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Würzburg
Muss Beamter wegen Handys im Knast selbst hinter Gitter?
Es geht um Handy-Schmuggel und Bestechung im Gefängnis, in Würzburg steht deshalb eine ganze Reihe von Prozessen an. Sogar ein JVA-Mitarbeiter kommt vor Gericht.
Auf vielen Wegen werden Handys ins Gefängnis geschmuggelt, auch mit Hilfe korrupter Beamter. Dieses Telefon wurde von Ermittlern in der JVA Waldheim in Sachsen gefunden.
Foto: Peter Endig, dpa | Auf vielen Wegen werden Handys ins Gefängnis geschmuggelt, auch mit Hilfe korrupter Beamter. Dieses Telefon wurde von Ermittlern in der JVA Waldheim in Sachsen gefunden.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:58 Uhr

Auftakt einer Reihe von Prozessen in Würzburg, die Einblicke in die Welt hinter Gittern geben: Für heiß begehrte Handys im Würzburger Gefängnis soll ein 55-jähriger Aufseher Geld und Haschisch bekommen haben. Der teilweise geständige Beamte steht ab 10. September vor dem Würzburger Landgericht.

16 weitere Anklagen

In vier weiteren Prozessen sind acht Gefangene und acht Unterstützer angeklagt, die Handys organisiert und das Bestechungsgeld besorgt und übergeben haben sollen. In diesen Verfahren wird der angeklagte Beamte der Justizvollzugsanstalt (JVA) als Zeuge gebraucht.

Für Aufsehen sorgt der Vorgang in Würzburg deshalb, weil nicht nur Häftlinge, die in der JVA ihre Strafe verbüßen, an Handys gelangten. Die Handys tauchten auch bei Verdächtigen auf, die in Untersuchungshaft sitzen und keinen Kontakt zur Außenwelt haben sollen. „Die telefonieren nicht nur mit Frau und Kindern“, sagt ein Ermittler. „Da wird doch versucht, Zeugen einzuschüchtern oder Versionen abzusprechen, um Ermittlungen abzuwürgen.“ Ob Gefangene die Chance, Einfluss auf Ermittlungen zu nehmen, tatsächlich nutzten, soll in den Prozessen herausgefunden werden.

Der Preis lag bei 100 Euro

Eine zentrale Rolle spielt ein Bordellbetreiber aus Oberfranken. Er soll den Würzburger JVA-Beamten dazu gebracht haben, für rund 100 Euro ein erstes Handy in das Gefängnis einzuschmuggeln. Daraus soll sich ein boomender Handel entwickelt haben. Der Mann aus dem Rotlichtmilieu sagte Ermittlern, ihm sei der JVA-Beamte als "kooperationswillig" bekannt gewesen.

Im Dezember wird der prominenteste der mutmaßlichen Telefon-Käufer vor dem Amtsrichter stehen: Ein Würzburger Schönheitschirurg, der Ermittlern zufolge zunächst behauptete, das Handy sei ihm untergeschoben worden. Der Fund einer Telefonkarte, die ihm versehentlich aus den Kleidern gerutscht sein soll, hatte im Sommer 2018 die Behörden alarmiert. Später fand man das Handy in seiner Zelle in einem Lampenschirm versteckt.

In Schachteln versteckt, von Mitarbeitern eingeschmuggelt

Die teilweise sehr kleinen Geräte werden am und im Körper sowie in doppelten Böden von Schachteln oder Tuben versteckt, manchmal auch in scheinbar intakten Konservendosen. In Würzburg sollen zum Beispiel in einer Cornflakes-Packung gleich neun Handys in die JVA geschmuggelt worden sein.

Und immer wieder versuchten Kriminelle in der Vergangenheit, auch JVA-Bedienstete einzuspannen:  durch Bestechung oder - wie in Aschaffenburg - durch Androhungen gegenüber deren Familien. In der JVA Aschaffenburg  wurden zwischen August 2014 und Februar 2015 insgesamt 43 Handys sichergestellt.

Kontrollen in Würzburg nach Vorfall 2016 verschärft

Auch in Würzburg war das Problem nicht neu. Anstaltsleiter Robert Hutter erinnert daran, dass schon 2016 ein Lehrer beim Einschmuggeln erwischt worden war. Danach habe man die Kontrollen von externen Besuchern verschärft - aber nicht die Überprüfungen bei festen Mitarbeiter. „Kolleginnen und Kollegen werden nur im Verdachtsfall kontrolliert“, so Hutter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

2018 beschäftigte ein gleichartiger Schmuggel-Fall die Justiz in Heilbronn. Fünf Häftlinge hatten regen Handel mit Drogen, Medikamenten und Smartphones betrieben. Ein JVA-Beamter diente dort als Kurier. Er wurde im März 2019 wegen Bestechlichkeit sowie Beihilfe zum Handel mit Drogen zu drei Jahren Haft verurteilt.

Handys sind auch weiter zu haben

Etwa neun Monate nach den umfangreichen Durchsuchungen in der Würzburger JVA gibt es laut Polizei und Staatsanwaltschaft derzeit keine Hinweise auf weitere Handys bei Gefangenen in U-Haft. Was indes wohl nicht für den Rest der Anstalt gilt. Im Gespräch mit Redaktion sagen vier Anwälte  unabhängig voneinander, dass sie nach wie vor aus dem Würzburger Gefängnis per Handy angerufen würden.

Im Vergleich zu Haftanstalten in Hamburg, Berlin oder Nordrhein-Westfalen sind indes die zwei Dutzend Telefone, die in Würzburg gefunden wurden, sehr wenig. Dort gehen die Fälle in den drei- und vierstelligen Bereich - und lassen sich offenbar weder durch scharfe Kontrollen noch durch Störsender völlig unterbinden.

 
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