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Nach den Bauernprotesten: Was die Landwirte in der Region bewegt
Wegen immer mehr staatlicher Auflagen fühlen sich viele unterfränkische Bauern in ihrer Existenz bedroht. Vor Monaten haben sie deshalb protestiert. Wie läuft es jetzt?
Was haben die Proteste bewirkt? Das Bild zeigt eine Demonstration am 19. Januar anlässlich des Besuchs von Landwirtschaftminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) in Iphofen.
Foto: Daniel Peter | Was haben die Proteste bewirkt? Das Bild zeigt eine Demonstration am 19. Januar anlässlich des Besuchs von Landwirtschaftminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) in Iphofen.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:31 Uhr

"Macht ihr heut den Bauern tot, habt ihr morgen selbst kein Brot!" Oder: "No farmers! No food! No future!" Mit solch markigen Parolen haben im Herbst 2019 und im Frühjahr 2020 Deutschlands Bauern bei zahlreichen Demos und Sternfahrten darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich von der "großen Politik" verraten und verkauft fühlten.

Weil sich gerade Unterfrankens Landwirte von der geplanten Verschärfung der Düngeverordnung massiv in ihrer Existenz bedroht fühlten, engagierten sie sich in großer Zahl bei den Bauernprotesten. Was haben, rückblickend betrachtet, die Proteste bewirkt? Sind die Sorgen der Landwirte kleiner geworden? Oder gibt es aus Bauernsicht Anlass zu neuerlichen Protestaktionen?

Anfang Januar 2020 lud die Vereinigung 'Land schafft Verbindung' bayerische Politiker nach Kürnach ein. Aufregerthema Nummer 1 war die geplante Verschärfung der Düngeverordnung. 
Foto: Thomas Obermeier | Anfang Januar 2020 lud die Vereinigung "Land schafft Verbindung" bayerische Politiker nach Kürnach ein. Aufregerthema Nummer 1 war die geplante Verschärfung der Düngeverordnung. 

"Die Proteste haben uns geholfen, auf jeden Fall!“, sagt Eugen Köhler, der unterfränkische Bezirksgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands aus Würzburg. Zwar sei die Düngeverordnung den Protesten zum Trotz verschärft worden. "Aber wir haben erreicht, dass neu geregelt werden muss bis 2021, welche Nitrat-Messstellen verwendet werden dürfen und in welcher Form." 

Neubetrachtung der Nitrat-Messstellen wichtig

Gerade für Unterfrankens Landwirte sei diese Neubetrachtung der Messstellen immens wichtig, weil landwirtschaftliche Flächen in der Region bisher häufiger als im Bundesdurchschnitt als stark nitratbelastet (rote Gebiete) eingestuft worden seien. Rote Gebiete aber müssen laut aktualisierter Düngeverordnung um 20 Prozent weniger gedüngt werden – was niedrigere Erträge zur Folge hat.

"Bisher hat die Kontrollbehörde die Messstellen, die schon da waren, genutzt und nicht geschaut, ob diese Messstelle überhaupt landwirtschaftlich beeinflusst war", berichtet Köhler. So habe die Behörde etwa in Schweinfurt eine innerstädtische Messstelle genutzt. Das Wasser dort habe hohe Nitratwerte aufgewiesen; diese seien aber wahrscheinlich durch die Düngung nahe gelegener Sportflächen oder einen undichten Kanal entstanden. "Und nicht durch landwirtschaftliche Nutzung! War ja Innenstadt!“, sagt Köhler. Wenn nun Nitrat-Messstellen neu beurteilt und differenzierter betrachtet werden müssten, sei das "deutlich fairer“ und als "Erfolg der Proteste“ zu werten.

Ein Messbrunnen aus Rimpar. In solchen Brunnen werden die Nitratwerte gemessen. 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser ist der europäisch einheitliche Grenzwert. 
Foto: Marktgemeinde Rimpar | Ein Messbrunnen aus Rimpar. In solchen Brunnen werden die Nitratwerte gemessen. 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser ist der europäisch einheitliche Grenzwert. 

Unterfrankens Bauern fühlen sich noch immer benachteiligt

Köhler verhehlt allerdings nicht, dass sich gerade Unterfrankens Bauern durch die verschärfte Düngeverordnung im Bundesvergleich immer noch benachteiligt fühlen. Ironischerweise ist es laut dem Bauernverbands-Bezirksgeschäftsführer ausgerechnet das besonders gute Wetter, der viele Sonnenschein, die guten, schwer durchlässigen Böden und die sehr geringe Niederschlagsmenge, die dazu führen, dass mainfränkische Brunnen häufig als stark nitratbelastet eingestuft werden.

"Wenig Niederschlag bedeutet wenig Sickerwasser. Im Norden Würzburgs haben wir vielleicht 100 Liter Sickerwasser pro Quadratmeter, während etwa  im Allgäu locker über 300 Liter Sickerwasser pro Quadratmeter auflaufen“, sagt Köhler. Im Vergleich zu niederschlagsreicheren Gebieten sei im regenarmen Mainfranken die Nitratverdünnung also sehr gering. Köhler: "Trotz Systemwechsel werden wir also rote Gebiete behalten und unsere Landwirte kriegen zusätzliche Auflagen. Wie sollen wir unter diesen Verhältnissen wirtschaften?"

Ein Landwirt verteilt Gülle auf einem Feld. Wann und wieviel er verteilen darf, regelt die Düngeverordnung  mit Bezug auf die gemessene Nitratbelastung des Bodens. 
Foto: Philipp Schulze, dpa | Ein Landwirt verteilt Gülle auf einem Feld. Wann und wieviel er verteilen darf, regelt die Düngeverordnung  mit Bezug auf die gemessene Nitratbelastung des Bodens. 

Diese Frage stellt sich auch Stefan Köhler, Bezirkspräsident des Bauernverbands aus Wiesen. Er befürchtet für die Bauernschaft  Ertragseinbußen nicht nur durch die Düngeverordnung, sondern etwa auch durch das beschlossene Insektenschutzprogramm. Das verlange nämlich die Halbierung der bisherigen Pflanzenschutzmittel-Menge. "Entsprechend werden unsere Erträge sinken. Eine kranke Pflanze wirft nichts ab."

Neues Handelsabkommen macht Bauern Sorge

Aber was Köhler– und mit ihm viele unterfränkische Bauern, vor allem die Viehhalter – aktuell richtig umtreibt, ist das geplante Mercosur-Handelsabkommen der EU mit einer Reihe südamerikanischer Staaten.  Komme dieses Handelsabkommen nach jahrzehntelanger Planung jetzt durch, lieferten die Südamerikaner in großen Mengen Soja und Fleisch nach Europa, während Europa ihnen Autos liefere.

"Das ist der Irrsinn! Die Südamerikaner verwenden Pflanzenschutzmittel, die bei uns seit 20 Jahren verboten sind; setzten gentechnisch veränderte Pflanzen ein und unterlaufen in jeder Hinsicht Tierwohl-Standards, an die wir uns halten müssen!“, sagt Köhler. Er fragt sich, wie hiesige Bauern, die sich an immer anspruchsvollere Naturschutz-Vorgaben halten müssten, damit konkurrieren sollten.

Eine Aktivistin von Greenpeace wirft am 21. September symbolisch ein Plakat mit der Aufschrift 'EU-Mercosur' in die Mülltonne. Verschiedener Organisationen protestieren derzeit  gegen dieses Abkommen, das südamerikanischen Staaten den Import von Fleisch und Soja in die EU leichter machen will. 
Foto: Annette Riedl, dpa | Eine Aktivistin von Greenpeace wirft am 21. September symbolisch ein Plakat mit der Aufschrift "EU-Mercosur" in die Mülltonne.

Das Mercosur-Abkommen bringt auch Claus Hochrein zum Kochen. Er ist  Rinderzüchter aus Eisenheim(Lkr. Würzburg) und Repräsentant des Vereins "Landwirtschaft verbindet Bayern e.V" (früher "Land schafft Verbindung") . Der Viehhalter verweist auf den Klimaaspekt:  "Wir Landwirte sollen Blümchenwiesen säen und Co2- neutral die Ernte produzieren, haben dadurch wirtschaftliche Probleme. Und auf der anderen Seite der Erde wird der Regenwald gerodet der Viehzucht wegen, aber dort interessiert das Klima niemanden."

Neue Proteste wegen des Abkommens

Hochrein zufolge ist das Mercosur-Abkommen aktuell Anlass zahlreicher Bauernproteste, die allerdings derzeit eher am Rande bedeutender Politik-Konferenzen als auf öffentlichen Innenstadt-Plätzen stattfänden. Auch unterfränkische Landwirte beteiligten sich daran.

Auf die Frage, ob Unterfrankens Bauern weiter für ihre Anliegen auf die Straße gehen werden - immer vorausgesetzt, die Corona-Lage lässt Demos zu - erklärt Hochrein für seinen Verein: "Auf jeden Fall. Wir haben im Frühjahr gelernt, dass wir gehört werden. Und dass wir uns organisieren und vernetzen müssen. Und zur Not auch Gutachter und Juristen beibringen."

 
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  • arnold.friedrich@t-online.de
    Vielen Dank für den wichtigen Hinweis. Eine renomierte Zeitung zeichnet sich ja vor allem durch aufmerksame Leser aus.
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