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Uffenheim
Mit dem Hilfstransport in die Ukraine: Wie ein Uffenheimer die Fahrt in das Kriegsgebiet erlebte
Eine achtköpfige Gruppe aus Uffenheim machte sich auf den Weg nach Jaworiw in die Westukraine. Mit dabei: Journalist Gerhard Krämer (rechts). Auf dem Bild übergibt er gerade dem ukrainischen Pfarrer Marek Niedzwiecki Wurst aus Marktsteft (Lkrs. Kitzingen).
Foto: Gerhard Krämer | Eine achtköpfige Gruppe aus Uffenheim machte sich auf den Weg nach Jaworiw in die Westukraine. Mit dabei: Journalist Gerhard Krämer (rechts).
Gerhard Krämer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:08 Uhr

Von "du bist total bescheuert" bis "mutig" - die Kommentare verschiedener Personen zur Aktion waren gespalten. Eine achtköpfige Gruppe rund um Uffenheims Bürgermeister Wolfgang Lampe machte sich auf den Weg in die mit Uffenheim befreundete Stadt Jaworiw, um Hilfsgüter direkt vor Ort abzuliefern.

Denn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24. Februar beschäftigt auch die Bürgerinnen und Bürger der mittelfränkischen Stadt. So auch unseren Autor Gerhard Krämer, der ebenfalls an der Hilfsfahrt teilnahm und von seinen Erlebnissen berichtet.

Waffen und Munition stünden ganz oben auf der Wunschliste der Ukrainer

Jaworiw liegt zwischen der polnischen Grenze und Lwiw. Mit dessen Bürgermeister Igor Grabowski und dem Abgeordneten der Stadt Kiew, Pavlo Bakunetz, steht Wolfgang Lampe in Kontakt.

Kurz vor Abfahrt wurde der Hilfskonvoi von Uffenheimer Bürgerinnen und Bürgern mit Applaus verabschiedet.
Foto: Gerhard Krämer | Kurz vor Abfahrt wurde der Hilfskonvoi von Uffenheimer Bürgerinnen und Bürgern mit Applaus verabschiedet.

Waffen und Munition stünden ganz oben auf der Wunschliste der Ukrainer, berichten sie. Diese kann Uffenheim jedoch nicht liefern. Die anderen Wünsche ließen sich leichter erfüllen. Dank der überwältigenden Spendenbereitschaft rund um Uffenheim waren in kurzer Zeit über 35.000 Euro an Spenden zusammengekommen, dazu viele Sachspenden und Lebensmittel. Von dem Geld kaufte Uffenheim ein Feuerwehrauto - ein Löschfahrzeug (LF) 16 - und einen Ford Transit zur Personenbeförderung. Auch Matratzen, Lebensmittel, Babynahrung und Medikamente wurden gesammelt.

Neun Stunden verbringt der Konvoi an der polnisch-ukrainischen Grenze

Es ist Montag, 15 Uhr. Die beiden Uffenheimer Dekane Gerd-Richard Neumeier und Max von Egidy geben im Beisein von etlichen Uffenheimern dem Konvoi einen Segen auf dem Weg. Rund 19 Stunden Fahrt vom Zielort Jaworiw entfernt. Mit vier Fahrzeugen geht es in Richtung Ukraine.

Die Zeit: gut geschätzt, trotz einer kleineren Panne, die die Profis von der Feuerwehr rasch in den Griff bekommen. Am letzten Parkplatz vor der Grenze trifft sich die Gruppe mit zwei Freunden aus Uffenheims polnischer Partnerstadt Kolbudy. Auch sie haben ihr Fahrzeug vollbeladen.

"Humanitäre Hilfe, Freundlichkeit und Hilfe an der Grenze im Bürokratie-Dschungel sieht anders aus."
Wolfgang Lampe, Bürgermeister von Uffenheim

Vorbei geht es an einer langen Fahrzeugschlange vor der ukrainischen Grenze und hinein in den Bereich der Grenzstation. Der polnische Zoll erweist sich überraschenderweise als das größte Problem. Während eigentlich alle Fahrzeuge eines humanitären Transports in Polen von jeglicher Mautgebühr befreit sind, scheinen manche Zöllner darüber nicht Bescheid zu wissen. Neun Stunden verbringt der Ford Transit im Zollbereich. Obwohl alle Zollformalitäten im Vorfeld geklärt waren, schickt die polnische Seite das Auto von einer Abfertigungslinie in die andere. "Keiner richtig zuständig. Keine Auskünfte", ärgert sich Bürgermeister Lampe.

Nur dank des energischen Einschreitens eines ukrainischen Freundes gelingt es, das Fahrzeug doch noch in die Ukraine zu bringen. "Humanitäre Hilfe, Freundlichkeit und Hilfe an der Grenze im Bürokratie-Dschungel sieht anders aus", schreibt Lampe den Zöllnern und dem polnischen Präsidenten.

Die ukrainischen Feuerwehrleute stürmen regelrecht ihr neues Auto

Die Stunden an der Grenze bringen den Zeitplan gehörig durcheinander. Auf der ukrainischen Seite warten schon ungeduldig die Freunde aus Jaworiw. Mit dabei ist auch der Abgeordnete Pavlo Bakunetz, die Vize-Bürgermeisterin Olga Sozanska und der Feuerwehrkommandant Ivan Hembalskyi.

Von der Grenze aus fährt der Konvoi direkt nach Jaworiw - vorbei an einer unendlich scheinenden Schlange von Lastwagen. Über 20 Kilometer ist sie lang. Zwei bis sieben Tage müssen die Fahrer auf ihre Abfertigung warten, denn weil der Schwarzmeerhafen Odessa wegen des Krieges nicht mehr zur Verfügung steht, müssen die Fahrer nun über die Landgrenzen.

Am nächsten Morgen geht es an die Übergabe. Die gesamte ukrainische Mannschaft ist vor dem Feuerwehrhaus in Jaworiw angetreten. "Danke, dass Sie die Ukraine unterstützen", heißt es in den offiziellen kurzen Ansprachen, unter anderem aus dem Munde von Bürgermeister Igor Grabowski. Manche Rede endet patriotisch: "Die Ukraine wird siegen. Lang lebe die Ukraine."

Uffenheimer Feuerwehrler weißen ihre ukrainischen Kollegen in das neue Fahrzeug ein. Auch Bürgermeister Wolfgang Lampe (rechts) ist dabei.
Foto: Gerhard Krämer | Uffenheimer Feuerwehrler weißen ihre ukrainischen Kollegen in das neue Fahrzeug ein. Auch Bürgermeister Wolfgang Lampe (rechts) ist dabei.

Zwei Pfarrer sprechen Segensworte. Geschenke werden übergeben. Dann stürmen die Feuerwehrleute regelrecht ihr neues Auto. Uffenheimer Feuerwehrler übernehmen die Aufgabe, ihre Kollegen ins Fahrzeug einzuweisen. Am nahen See wird die Pumpe ausprobiert.

Der russische Angriffskrieg zieht in Jaworiw tiefe Spuren

Während vor dem Feuerwehrhaus die Freude groß ist, lassen sich 200 Meter weiter die Gefühle aus Trauer, Schmerz und Bedrückung nicht verbergen. Der russische Angriffskrieg zieht in Jaworiw tiefe Spuren. Vor einem Helden-Denkmal nahe der Bezirksregierung und des Rathauses versammelt sich eine große Menschenmenge. Begleitet von einem Polizeifahrzeug halten mehrere Autos an, an der Spitze ein Leichenwagen. Dessen Heckklappe wird geöffnet, im Inneren ein Sarg mit einem gefallenen jungen Soldaten aus Jaworiw.

Bei einer Gedenkfeier für einen im Krieg gefallenen Soldaten aus Jaworiw knien Angehörige neben dem Leichenwagen.
Foto: Gerhard Krämer | Bei einer Gedenkfeier für einen im Krieg gefallenen Soldaten aus Jaworiw knien Angehörige neben dem Leichenwagen.

Angehörige knien hinter dem Auto, Menschen knien auf der Straße. Drei Geistliche sprechen Gebete, der Bürgermeister hält eine Ansprache. Zwei weitere Leichenwagen sollen an diesem Tag noch folgen. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Bürgermeister nicht eine Todesnachricht an eine Familie in seiner Stadt überbringen muss. Denn nicht weit von hier ist eine Brigade stationiert, um deren Versorgung im Einsatz die Stadt bemüht ist.

Die Uffenheimer spüren große Dankbarkeit

"Es sind so viele", sagt Pfarrer Marek Niedzwiecki, Trauer und Verzweiflung schwingen in seiner Stimme mit. Vorbei an mit Sandsäcken geschützten Kontrollstationen geht es ins Rathaus. Niedzwiecki und Grabowski erzählen von Besuchen in befreundeten Ortschaften an der Frontlinie. Sie erzählen von unfassbaren Gräu­el­taten und zeigen Bilder zerstörter Gebäude.

Voll mit Eindrücken machen sich die Uffenheimer nach einem Tag wieder auf den Rückweg. "Wir wurden herzlich aufgenommen und haben große Dankbarkeit gespürt", sagt Wolfgang Lampe, der seinerseits den Mitfahrern und Spendern dankbar ist.

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