch und Biene“, also um Pflanzen, die Insekten von Frühling bis Herbst Futter bieten und eine Augenweide sind. „Stauden zum Vernaschen schön“, heißt es am Samstag, 22. Juni um 16 Uhr. Am Samstag, 21. Juli, sind um 15 Uhr die Kräuter dran. Bei Interesse am besten vorher anrufen oder per Mail melden: ? (0931) 96 00 26 info@sam-wuerzburg.de Infos unter www.sam-wuerzburg.de