
Dunkle Holzmöbel, ein großer Tresen, eine gepolsterte Eckbank – viele Details erinnern noch an den urigen, rustikalen Charakter des Cafés Zehnter aus früheren Zeiten. Heute stehen im Gastraum Biertischgarnituren, auf einigen Tischen im Raum befinden sich Warmhaltebehälter. "Hier wurde gerade noch zu Mittag gegessen", sagt Michael Schenkel, der als Objektbetreuer vor Ort arbeitet. Statt wie in alten Zeiten aus der Küche nebenan, komme das Essen allerdings vom Caterer. Denn das ehemalige Gaukönigshöfer Gasthaus und Hotel dient seit November als Notunterkunft für Geflüchtete aus der Türkei.
Noch bevor die ersten Menschen das Café Zehnter im Herbst bezogen haben, verbreitete Bürgermeister Johannes Menth Optimismus. "Wir werden das wuppen", sagte Menth damals bei einer Infoveranstaltung im Haus der Jugend. Doch wie viel ist gut ein Vierteljahr später noch von dieser Zuversicht übrig?
55 Menschen aus der Türkei leben aktuell in Gaukönigshofen
"Wir sind ganz zufrieden", sagt Stefan Rettner. Er ist dritter Bürgermeister von Gaukönigshofen und kümmert sich vonseiten der Gemeinde um die Geflüchteten im Ort. 55 Menschen leben aktuell in dem Gebäude, dessen Wirtshaus-Ära 2015 geendet hatte. Allesamt Männer, allesamt aus der Türkei, die meisten aus dem Erdbebengebiet.
"Wir haben kurzfristig davon erfahren, dass hier Geflüchtete unterkommen sollen", sagt Rettner. "Aber uns war von vornherein klar, dass wir alles dafür tun müssen, damit die Menschen hier nicht isoliert sind." Ohne Unterstützung gehe es nicht, meint er. Auch eine gewisse Tagesstruktur, die über die Mahlzeiten hinaus geht, hält Rettner für wichtig. Denn arbeiten dürfen die Geflüchteten erst nach einer entsprechenden behördlichen Genehmigung.
Mit diesem Anliegen ist Stefan Rettner nicht alleine. Denn aus dem Dorf engagieren sich einige ehrenamtlich, um die Geflüchteten zu unterstützen und einzubinden. Da ist etwa Hugo Zehnder aus dem Vorstand des Sportvereins Gaukönigshofen (SVG). Zweimal pro Woche bietet er den Menschen aus der Unterkunft an, gemeinsam in der Schulturnhalle Fußball zu spielen. Zusätzlich plane er ein gemeinsames Training mit der Alt-Herrenmannschaft des SVGs, sobald dies im Freien wieder möglich ist, kündigt Zehnder an.
Ehrenamtliche Kurse sind oft einzige Möglichkeit, Deutsch zu lernen
Das ist nicht das einzige Angebot an die Geflüchteten. In einem großen Raum im ersten Stock stehen Stühle und Tische in U-Form. An einer Seite steht ein Flipchart, an den Wänden hängen Poster mit Lerninhalten zur deutschen Sprache. "Viermal die Woche findet hier Deutschunterricht statt", sagt Martina Höfner. Sie ist eine der ehrenamtlichen Kursleiterinnen, die pro Unterrichtseinheit zwölf Personen unterrichtet.

"So viel Engagement kenne ich von keiner anderen Unterkunft", sagt Objektbetreuer Martin Schenkel. Gleichzeitig seien die ehrenamtlich organisierten Kurse für die Geflüchteten oft die einzige Möglichkeit, die Sprache zu lernen. "Plätze in regulären Integrationskursen sind sehr begehrt", sagt er. Außerdem könnten diese nur mit Aufenthaltserlaubnis in Anspruch genommen werden. "Wir leisten hier quasi Vorarbeit", sagt Höfner.
Sie ist weit mehr als nur Lehrerin für die Geflüchteten. Schon im Herbst habe sie Spenden gesammelt und Kontakte zu muslimischen Gemeinden hergestellt. "Ich fühle mich manchmal ein bisschen wie die Mutti", sagt Höfner, die selbst direkt neben dem Café Zehnter wohnt. Sie habe bislang beinahe ausschließlich positive Erfahrungen mit ihren Nachbarn gemacht. Und wenn doch einmal etwas schieflaufe, dann schimpfe sie auch mal, sagt Höfner mit einem Augenzwinkern.
Freiwillige Mitarbeit in der Gemeinde geplant
Gleichzeitig soll noch mehr passieren in Sachen Integration, da sind sich alle einig. Geplant ist etwa das Angebot, freiwillig in der Gemeinde mitzuarbeiten – etwa beim Bauhof oder im Streichelzoo Arche Noah. So könnten die Geflüchteten Wertschätzung erfahren und in Kontakt mit Einheimischen treten, sagt Zehnder. Bei der Vorbereitung der Zeltpartys, die der Bürgerverein jedes Jahr organisiert, hätten einige Bewohner der Notunterkunft bereits mitgeholfen. "Und dann wurde auch mitgefeiert", fügt Martina Höfner hinzu.
Ist Gauköngishofen also ein Beispiel für mustergültige Integration? So weit will Stefan Rettner nicht gehen. Als der Gemeinde bereits 2015 Geflüchtete zugewiesen wurden, sei die Hemmschwelle, mit anzupacken, bei vielen geringer gewesen, sagt er.
Und das scheint mit Blick in die Vergangenheit durchaus nachvollziehbar. Denn in Gaukönigshofen seien die Erinnerungen an das sogenannte Axt-Attentat im Jahr 2016 noch präsent, sagt Hugo Zehnder und spricht gar von einem "kleinen Trauma". Denn es gibt eine direkte Verbindung zwischen dem Ort und dem Anschlag. Der 17-jährige Geflüchtete aus Afghanistan, der in einem Regionalzug bei Würzburg mehrere Menschen mit einer Axt verletzt hat, hatte zuvor eine Zeit lang bei einer Pflegefamilie in der Gemeinde gelebt.
"Es gebe bestimmt noch Leute, die sich engagieren würden", ist sich Rettner dennoch sicher. Die wüssten häufig lediglich nicht, wie sie sich einbringen könnten. Gelegentliche Spaziergänge oder Ausflüge in der Region wären ein guter Anfang, meint Martina Höfner.
Weniger Geflüchtete kommen in den Landkreis Würzburg
"Das wichtigste ist, Begegnungen zu schaffen", meint auch Hugo Zehnder. Denn der Umgang mit den Menschen sei das beste Mittel, um Vorurteile zu widerlegen. "Ich sehe bei niemandem den Wunsch, hier nur Sozialleistungen abzugreifen", sagt Zehnder. Im Gegenteil: Die meisten Geflüchteten – unter ihnen Ingenieure, Kranfahrer und Radiologen – würden seiner Erfahrung nach gerne arbeiten.
Ein Beispiel ist Memet Hanifi Gültekin. In der Türkei habe er einen Obst- und Gemüseladen betrieben, doch das Erdbeben habe diesen zerstört, sagt er. "Ich möchte nach Bremen zu meiner Familie und dort arbeiten." Für ihn ist es schwer nachzuvollziehen, dass das aufgrund seines noch nicht geklärten Aufenthaltsstatus aktuell nicht möglich ist.
Auch die Zukunft der Notunterkunft ist ein Stück weit ungewiss. Zurzeit sind in der Einrichtung – die für etwa 80 Personen ausgerichtet ist – Plätze frei, sagt Fabian Hollmann, Leiter des Geschäftsbereiches Arbeit und Soziales beim Landratsamt Würzburg. Deshalb liege für die Behörde die Überlegung nahe, wie die Kapazität des Cafés Zehnter besser ausgelastet werden könnte.
Gleichzeitig kämen aktuell allerdings auch weniger Geflüchtete in den Landkreis. Waren es im Herbst noch 50 Personen pro Woche, waren es seit dem 10. Januar laut Hollmann 106 Personen. Allerdings werde die Notunterkunft im Café Zehnter noch länger bestehen bleiben, kündigt Hollmann an. Damit rechnet auch Stefan Rettner: "Uns ist klar, dass später einmal zuerst die Turnhallen geschlossen werden." Doch darauf habe sich die Gemeinde bereits eingestellt.