Für Ilker A. schlägt an diesem Mittwochmorgen die Stunde der Wahrheit: Zum Prozessauftakt am Dienstag hatte das Gericht dem 30-jährigen früheren Kickboxer die Rolle des Frauenverstehers nicht abgekauft. Die Richter um den Vorsitzenden Hans Brückner glauben eher, dass er Partnerinnen unter Alkohol und Drogen dazu zwingt, sich seinen sexuellen Wünschen zu fügen.
Ilker A. spricht von einvernehmlichen Sex
Das Gericht forderte den 30-jährigen Angeklagten unmissverständlich auf, mit einem umfassenden Geständnis reinen Tisch zu machen. Bleibe er bei seiner Version vom einvernehmlichen Sex, drohe ihm bei einer Verurteilung sogar die Sicherungsverwahrung.
Den Ernst der Lage erfasst Ilker A. erst allmählich, nachdem Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh die Anklage verlesen hat: Wenn sich die Frauen seinen Wünschen widersetzten, habe er seinen Willen brutal durchgesetzt, erzählten mehrere Ex-Partnerinnen bei den Ermittlungen. Einer, die sich vergeblich wehrte, soll er erwidert haben: "Es macht mich geil, wenn du um Hilfe schreist."
Angeklagter in einem Chat: "Die würde ich zusammenschlagen..."
Richter Claus Barthel zitiert aus einem sichergestellten Chat des Angeklagten mit einem Kumpel, in dem sich beide über das Bild einer nackten Frau auslassen. "Die würde ich auch zusammenschlagen und dann bumsen", schreibt der Angeklagte. Das bringt den Richter zu der Frage: "Was haben Sie denn für ein Frauenbild?"
Auf Anfrage des Gerichts erklärt Verteidiger Martin Reitmaier: Sein Mandant werde sich erst später zur Anklage äußern. "Alkohol und Drogen machen etwas mit mir, was ich nicht verstehe", steht in einem Brief, den das Gericht abgefangen hat. Er gibt an, pro Tag vier bis sechs Bier, ein paar Kurze, Cocktails und zuletzt eine Flasche Wodka pro Tag getrunken zu haben. Dazu kamen zwei bis drei Joints und Kokain, wenn es zu kriegen war.
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Das Staatsexamen als Lehrer ließ Ilker A. einmal sausen, beim zweiten Mal fiel er durch. Am Schluss sei er auch nicht mehr zum Kickboxen gegangen, sondern habe "mehr oder minder in den Tag hinein gelebt".
Gericht: "Es sieht nicht ganz so gut für Sie aus"
Das Gericht mahnt ihn, "Punkte zu machen". "Es sieht nicht ganz so gut aus für Sie", sagt der Vorsitzende Hans Brückner. Das gilt vor allem für den letzten Fall der Anklage, der den Mann im Sommer 2018 in Haft brachte. Auf dem Heimweg von einer Bar in der Würzburger Innenstadt wollte Ilker A. von seiner angetrunkenen Begleiterin Sex. Er soll sie am Ringpark in der Nähe des Kriegerdenkmals ins Gras gezwungen und ausgezogen haben. Ihre Hilferufe soll er mit Schlägen und Würgen unterdrückt haben. Passanten, die sich besorgt erkundigten, schickte er weiter: Sie würden gerade bei einvernehmlichen Intimitäten stören.
Zwei Männer ließen sich bluffen und wollten weiter, aber eine Frau nicht. Ilker A. soll die Zeugin attackiert haben. Andere kamen ihr zu Hilfe, zwei folgten dem fliehenden Kickboxer und verständigten die Polizei. "Das war einvernehmlich, die will mir nur was anhängen", soll Ilker A. da erklärt haben.
Geständnis an diesem Mittwoch?
Richter Claus Barthel konfrontierte den Angeklagten damit, dass er selbst mit seinen Filmen Belege dafür geliefert habe, in welchem Zustand Frauen nach dem Sex mit ihm waren. "Wenn das einverständlich gewesen sein soll, verstehe ich die Welt nicht mehr", so der Richter.
Verteidiger Reitmaier bat um Gelegenheit zu einem Gespräch mit seinem Mandanten, um eine Aussage vorzubereiten. Das Gericht rechnet offenbar mit einem umfassenden Geständnis an diesem Mittwoch - und beginnt die Sitzung schon eine halbe Stunde früher, um 8.30 Uhr.