Als Michael Reinhard im Jahr 2001 Chefredakteur der Main-Post wurde, hieß der Bundeskanzler noch Gerhard Schröder, der Fußball-Bundestrainer Rudi Völler – und Großbritannien hatte noch eine Königin. In diesen 21 Jahren hat sich die Welt, und mit ihr die Medienlandschaft fundamental verändert. Die Digitalisierung verlangt in den Redaktionen ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft. Im Internet kann jede und jeder mit einem Klick weltweit Öffentlichkeit herstellen.
Das hat den Qualitäts-Journalismus herausgefordert. Er ist schneller geworden. Hektischer. Anfälliger. Er ist zunehmend bedroht von Kräften, die mit "alternativen Fakten", Halbwahrheiten und gezielter Desinformation die liberale Demokratie angreifen. Deshalb ist Journalismus wichtiger denn je. Davon ist Michael Reinhard überzeugt, und diese Überzeugung hat er in über zwei Jahrzehnten bei der Main-Post in die Redaktion getragen.
Der 64-Jährige hat bei dem unterfränkischen Medienhaus nicht weniger als eine Ära geprägt, und es dürfte wenige Chefredakteure in Deutschland geben, die länger im Amt sind als er es war. Um es in einem seiner geliebten Fußball-Vergleiche zu sagen: Er ist der Alex Ferguson des Journalismus.
Zum 1. Oktober wechselt Michael Reinhard nun in den Ruhestand. Nachfolger wird sein bisheriger Stellvertreter Ivo Knahn.
"Michael Reinhard hat in der Geschichte der Main-Post echte Meilensteine gesetzt", sagt David Brandstätter, Geschäftsführer der Main-Post. Müsste er versuchen, das über 20-jährige Wirken Reinhards in einem Satz zu bilanzieren, so würde dieser lauten: "Er hat die Main-Post vom traditionellen Zeitungshaus an ganz entscheidender Stelle zum modernen, breit aufgestellten Medienhaus weiterentwickelt." Was so einfach klingt, "ist in Wirklichkeit ein schwieriger und sehr langwieriger Prozess, denn es gilt weiterhin täglich eine sehr gute gedruckte Zeitung zu produzieren und gleichzeitig alle digitalen Ausspielkanäle für den Informationstransport zu nutzen", sagt Brandstätter. "Das bedeutet nicht weniger, als die journalistische Arbeitswelt neu zu erfinden."
Dies, so der Geschäftsführer, habe Reinhard in enger Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Ivo Knahn "mit großer sozialer Verantwortung und viel Empathie gemanagt". Brandstätter würdigt vor allem Michael Reinhards empathischen Führungsstil: "Vertrauen, Respekt, Wertschätzung, Menschlichkeit und Demut vor der Verantwortung sind für ihn keine Worthülsen, sondern gelebte Führungskultur. Dafür können wir in der Main-Post nur dankbar sein."
Michael Reinhard, der aus dem hessischen Bad Orb stammt, absolvierte beim "Gelnhäuser Tageblatt" ein Volontariat und studierte Journalismus in Berlin. Danach war er Chefredakteur beim "Gießener Anzeiger", leitender Redakteur bei der "Berliner Morgenpost", der "Frankfurter Rundschau" und anschließend Ressortleiter beim "Tagesspiegel" in Berlin. Für seine journalistische Arbeit wurde Michael Reinhard mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1988 mit dem renommierten "Wächterpreis der deutschen Tagespresse".
Für die Main-Post war Michael Reinhard eine Instanz
Für die Main-Post war Michael Reinhard über zwei Jahrzehnte lang eine Instanz. In seinen unzähligen Leitartikeln und Analysen offenbarte er sich als leidenschaftlicher und sprachgewandter Verfechter der demokratischen Werte. Sein Credo: "Ohne eine freie, unabhängige Presse gibt es keine liberale Demokratie." Dabei lag ihm transparentes Arbeiten am Herzen. Er machte die redaktionelle Arbeit für die Leserinnen und Leser in Hintergrundstücken genauso gläsern wie oftmals das interne Ringen um Positionen und Sichtweisen – etwa in der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache oder in den aufgeheizten Debatten nach den mörderischen Attacken in Würzburg 2016 und 2021.
Darüber hinaus führte er ergänzend zum Pressekodex bei der Main-Post journalistische Leitlinien ein, ein sich permanent weiterentwickelndes Qualitätsversprechen, an dem sich die Redaktion seither messen lassen muss.
Trotz der großen Herausforderungen und Veränderungen, mit denen sich die Redaktion in den vergangenen Jahren konfrontiert sah, hat Michael Reinhard die Bedürfnisse des Einzelnen nie aus dem Blick verloren. "Dass sich Michaels Neugier im Gespräch mit Wärme mischte, war eine Erfahrung, die ich oft gemacht habe", sagt stellvertretend Torsten Schleicher, Leiter der Lokalredaktion Würzburg. "Es ist die Herzenswärme eines guten Menschen. Die tut richtig gut, und sie vermittelt, was heute oft zitiert und weitaus seltener praktiziert wird: die Wertschätzung für den anderen."
Längst sind dem Hessen die Franken und das Frankenland ans Herz gewachsen. Michael Reinhard wird sich weiter ehrenamtlich um die von ihm mitgegründete Prostata Hilfe Deutschland kümmern, er hat ein Kinderbuch geschrieben und ganz sicher wird er als Sportfan auf der Tribüne bei den Würzburger Kickers sowie bei den Baskets sitzen.
"Ich bin dankbar für die Unterstützung, das Wohlwollen und die Loyalität, die ich in den 21 Main-Post-Jahren erfahren habe", sagt Michael Reinhard und legt der Redaktion zum Abschied das Lebensmotto des fränkischen Philosophen Lothar Matthäus ans Herz: "I look not back, i look in front."