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Würzburg/Schweinfurt
Nach neun toten Radfahrern 2022 mahnt die Polizei Unterfranken zum Helmtragen - braucht es eine Helmpflicht?
Viele Radfahrerinnen und Radfahrer sind ohne Helm unterwegs. Gleichzeitig steigt die Zahl an Unfällen. Jetzt reagiert das Polizeipräsidium.
Radfahrer sind gefährdeter denn je auf Unterfrankens Straßen. Das zeigen die aktuellen Zahlen des Polizeipräsidiums.
Foto: SymbolDaniel Bockwoldt, dpa | Radfahrer sind gefährdeter denn je auf Unterfrankens Straßen. Das zeigen die aktuellen Zahlen des Polizeipräsidiums.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 27.04.2023 16:10 Uhr

Die Polizei in Unterfranken wäre froh, wenn sich mehr Radfahrerinnen und Radfahrer ein Beispiel am Würzburger Bischof Franz Jung nehmen würden: Den schützt nämlich, wenn er in die Pedale tritt, nicht nur eine Portion Gottvertrauen, sondern auch ein Fahrradhelm. Die Kampagne #KopfEntscheidung, mit der die Polizei seit 2021 für das Helmtragen wirbt, wird von Würzburgs Oberhirten und vielen weiteren Prominenten unterstützt - und sie scheint notwendiger denn je. Denn aktuelle Zahlen des Polizeipräsidiums sind bedenklich.

Demnach stieg die Zahl der Unfälle mit Fahrradbeteiligung im Jahr 2022 in der Region auf 1404 (im Jahr 2020 waren es 1357) - ein Höchstwert im jahrelangen Vergleich. 1313 Radfahrerinnen und Radfahrer wurden dabei verletzt (2020: 1237). Damit markiert 2022 "einen neuen Rekordwert für die letzten zehn Jahre", so Polizeisprecher Enrico Ball. Und: Lediglich 51 Prozent der verletzten Radfahrerinnen und Radfahrer hatten einen Helm getragen.

Acht von neun tödlich Verunglückten trug keinen Helm

Neun Radfahrerinnen und Radfahrer verloren nach Angaben von Polizeisprecher Ball 2022 bei Unfällen ihr Leben. Acht von ihnen waren ohne Fahrradhelm unterwegs. Eine Helmpflicht gibt es in Deutschland nicht - und selbst die Lobbyisten des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gehen nicht so weit, eine solche zu fordern. Ein Helm sei "nicht die Lösung des Problems, viel wichtiger sind gute Infrastruktur, vorausschauendes Fahren und gegenseitige Rücksichtnahme", heißt es dort.

Ein Fahrradhelm könne zwar in bestimmten Fällen "Verletzungen, Schürfwunden oder Prellungen vorbeugen, aber ist nicht wirklich dafür ausgelegt, beispielsweise bei einem Autounfall wirksam zu sein". Von daher sollte jede Person "für sich selbst entscheiden, wie sie das Risiko eines Unfalls mit Kopfverletzung und den Sinn eines Helms für sich einschätzt". Die Wahrscheinlichkeit für eine schwere Kopfverletzung sei als Fußgänger sogar etwas höher als auf dem Fahrrad.

Was Studien zur Helmpflicht sagen

Studien zur Helmpflicht liefern kein einheitliches Bild: In Australien wurde die Verpflichtung zum Tragen eines Helms zwischen 1990 und 1992 eingeführt. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2019 kam zu dem Ergebnis, dass seitdem die Zahl tödlicher Unfälle von Radfahrerinnen und Radfahrern deutlich zurückgegangen sei, berichtet der ADAC.

In den fahrradfreundlichen Niederlanden gibt es indes keine Helmpflicht, nur wenige tragen dort einen Helm. Dennoch sind die Niederlande - nach Dänemark - das zweitsicherste Land, wenn man Unfallzahlen mit Gesamtfahrleistung ins Verhältnis setzt. Nach Expertenmeinung macht sich dort die fahrradfreundliche Infrastruktur bemerkbar.

In Deutschland registriert die Polizei seit Jahren eine steigende Zahl von Radunfällen, was auch daran liegt, dass immer mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind. Inzwischen war rund jeder siebte Verkehrstote in Deutschland mit dem Rad unterwegs. Laut einer Statistik der Datenbank der Unfallforschung der Versicherer, führen Unfälle in 46 Prozent der Fälle zu Kopfverletzungen, wenn der Radfahrer oder die Radfahrerin einen Helm trug. Ohne Helm steigt die Quote der Verletzungen im deutschen Straßenverkehr auf 73 Prozent.

Würzburger Neurochirurg wirbt für den Fahrradhelm

"Der Fahrradhelm kann keinen Unfall verhindern", sagt Professor Ralf-Ingo Ernestus, Neurochirurg und stellvertretender Ärztlicher Leiter der Würzburger Uniklinik. "Aber er schützt vor schweren Kopf- und Gehirnverletzungen." Ernestus war einer der Väter der Kampagne #KopfEntscheidung. Ihm ist der bessere Schutz der Radler ein besonderes Anliegen: "Ich werbe dafür, wo ich kann – auch in der eigenen Klinik", hatte er beim Start der Initiative betont.

 
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  • grassho
    Heute, 03.03.23 in SW passiert .... Ich laufe auf dem Fußweg zwischen Friedhof und St. Anton der Straße "Am Friedhof". Viele Autos parken dort und es ist eng. Es ist nicht das erste Mal gewesen dass mir ein Radfahrer auf dem Fußweg den Berg hinunterfahrend entgegenfährt - aber heute noch als Geisterfahrer.

    Es herrschen Regeln, doch keiner kontrolliert sie und so regiert das Recht des Stärkeren - armes Deutschland!!
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  • kniekel
    Die Lösung steht ja eigentlich schon im Text:

    "Dennoch sind die Niederlande - nach Dänemark - das zweitsicherste Land, wenn man Unfallzahlen mit Gesamtfahrleistung ins Verhältnis setzt. Nach Expertenmeinung macht sich dort die fahrradfreundliche Infrastruktur bemerkbar."

    Gute Infrastruktur ist halt deutlich teurer als eine Helmpflicht, die nur so tut, als würde sie die Probleme wirklich angehen. Gute Infrastruktur würde übrigens auch dafür sorgen, dass es weniger Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern gibt. Und damit auch weniger von diesen Kommentaren "Die Radfahrer fahren ja auch wie ...". Oft haben sie nämlich gar keine andere Möglichkeit.

    Übrigens, auch dieser Satz kommt aus den Niederlanden: "Farbe ist keine Infrastruktur." Einfach nur einen Radweg auf die Straße zu pinseln hilft vielleicht ein bisschen, erhöhrt die Sicherheit aber kaum.
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  • fhws
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  • holle4es
    Was hier leider viel zu kurz kommt: Kinder ab 9 Jahren dürfen nicht mehr auf dem Gehweg fahren, d.h. wo kein Radweg, müssen sie auf die Straße! Bei den vielfach hier getätigten Äußerungen der KfZ-Fraktion muss einem da Angst und Bange um sein Kind werden. Die haben weder die Übersicht (zwecks Körpergröße) noch die Verkehrserfahrung eines Erwachsenen, sind also um ein Vielfaches gefährdeter. Helm hin oder her.
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  • Littlejoe
    Wir, die Generation die um 1960 geboren ist, hatten nicht annähernd die Anzahl an Radwegen und haben auch überlebt. Man muss mit seinen kleinen Kindern da fahren wo sie sich sicher bewegen können, haben unsere Eltern auch gemacht.
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  • Ironic
    1. Ist früher viel mehr passiert...verkehrstote... und das bei
    2. Viel weniger Autos
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  • @Littlejoe

    Tschuldigung, daß ich das so direkt schreibe: Das ist Äpfel mit Birnen verglichen und zugleich eine Frechheit.

    Wer fordert, daß mit dem Rad nur da gefahren wird wo es "ungefährlich" ist hat nicht aufgepaßt im Fahrschulunterricht oder es vergessen und daher die StVO nicht ganz parat.

    Dazu kommt, daß es in den 70er Jahren nicht einmal die Hälfte an zugelassenen PKW gab wie heute, mein Lieber ...
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  • rasputin32
    Vor bald 50 Jahren wurde die Gurtpflicht im Auto ohne größere Diskussionen eingeführt.

    Wäre in der heutigen, auf Kontra und Diskussion eingestellten Zeit, vermutlich ohne das Bundesverfassungsgericht nicht mehr möglich.
    Ich trage immer Helm.
    Bei einem Gewitter bin ich vor einigen Jahren bei schneller Fahrt ohne Fremdeinwirkung so mit dem Kopf auf die Straße gestürzt, dass ich tagelang Kopf - und Nackenschmerzen hatte.
    Der Helm war gebrochen. Ohne Helm???
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  • Eos123456
    ...wäre der Helm noch ganz.
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  • holle4es
    Leider zeigt der Artikel nicht auf, an welchen Verletzungen die 9 Radler gestorben sind und ob überhaupt ein anderer Verkehrsteilnehmer bzw. Kfz beteiligt war. Wird ein Radler von einem LKW beim Rechtsabbiegen "übersehen" und wird unter den Rädern zermalmt, hilft auch ein Helm nicht viel.
    Stürzt ein Betrunkener auf der Heimfahrt vom Weinfest nachts blöd, hätte vielleich ein Helm geholfen, schuld ist aber auch nur er...
    Auch bei der Anzahl der Unfälle wird nur von Radbeteiligung geschrieben, nicht aber, wie viele davon einfach selbstverschuldete Stürze waren oder vielleicht auch Kollisionen von Radfahrern miteinander auf viel zu engem Radweg.
    Leider fahren nämlich viele ältere Pedelecfahrer gerne im Pulk nebeneinander ohne Rücksicht auf Gegenverkehr oder schnellere Radfahrer, die überholen möchten.

    Wäre schön, wenn es einen Folgeartikel mit differenzierteren Statistiken gäbe, Herr Schweidler.
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  • asazyma
    Sehr viele Radfahrer in Würzburg haben einen riesengroßen Dachschaden, ohne dass sie vorher auf den Kopf gefallen sind. Rote Ampeln, Vorfahrtsregelungen, Rücksichtnahme? Scheinbar interessiert das die Wenigsten. Selbst wenn ich mal mit dem Fahrrad in Würzburg unterwegs bin, kann ich oft nur mit dem Kopf schütteln, wie da andere Radler fahren. Als Fußgänger und Autofahrer bin ich offenbar Todfeind.
    Mit Sicherheit ist das eine Mentalitätsfrage, dass in den Niederlanden und Dänemark weniger Radfahrer sterben.
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  • Nach meinem Kentnisstand kommt eine Untersuchung von Versicherern zu Unfällen von Radfahrern zu dem ernüchternden Ergebnis, daß Fahrradhelme bei Beteiligung von KFZ leider nur eine deutlich untergeordnete Rolle bei der Schwere der Verletzungen spielen.

    Australische Studie: Die Frage ist inwieweit das Tragen des Helms oder eine andere Einstellung zum Verkehrsmittel der wesentliche Grund für den Rückgang schwerer(er) Verletzung verantwortlich ist.

    Sofner ein Radfahrer ohne Beteiligung Dritter stürzt verhindert ein Fahrradhelm wohl Schlimme(re)s. Bei Beteiligung von KFZ durch die höhren Massen/Energien wohl eben leider nicht (wirklich). Das wird im Artikel jedoch nicht angesprochen ...
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  • daniel.hagmann@freenet.de
    Nach meiner Erinnerung ist mit Einführung der Helmpflicht in Australien vor allem die Zahl der Radfahrten zurück gegangen.
    Ein Rückgang der Unfälle wäre da nur logische Folge.
    Absurder Weise ist aber wohl das Unfallrisiko für die verbliebenen Radelnden auf Australiens Straßen gestiegen.
    Ich weiß aber wirklich nicht, ob ich das richtig erinnere.
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  • 1958kosb
    Das war vor 10 Jahren mal.
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  • fabann15311802
    Hier wird mal wieder nur ein Pflaster augeklebt, nicht aber die Ursache verstanden.
    Ein Helm kann helfen Schlimmeres zu verhindern, wenn es zu einem Unfall kommt, ja.
    Die Frage ist aber doch eher: warum kommt es überhaupt zu so vielen Unfällen?
    Meiner Meinung nach ist vor allem die abgrundtief schlechte Radinfrastruktur in WÜ der Grund. Fehlverhalten von Rad und Auto kommen da noch zu.
    Es muss sich hier dringend etwas ändern. Breitere, vom Autoverkehr abgetrennte Geh- und Radwege oder Schutzstreifen die auch breit genug sind. Es kann nicht angehen, dass ein Radfahrer mit max. 30 km/h zusammen mit Autos die 50 km/h (meist schneller) auf einer Fahrbahn fahren muss.
    Ich komme ursprünglich aus Münster in Westfalen. Dort gibt es kaum Unfälle oder gar Tote. Warum? Die Infrastuktur ist dort massiv ausgebaut worden und dort wird richtig investiert. Und dort fahren die Radfahrer teilweise noch schlimmer als hier.
    Oder wie im Artikel genannt Niederlande/Dänemark.
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  • steve67
    8 von 9 tödlich verunglückten trugen keinen Helm. Sind die alle an Kopfverletzungen gestorben oder was war die Todesursache? DAS wäre interessant und nicht ob sie Helm trugen oder nicht.
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  • Faultier
    Es gibt bestimmt noch mehr Kriterien außer dem Helm. Z.B. das Alter der Toten und die Art des Fahrrads (E-Bike?).
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  • Arcus
    Auch wenn ich selbst i.d. Regel einen Helm trage, bin ich gegen eine Helmpflicht.
    Was mich ärgert ist, dass so getan wird, als könnte der Helm die Anzahl der tödlichen Unfälle mit Fahrradfahrern verringern. Dass das nicht so ist, zeigen die Niederlande. Ich bin dort oft unterwegs und sehe kaum jemanden mit Helm, aber eine deutlich besser ausgebaute Radverkehrsinfrastruktur.
    In Australien war ich auch schon ein paar Mal. Offen gestanden sind mir da Radfahrer nicht aufgefallen. Dort wird Radfahren im wesentlichen als Sport, nicht aber als Alltagsradfahren betrieben.
    Im übrigen sind Helme, wenn nicht richtig getragen, sogar gefährlich. (Genickbruch)
    Warum gerade die Polizei, nicht nur in Bayern, für die Helmpflicht wirbt, liegt vermutlich auch daran, dass sie wenig Aktivität zeigt, wenn es um das Zuparken von Radverkehrswegen geht oder generell um eine sichere Radverkhrsinfrastruktur.
    Herrn Schweidler von der MP sei Dank für die differenzierte Darstellung.
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  • Alfisti
    Ein Helm auf dem Kopf nützt aber wenig, wenn man den Kopf ohnehin nicht benutzt.
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  • fabann15311802
    Dasselbe kann ich die autofahrende Bevölkerung zurückgeben. Mehr den Kopf nutzen und nicht zu scharf überholen. Beim Abbiegen richtig schauen und nicht zu dicht auffahren. Die Radfahrer können absolut gar nichts für die verkackte Verkehrspolitik der letzten Jahre.
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