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Würzburg/Nürnberg
Nach Friedrich Merz' Aussage zu "Sozialtourismus": Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine arbeiten in Bayern bereits?
Die Aussage des CDU-Chefs sorgte für Empörung. Doch was sagen die Fakten? Und wie kommen Ukrainer im hiesigen Arbeitsmarkt an?
Die Bundesagentur für Arbeit hat die Integration von ukrainischen Geflüchteten im Blick.
Foto: Frank Leonhardt, dpa | Die Bundesagentur für Arbeit hat die Integration von ukrainischen Geflüchteten im Blick.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:18 Uhr

Bereichern sich ukrainische Geflüchtete am deutschen Sozialstaat? Diesen heftigen Vorwurf äußerte CDU-Chef Friedrich Merz Anfang der Woche. "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine", sagte der 66-Jährige in einem Interview. Später entschuldigte er sich für seine Wortwahl. Unterdessen hagelte es nicht nur Kritik an Merz: Zahlen und Experteneinschätzungen widersprechen der Aussage des CDU-Vorsitzenden.

So reagierte etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwundert. Ihm seien zumindest in Bayern keine nennenswerten Fälle von "Sozialtourismus" ukrainischer Geflüchteter bekannt, sagte er. Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärte auch ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, man habe "aktuell keine Anhaltspunkte über einen 'Sozialtourismus' aus der Ukraine".

Immer mehr ukrainische Geflüchtete verlassen die Arbeitslosigkeit

Außerdem betonte der Sprecher: "Ohne dauerhafte Anwesenheit in der Bundesrepublik", bestehe "auch für neu aus der Ukraine eingereiste Menschen kein Leistungsanspruch" nach dem SGB II, also Hartz IV. Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger.

Parallel dazu setzte jedoch eine Entwicklung ein, die darauf schließen lässt, dass Hartz IV nicht das Ziel der Menschen ist, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. So lassen sich jedenfalls Zahlen der Arbeitsagentur interpretieren: Demnach beendeten in Bayern zwischen Februar 2022 – dem Monat, in dem Russland die Ukraine angegriffen hat – und Mai monatlich zwischen 19 und 27 Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft ihre Arbeitslosigkeit. Danach stiegen die Zahlen deutlich an: im Juni auf 97, im Juli gar auf 859 Personen.

Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit in Bayern schon in Lohn und Brot stehen, dazu liegen keine aktuellen Zahlen vor. Die jüngste Statistik stammt aus dem Februar 2022, damals waren es rund 13.000 Personen.

59.000 erwerbsfähige Personen gemeldet

Gemessen an den insgesamt knapp 180.000 ukrainischen Geflüchteten, die seit Kriegsausbruch in Bayern angekommen sind – knapp 16.000 davon in Unterfranken –, scheinen diese Zahlen natürlich gering. Wie der stellvertretende Chef der bayerischen Arbeitsagenturen, Klaus Beier, aber jüngst betonte, stünden "ein Großteil der ukrainischen Geflüchteten" dem Arbeitsmarkt "noch nicht vollumfänglich zur Verfügung, da für sie das Erlernen der deutschen Sprache an erster Stelle steht". Außerdem muss man von den 180.000 Geflüchteten unter anderem die Anzahl der Kinder und der Menschen über 65 Jahre abziehen, die als Arbeitskräfte nicht in Frage kommen.

Das Potenzial scheint dennoch groß: Laut Arbeitsagentur waren bayernweit im August mehr als 59.000 Ukrainerinnen und Ukrainer als erwerbsfähige Personen gemeldet, knapp 5500 davon in Unterfranken. Dabei handelt es sich um alle Arbeitslosen, Arbeitsuchenden sowie "Personen, die nur eine Beratung wünschen beziehungsweise derzeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen", weil sie zum Beispiel Kinder betreuen oder an einer Maßnahme wie Sprachkursen teilnehmen, erklärt der Agentur-Sprecher.

Ukrainische Geflüchtete in Unterfranken

Im September leben 15.891 registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine in Unterfranken, darunter geschätzt 5000 Kinder und Jugendliche. Die meisten ukrainische Geflüchtete (2188) sind im Landkreis Aschaffenburg registriert, die wenigsten (586) in der Stadt Schweinfurt. Im  unterfränkischen Ankerzentrum in Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) sind 258 untergebracht.
Die Zahlen haben jedoch eine Unschärfe: Wie Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung von Unterfranken, erklärt, sei es möglich, dass einige dieser Menschen nicht mehr in der Region seien. Ukrainische Flüchtlinge sind nämlich nach einer Registrierung nicht in ihrer Reisefreiheit beschränkt. Umgekehrt könnte es Personen gehen, die von der Statistik noch nicht erfasst sind: "Es besteht keine Verpflichtung, sich gleich registrieren zu lassen", so Hardenacke, wenngleich es empfohlen ist.
ben
 
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  • H. S.
    Man muß die Sache mal positiv sehen: Solange sich die Linken in diesem Lande über Friedrich Merz aufregen, solange haben sie schon keine Zeit, eine weitere Erhöhung von Bürgergeld und Mindestlohn zu fordern zwinkern
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Wenn man bei Flix Bus Abfahrten von Berlin nach Kiew anschaut, dann erkennt man das fast alle Fahrten nach Kiew und zurück ausgebucht sind. So gefährlich kann es ja dann dort nicht sein. Warum bekommen über 500000 Leute aus der Ukraine Hartz IV und unsere Firmen suchen dringend Personal. Irgendetwas läuft schief. Auf die AFD wird ja immer eingedroschen obwohl sie oft gute Ansätze hat die aber abgelehnt werden und dann oft von der CSU abgekupfert werden.
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  • G. K.
    Merz degeneriert immer mehr zu einem hilflosen „Hau-Drauf“-Rhetoriker.

    Inhaltlich hat er nichts anzubieten – also kämpft er verzweifelt mit einem Maximaleinsatz an Polemik um die Lufthoheit über den Stammtischen.

    Vielleicht sollte er über einen Wechsel in die AfD nachdenken – da wird so eine dumpfe Stimmungsmache gegen Kriegsopfer wenigstens von der Stammklientel goutiert … und was eine Entschuldigung ist, das weiß man dort nicht einmal … 😉

    Hoffentlich dämmert in der CDU irgendwann irgendwem, was für eine katastrophale Personalentscheidung man mit dem Merz getroffen hat …

    Mit „Aufbruch und Erneuerung“ jedenfalls scheint der Gute konzeptionell hoffnungslos überfordert …
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  • U. S.
    In dem Artikel steht doch mit keiner Silbe, wie viel Prozent arbeiten und wie viele nicht.
    Solange es nicht schwarz auf weiß steht, wie viele Ukrainer tatsächlich arbeiten und wie viele Harz IV bekommen, kann zwar viel diskutiert werden, aber nur zahlen schaffen Fakten. Liebe MP:
    15891 Ukrainer sind in Unterfranken davon 5000 Kinder. so und wie viele von den 10891 sind erwerbstätig und wie viele arbeiten nicht?
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  • B. F.
    mich würde in der Tat interessieren, wer der gleichen Meinung ist wie Herr Merz!
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  • G. K.
    In diesem konkreten Fall vermutlich der Dunstkreis der AfD und sonstige Rechte …
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  • K. K.
    meine Güte....

    der Mann war jahrelang weg.... und abgehoben. Machte den Flugschein... fliegt mit eigenen Flieger nach Sylt zur Hochzeit von "Lindner und jetzt das ?!
    Woher soll er denn alles wissen. Wichtig ist doch er hat einen Fallschirm...
    aber das Alter "bekriecht auch ihn ! Man sieht es ihn schon an ....
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  • C. J.
    Auf eigenen Wunsch hin entfernt.
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  • S. T.
    In andere Länder darf man nur mit Arbeitsvertrag einreisen. Das versteht doch keiner das es Leute gibt die nur paar Monate in die Sozialsysteme eingezahlt haben und schon Jahrzehnte hier leben...Kein Wunder das dem normalen Arbeitnehmer sowenig Netto übrig bleibt wenn er soviele durchfinanzieren muss.
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  • H. S.
    Herr Merz hat sich für die Sache doch längst entschuldigt, aber Hauptsache am linken Rand hat man wieder was worüber man sich aufregen kann.
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  • E. W.
    Man kann ein derart brisantes und journalistisch anspruchsvolles Thema nicht in einem Regionalzeitungs-Forum wo mehr Wert auf Heile-Welt, provinzielle Bräsigkeit und leichte Sprache als auf nüchternes "hart-aber-fair" gelegt wird diskutieren.
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  • C. J.
    Auf eigenen Wunsch hin entfernt.
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  • J. M.
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  • P. M.
    Es hatte schon seinen Grund warum der Herr Merz in der Merkel Regierung nichts zu sagen hatte bzw in der Partei keinen Job bekam.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Merz weiß genau was er sagt. Jetzt hat er sich für seine Formulierung entschuldigt. Für den Inhalt nicht. Ähnlich wie Merz fischt Söder im Teich der Rechtsnationalen. Skrupel haben beide nicht. Um an der Macht zu bleiben oder wieder zu kommen, tun sie alles. Deshalb sind sie gefährlich und müssen abgewählt werden.
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  • R. B.
    @Arcus, schon reichlich hilflos, wenn man den politischen Gegenüber sofort als rechtsnational bezeichnet, bloß weil einem dessen Aussagen nicht gefallen. Aber Sie machen genau das, was seit Jahren in diesem Land Tradition hat. Wer außerhalb des Mainstreams argumentiert, dem wird ein braunes Mäntelchen übergestülpt. Dies hat dazu geführt, dass sehr viele Menschen heute sich nicht mehr getrauen ihre Meinung zu sagen, aus Angst als "Rechter" dazustehen. Und dazu zählen genau Leute wie Sie und die Partei, welche Sie hofieren, so viel zur Meinungsfreiheit und ihren Folgen. Und ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir versorgen Millionen von Flüchtlingen, von denen die meisten gar keinen Asylstatus haben. Aber leider wird viel zu oft übersehen, dass in Deutschland 2,4 Mio Rentner und 2,8 Mio Kinder in Armut leben. Für solche Aussagen wird man in diesem Land von bestimmten Leuten sofort als Rechter markiert, darunter etliche Foristen in dieser Zeitung, warten Sie`s ab.
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  • E. W.
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  • S. C.
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
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