
Wer ist dieser Mann, der über 2000 Menschen um ihr Geld gebracht haben soll? Ein Schlossherr, begnadeter Finanz-Trader - oder ein Betrüger? Seit einigen Wochen wird genau diese Frage vor dem Würzburger Landgericht behandelt, am Donnerstag soll nun ein Urteil fallen.
Insgesamt soll der 61-jährige Anleger um über vier Millionen betrogen haben. Eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Jahren, mindestens aber fünf, hat eine Große Strafkammer des Landgerichts Würzburg dafür signalisiert - für den Fall, dass er ein glaubwürdiges Geständnis abliefert und damit den Prozess verkürzt.
Ein Geständnis gibt es tatsächlich am dritten Verhandlungstag, vorgetragen vom Verteidiger des Angeklagten. Sein Mandant sei schon immer talentiert im Umgang mit Zahlen gewesen, gar "gesegnet" mit einem ausgeprägten mathematischen Verständnis. Schon in seiner frühen Jugend habe er ein enormes Interesse fürs Bank- und Finanzwesen gehabt und sich erhebliche Fähigkeiten angeeignet.
Er wollte ein System entwickeln, mit dem der "kleine Mann" zu Geld kommen sollte
Im Laufe der Jahre habe sein Mandant diverse illustre Persönlichkeiten in der Branche kennengelernt, von denen er sich vieles "abgeschaut" habe, so der Verteidiger. Er habe hinter die Fassade großer Investmentbanken blicken können - und gelernt, dass der "kleine Mann" immer am Ende der Kette stehe und oft leer ausgehe. Deswegen habe er den "hehren Gedanken" gehabt, so sein Verteidiger, ein Anlagesystem zu entwickeln, das jedermann zu Wohlstand und finanzieller Unabhängigkeit verhelfen sollte.
Der Schuss ging nach hinten los: Vor Gericht schildert etwa ein Zeuge, ein kleiner Unternehmer aus der Region, wie er von einem "guten Bekannten im Dorf" von der Anlagemöglichkeit mit Bilderbuch-Rendite erfahren hatte. Das Versprechen: Wenn er einmal 10.000 Euro auf das Konto des Angeklagten eingezahlt habe, bekäme er ein Jahr lang monatlich den gleichen Betrag zurück. Der Zeuge überweist - die große Rendite bleibt jedoch aus. Ein anderer Zeuge berichtet, dass er von einem "guten Bekannten" über die "sprudelnde Renditequelle" informiert worden sei - und sich bis heute fragt, wie er nur auf den Betrug hereinfallen konnte.
Denn wie die Staatsanwältin vor Gericht verliest, floss das Geld des Anlegers, der bereits 18 Einträge im Strafregister hat, in ganz andere Dinge: Er soll sich ein Luxusobjekt in der Schweiz angemietet haben, sich in Nobel-Marken wie Versace und Louis Vuitton gekleidet und einen teuren Sportwagen gefahren haben. Allein die Adresse des Firmensitzes dürfte manche Anleger beeindruckt haben: ein Schloss im nördlichen Unterfranken, wie ein Zeuge vor Gericht aussagte.
Angeklagter soll mehrere Jahre auf einem Schloss im nördlichen Unterfranken gelebt haben
Dort ist der Angeklagte kein Unbekannter. Die Redaktion hat Kontakt zu einer Person aufgenommen, die mit der Schlossgeschichte vertraut ist und anonym bleiben möchte. Der Angeklagte habe mehrere Jahre auf dem Schloss gewohnt, so die Information. Immer wieder sei er verschwunden und dann wieder aufgetaucht. Lange sei nicht bekannt gewesen, dass der Angeklagte vom Schloss aus auch unternehmerisch tätig gewesen sein soll. In den letzten Jahren hätten sich mehrere Personen telefonisch nach dem ehemaligen vermeintlichen Schlossherren erkundigt: "Die Anrufe hingen zweifellos mit seinen geschäftlichen Aktivitäten zusammen, die jetzt Gegenstand des Prozesses sind", vermutet der Insider.
In seinem verlesenen Geständnis bat der Angeklagte nun vor Gericht um "aufrichtige Entschuldigung." Fragen des Gerichts beantwortete er hinterher nicht, ging aber im Geständnis ins Detail. Er räumte alles ein, was ihm vorgeworfen wurde und erklärte, wie sein System tatsächlich funktioniert habe: Durch ständiges Anwerben neuer Anleger habe er Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber bisherigen Kunden bedient und ein Schneeballsystem aufgebaut - bis dieses irgendwann kollabierte.
Ein Urteil soll am Donnerstag, 24. Oktober, fallen.
S. Orf