Dort, wo bis zum Sommer kommenden Jahres der Erweiterungsbau des Hotel Rebstock stehen soll, hinter den altehrwürdigen Mauern des Franziskanerklosters in der Neubaustraße, gähnt derzeit eine große tiefe Grube. Ein neues Haus mit zwei Tiefgarageneben für 49 Fahrzeuge ist im Bau, darüber entstehen auf dreineinhalb Stockwerken ein 220 Quadratmeter großer Tagungsraum sowie 54 Zimmer mit 108 Betten.
Von Mai bis Dezember vergangenen Jahres waren hier die Archäologen am Werk. „An der bislang spannendsten Stelle der Stadt, an der wir ausgraben durften“, wie Dieter Heyse, Chef der gleichnamigen Ausgrabungsfirma bei der Präsentation der Ergebnisse im Hotel Rebstock vor der Presse am Montagnachmittag berichtete.
Was für Heyse spannend war, kostete den Bauherren Christoph Unckell, Chef des Rebstock, einen Batzen Geld. Samt Sicherung und Erhalt der Klostermauern des Franziskanerklosters, auf dessen Gelände das neue Haus entsteht, bezifferte Unckell die Kosten für die archäologischen Maßnahmen auf rund 1,6 Millionen Euro. Doch er hat Glück, 1,33 Millionen bekommt er aus dem Fördertopf der „PremiumOffensive Tourismus“ des Freistaates Bayern als Zuschuss zurück.
Tiefer Blick in die Geschichte
Und es hat sich gelohnt, der „tiefe Blick in die Geschichte der Stadt“, wie es Hotelchef Christoph Unckell nannte, war erfolgreich. Auf 950 Quadratmetern gruben sich die Archäologen in bis zu vier Meter Tiefe, und was sie fanden, erläuterte Frank Feuerhahn, Grabungsleiter der Untersuchungen, im Detail.
Rund 250 Kunststoffkisten mit Scherben, Knochen, Metallfibeln und anderen Fundstücken sind demnach das Ergebnis der zumeist mühevollen Handarbeit der Archäologen. Ein paar der Kisten hatten sie mitgebracht. Neben guterhaltenen Gefäßen, Gebäuderesten aus Holz und Stein, einer hölzernen Einfassung eines Doppelbrunnens und einem Wall mit Graben förderten die Ausgräber auch eine Grabstätte zutage. Darin Teile eines Skeletts und ein rostiger Dolch, beide wohl um die 1500 Jahre alt. „Die Knochen wurden vom Landesamt für Denkmalschutz mit der C14-Methode datiert. Sie stammen aus der Zeit zwischen 421 und 540 nach Christus, das war also ein alter Germane, die Bestattung war heidnisch“, so Feuerhahn. Warum er alleine dort lag und es nicht mehr Gräber gebe, lasse sich nach so langer Zeit nicht mehr klären.
Anderes hingegen schon: „1221 waren die Franziskaner nach Würzburg gekommen und ließen sich auf Geheiß des Bischofs im Jahr 1249 am jetzigen Ort, direkt am südlichen Rand des damals noch von einer Stadtmauer umgebenen Bischofshutes neben der Valentinskapelle nieder“, so der Grabungsleiter. Die Gegend sei damals schon bewohnt gewesen. Dies sei auch der Grund für die Funde von ungewöhnlich vielen gut erhaltenen Gefäßen. „Die zählten zu der Ausstattung der Häuser, die von den Franziskanern übernommen worden waren. Für diese gab es wohl keine Verwendung mehr und so wurden die Keller verfüllt und überbaut“, erläuterte Feuerhahn.
Eigentlich nur königliches Recht
Ungewöhnlich ist ein Erdwall mit Graben in Nord-Süd-Richtung, den die Ausgräber fanden. Über seine Entstehung können sie nur spekulieren. Wall und Graben sind laut Feuerhahn eigentlich königliches Recht. „Aber die Besiedelung der Gegend begann um das Jahr 900 herum“, so der Ausgrabungsleiter weiter. Also müsse der Wall älter sein, weil für die Besiedelung der Graben verfüllt wurde.
Drei mögliche Gründe für den Bau der Schutzanlage halten die Archäologen für überlegenswert. Zum einen die Wikinger, die zu der Zeit in ganz Europa einfielen und mit ihren Drachenbooten den Rhein hinauf segelten. „Wenn man laut überlegt, könnten sie es auch den Main hinauf geschafft haben“, so Feuerhahn. Zum anderen die Ungarn, die vor ihrer Niederlage bei der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 bis nach Frankreich vorgestoßen waren, und zum dritten die sogenannte Babenberger Fehde. Eine Auseinandersetzung zwischen den Jahren 892 und 906, bei der die Familien der fränkischen Babenberger und der Konradiner um die Macht im mittleren Maingebiet rangen. Eventuell könnten Untersuchungen von Holzkohlestückchen aus der Wallerde weitere Aufschlüsse geben, fügte Dieter Heyse hinzu. Diese stünden aber noch aus.
Zeichnerisch und fotografisch dokumentiert
Alle Funde wurden zeichnerisch und fotografisch dokumentiert, erläuterte Frank Feuerhahn weiter. „Da geht es darum, das zu sichern, was wohl unwiederbringlich im Boden verschwinden wird.“ Ein Teil der Funde soll später im Hotel Rebstock in geeigneter Art und Weise ausgestellt werden, versicherte Unckell. Und die hölzerne Brunneneinfassung, datiert auf das Jahr 1009 und die erste dieser Art, die in Würzburg gefunden worden war, werde als Geschenk an das Museum für Franken auf der Festung Marienberg gehen, versprach er zwei Vertreterinnen des Museums, die ebenfalls zur Präsentation gekommen waren.