Auf der Zielgeraden des Prozesses wurde öffentlich Klartext geredet am Landgericht Würzburg. Im Verfahren um den Missbrauch von sieben kleinen Buben durch ihren Therapeuten nahmen kämpferische Verteidiger, empörte Anwälte der Opfer und ein Gericht, dessen Geduld schwer strapaziert schien, kein Blatt mehr vor den Mund.
Opferanwalt Hanjo Schrepfer lieferte sich vehemente Wortgefechte mit Verteidiger Alexander Hübner. Ihre große Stunde hatte am Montagnachmittag aber vor allem die bisher eher zurückhaltende Staatsanwältin Manuela Teubel mit ihrem unerwartet deutlichen Strafantrag. Der Therapeut habe sieben ihm anvertraute Jungen über Jahre hinweg missbraucht bis zur Vergewaltigung. Dafür seien 13 Jahre und neun Monate Haft angemessen – sowie ein lebenslanges Verbot, als Therapeut zu arbeiten.
Deutliche Worte von Staatsanwältin und Nebenklage
Die Nebenkläger Hanjo Schrepfer und Bernhard Löwenberg schlossen sich der Forderung weitgehend an. Sie halten aber eine Sicherungsverwahrung nach Verbüßen der Haftstrafe für angemessen und ein Gutachten dazu für falsch, das die Rückfall-Gefahr als sehr gering bewertet.
Noch einmal äußerten sie Zweifel, ob die angeklagten und gestandenen Taten nicht "nur die Spitze des Eisbergs" waren. "Sie hätten als begabter Therapeut und Vorbild für homosexuelle Paare mit eigenen Kindern die Welt besser machen können", sagte Opfer-Anwalt Christian Mulzer dem Angeklagten . "Stattdessen haben Sie zur Befriedigung ihres Triebes die Welt schlechter gemacht."
Am Morgen des elften Verhandlungstages hatten sich die Verteidiger noch einmal um eine mildere Strafe für ihren geständigen Mandanten bemüht. Eine Handvoll Zuhörer – darunter Würzburgs Bürgermeisterin Judith Jörg als Vertreterin einer Initiative zur Hilfe für die Opfer – traute ihren Ohren nicht, als sie hörten, wie die angebliche Qual für den Quäler zum Thema wurde: Die Haftbedingungen sollten dem Angeklagten zu einer milderen Strafe verhelfen.
Stundenlang ging es vor Gericht um die Frage: Ist Milde angebracht, weil der Angeklagte in 14 Monaten Untersuchungshaft gelitten hat darunter, dass er zeitweise in einer Einzelzelle saß und rund um die Uhr von Videokameras kontrolliert sowie einzeln zum Duschen und Hofgang geführt wurde?
Drohung: "In Würzburg warten sie schon auf Dich"
Besondere Vorsichtsmaßnahmen seien angebracht gewesen, sagte der Würzburger JVA-Chef Robert Hutter. Der Logopäde habe von Drohungen eines anderen Häftlings erzählt, als er von Bamberg hierher verlegt wurde: "In Würzburg warten sie schon auf Dich." Im Fall des Angeklagten seien aber keine Zwischenfälle bekannt geworden.
Monatelang saß der Verdächtige in der JVA Bamberg. Deren Leiter Ullrich Mann berichtete im Zeugenstand: Nach einigen Wochen sei die Sorge vor einem Suizidversuch geschwunden. Der 38-Jährige sei in eine Vier-Mann-Zelle verlegt worden – in einem separaten Trakt für Sexualstraftäter, um ihn vor Übergriffen anderer Häftlinge zu schützen.
Muss das Gericht nachmessen?
Verteidiger Hübner wollte genau wissen, wie viel Platz in der Gemeinschaftszelle ist. "Etwa 20 Quadratmeter", schätzte der Zeuge. "Also fünf pro Gefangenem", folgerte der Anwalt – und wandte sich dem Vorsitzenden zu: "Die Vorgaben von Verfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof verlangen mindestens sieben Quadratmeter pro Gefangenem."
Richter Schaller antwortete lächelnd: Einer seine Vorgänger habe in so einem Fall persönlich zum Zollstock gegriffen, um die Größe einer Zelle zu messen. "Wir sind auch dazu bereit." Auf heftige Vorwürfe der Opfer-Anwälte über das Vorgehen der Verteidigung, antwortete Hübner: Er sei eben kein Verteidiger, "der sich nur demütig im Staub wälzt und um Gnade fleht".
Nach kurzer Beratung hielt das Gericht den Punkt für geklärt und bat um die Plädoyers. Die Verteidiger plädieren am Montag, 25. Mai, dann hat der Angeklagte das letzte Wort. Vielleicht fällt an dem Tag dann schon ein Urteil.
Der Logopäde soll sich seiner Schuld und Strafe endlich stellen wie ein Mann und aufhören, sich herauszureden!