
Nackt auf Facebook? Will ich das? Patricia Weber hat lange überlegt, ob sie sich der Aktion "#ihrmachtunsnackt" anschließen soll. Doch die Floristin aus Ochsenfurt findet, dass es reicht. Seit 16. Dezember 2020 ist ihr Blumengeschäft in der Hauptstraße wegen des Lockdowns geschlossen, kaum Umsätze, unsichere Perspektive. Als Markus Söder unlängst ankündigte, dass Gärtnereien und Blumengeschäfte ab dem 1. März wieder öffnen dürfen, hatte Patricia Weber die Facebook-Aktion schon gestartet. Ursprünglich von Tätowierern erdacht, soll sie darauf aufmerksam machen, dass der Lockdown den Geschäftsleuten buchstäblich das letzte Hemd auszieht.
Wer die Facebook-Seite des Geschäftes "Stielvoll" aufruft, findet dort besagtes Foto, das die Inhaberin im Evaskostüm zeigt, die entscheidenden Stellen allerdings durch ein großes Blumengebinde den Blicken entzogen. "Ich habe eine Mega-Resonanz bekommen", freut sich die 48-Jährige. Rund 150 000 Mal wurde das Bild angeklickt, mehr als 200 Nachrichten hat die Floristin erhalten, fast ausschließlich positive. "Sogar ein Heiratsantrag war dabei", amüsiert sich Patricia Weber, die allerdings längst unter der Haube ist.
Weniger amüsant findet sie den Hintergrund der Aktion. Im Bereich Blumen und Pflanzen finde coronabedingt seit langem eine enorme Wettbewerbsverzerrung statt, sagt sie. "Warum darf der Lebensmitteleinzelhandel im großen Stil Blumen verkaufen, und ich nicht?" fragt sie. In ihrem kleinen Laden könne sie die Zahl der Kunden gut kontrollieren, und dass alle einen angemessenen Abstand einhalten. Aufmachen durfte sie bislang trotzdem nicht. Stattdessen ist sie beschränkt auf das Angebot "Click & Collect", darf nur vorher georderte Sträuße und Gestecke an ihre Kunden übergeben. Viele Stammkunden seien aber älter und hätten Probleme mit diesem Konzept, sagt die Floristin.
Dabei war es für Patricia Weber vor der Coronakrise gut gelaufen. Im November 2018 eröffnete sie ihr Blumengeschäft in der Hauptstraße, baute sich rasch einen großen Stammkundenkreis auf und profitierte auch von der Laufkundschaft in der Ochsenfurter Altstadt. Den ersten Lockdown im Frühjahr konnte sie noch einigermaßen abfedern, doch dann lief auch der Sommer nicht wie erhofft. Weber konzentriert sich stark auf Hochzeiten, und wegen der Corona-Einschränkungen kam dieses Geschäft 2020 nicht recht in Gang. Wenn sich ein Paar zur Hochzeit entschloss, dann meist zu einer abgespeckten Version, die sich im Gang zum Standesamt erschöpfte. Die große Feier fiel aus: "Kein Kirchenschmuck, keine Sträuße für die Brautjungfern", erzählt die Floristin.
Also blieb ihr nichts übrig, als den nächsten Hoffnungsschimmer fest in den Blick zu nehmen: das Winter- und Weihnachtsgeschäft. "Das macht normalerweise so um ein Drittel des Umsatzes aus", sagt Weber. Doch statt vieler Menschen, die Adventskränze kaufen wollten, kam der nächste Lockdown. Patricia Weber zahlt weiter Miete für ihren Laden, die Einnahmen durch Click & Collect decken die Fixkosten nicht ansatzweise, und die Rücklagen fürs Alter schwinden zusehends. Der 1. März kann also für die 48-Jährige gar nicht schnell genug kommen. "Ich bin Floristin aus Leidenschaft, ich will was tun, will wieder unter Menschen. Und die Kundschaft wartet auch."

Ähnlich geht es Heike Wolz, die mit ihrem Mann in Estenfeld eine Gärtnerei samt Blumengeschäft betreibt. Sie freut sich über die ab 1. März mögliche Öffnung: "Man will ja auch seine Kunden irgendwann mal wieder sehen." Über zu wenig Arbeit konnte sie sich auch während des Lockdowns nicht beklagen. Der Betrieb bewirbt sein Call & Collect-Angebot auf sämtlichen Kanälen, dementsprechend war die Resonanz - aber auch der Arbeitsaufwand. Flyer entwerfen, Facebook und Instagram mit Infos füttern: Oft sitzt Heike Wolz spät abends noch am Rechner. Aber ihr Geschäft laufe, wenn auch nicht im gewohnten Umfang, deshalb sei das eher "Jammern auf hohem Niveau", sagt sie.
Ein Grund für die vorgezogene Öffnung ist Ministerpräsident Markus Söder zufolge die beabsichtigte Gleichbehandlung mit dem Lebensmitteleinzelhandel, und diese Begründung ärgert auch Heike Wolz. "Da bekomme ich ein bisschen Blutdruck", sagt sie. Bereits am Valentinstag habe sich das Geschäft mit den Blumen weitgehend in den Lebensmittelgeschäften abgespielt, und da habe das in der Politik auch keinen gekümmert. Heike Wolz will sich aber nicht damit aufhalten, sich darüber zu ärgern. "Ich muss sehen, wo ich selber bleibe." Schon bevor der Öffnungstermin bekannt wurde, hatte sich der Betrieb daher auf die beginnende Pflanzsaison eingestellt und schon mal eine Schau-Pflanzwand mit 70 Sorten Frühblühern entworfen, an der sich die Kunden ab März vor dem Geschäft für ihre Bestellung hätten inspirieren lassen können.
Auch in der Höchberger Gärtnerei Hupp hofft Mitarbeiter Marcus Späth, dass er die vorgezogenen Primeln, Hornveilchen und Stiefmütterchen bald unters Volk bringen kann. Von der angekündigten Öffnung zum 1. März ist er eher positiv überrascht. "Ich dachte, das wird Ende März", sagt er im Hinblick auf die in Deutschland insgesamt noch immer zu hohe Inzidenz. Späth begrüßt es, ab 1. März wieder öffnen zu können, auch im Sinne der Kunden. "Es ist wichtig für die Psyche der Menschen. Die Leute wollen endlich wieder was im Garten machen, damit es dort nicht so trostlos aussieht."