
Eigentlich war für den sechsten Verhandlungstag am Würzburg Landgericht ein Urteil angedacht. Der Fall war klar: Ein 61-Jähriger soll über 2000 Anleger um insgesamt rund vier Millionen Euro gebracht haben. Das hatte der Mann in einem Geständnis bereits seinen Verteidiger verlesen lassen. Daraus wurde nun nichts - weil plötzlich Bitcoin-Millionen aufgetaucht sein sollen, mit denen der Trader nun alles wiedergutmachen will.
Am Donnerstag bat die Verteidigung nun um einen Aufschub. Zehn Tage werden gebraucht, dann sollen die Bitcoins des Angeklagten zu 6,2 Millionen echten Euro gemacht worden sein. So lang soll es dauern, die virtuellen sogenannte "Wallet", zu Deutsch "Brieftasche", zu "monetarisieren". Wenn die Monetarisierung über deutsche Banken nicht gelinge, dann über die Geld-Metropole Dubai, so die Verteidigung. Das aus der Kryptowährung zurückgeholte Geld werde man dann unverzüglich an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Damit könnten, so das Konzept eines der drei Verteidiger, die betrogenen Anleger entschädigt werden - und die Strafe für seinen Mandanten milder ausfallen.
Denn diese sahen von ihren angelegten Tausendern nichts. Stattdessen lebte der Angeklagte in Saus und Braus, zeitweise gar auf einem Schloss im nördlichen Unterfranken, fuhr einen teuren Sportwagen und kleidete sich in Nobelmarken wie Versace und Louis Vuitton. Währenddessen hofften die Kleinanleger auf ihr Geld. Vor Gericht schildert ein Zeuge die Masche, auf die ihre hereingefallen war: Wenn er einmal 10.000 Euro auf das Konto des Angeklagten eingezahlt habe, bekäme er ein Jahr lang monatlich den gleichen Betrag zurück. Der Zeuge überweist - die große Rendite bleibt jedoch aus.
Für das Gericht ist "der Bogen überspannt" - den geforderten Aufschub gibt es trotzdem
Im Hintergrund soll der Angeklagte mit dem immer neuen Geld der Anleger ein Schneeballsystem am Laufen gehalten haben - bis dieses irgendwann kollabierte. Das möchte der 61-Jährige jetzt wiedergutmachen, worauf das Gericht am sechsten Verhandlungstag sichtlich genervt reagierte. Boris Raufeisen, Vorsitzender der 5. Strafkammer, ließ nicht das geringste Anzeichen von Begeisterung über die mögliche Schadenswiedergutmachung erkennen: Denn die Leute, die im Vertrauen auf sagenhafte Renditen zum Teil viel Geld verloren haben, sollten schon einmal auf der Bitcoin-Schiene entschädigt werden, aber man habe dann vom Angeklagten oder seinen Verteidigern dazu nichts mehr gehört. Der Angeklagte habe das Entgegenkommen des Gerichts bereits bis zum letzten "ausgereizt", jetzt werde der "Bogen aber überspannt", so der Richter.
Dennoch bekamen am Ende des Verhandlungstags der Angeklagte und seine Verteidiger ihren Willen - auch deshalb, weil die Anträge der Verteidigung auf Vernehmung von drei weiteren Zeugen zu zwei weiteren Verhandlungstagen führen. Gehört werden sollen dann unter anderem Mitarbeiter einer Bank im Landkreis Schweinfurt, über die der Angeklagte das Geld der Anleger weitergeleitet haben soll.