Ein Würzburger Logopäde hat zwar vor Gericht gestanden, sieben Buben teilweise bis zur Vergewaltigung missbraucht zu haben, die Hoffnung auf einen schnellen Prozess am Landgericht Würzburg währte allerdings nur kurz. Wie diese Redaktion erfahren hat, soll ein ehrenamtlicher Richter Kontakt zu einer mit Corona infizierten Person gehabt haben. Nun sei der Schöffe isoliert bis klar ist, ob er sich angesteckt hat.
Bislang hatte der vorsitzende Richter Michael Schaller geplant, den für die Betroffenen emotional schwer belastenden Prozess ohne Unterbrechungen bis Ostern ans Ziel zu bringen. Dafür arbeitete das Gericht mit umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen und einem straffen Zeitplan. Doch nun macht Schaller die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung. Die beiden nächsten Verhandlungstage am 6. und 7. April wurden kurzfristig abgesagt – aber (noch) nicht der gesamte Prozess.
Auf Anfrage bestätigte am Landgericht der Pressesprecher Rainer Volkert, dass "ein unverzichtbarer Verfahrensbeteiligter bis Dienstag, 7. April, unter vom Gesundheitsamt angeordneter Quarantäne steht". Geplant sei, den Prozess am 8. April um 14 Uhr fortzusetzen.
Geständnis wird überprüft
Warum das überhaupt noch nötig ist nach dem umfassenden Geständnis? Das Gericht muss sich davon überzeugen, dass der Angeklagten die Wahrheit gesagt hat – durch Zeugen, Gutachten und vorliegende Filmaufnahmen. Das Gericht musste sich bereits einen Teil der Aufnahmen zumuten, die der Angeklagte beim Missbrauch von sieben Buben machte, um sie mit anderen Pädophilen zu tauschen. Weitere sollen folgen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Wie verstörend die Aufnahmen sein müssen, zeigt ein Brief ans Gericht, von dem die Redaktion erfuhr: Den federführenden Kriminalbeamten hat die Auswertung der schrecklichen Bilder bei der Ermittlung nach eigenen Angaben psychisch schwer mitgenommen. Er sei in Behandlung und sehe sich nicht in de Lage, im Zeugenstand auszusagen.
Dazu passt die Schilderung von Gerichtsprecher Volkert, der als einziger Unbeteiligter nach Ausschluss der Öffentlichkeit im Gerichtssaal bleiben musste, als erste Videos gezeigt wurden. "Der Angeklagte hatte dabei seinen Blick nach unten gewandt; sein Kopf war nahezu auf die Anklagebank gesunken", beschrieb der Pressesprecher die Situation. "Er sah sich die Aufzeichnungen selbst nicht an." Aus dem Zuschauerraum war beim Angeklagten ein wiederholtes Schluchzen zu vernehmen.
Ins Blickfeld rückt jetzt die Frage, was den Therapeuten zum Missbrauch der ihm anvertrauten Kinder trieb. Er hat sich vor dem Prozess in zehnstündigen Gesprächen dem psychiatrischen Gutachter Norbert Nedopil anvertraut. Die Verteidiger Alexander Hübner und Jan Paulsen wehrten sich heftig dagegen, den Anwälten der Opfer Einblick in das Gutachten zu geben, bevor Nedopil seine Erkenntnisse präsentiert.
Im Mittelpunkt steht die Frage: Ist die Neigung des Logopäden zu Kindepornografie und Sex mit Kindern therapierbar? Wenn nicht, könnte ihn das Gericht als Gefahr für die Allgemeinheit ansehen – und er müsste damit rechnen, auch nach dem Ende einer Haftstrafe in Gewahrsam zu bleiben.
Nun haben die Gutachter das Wort
Entsprechend gespannt blicken die Prozessbeteiligten dem Auftritt Nedopils entgegen – wenn der Schöffe und alle anderen Beteiligten gesund bleiben. Zunächst soll eine Polizistin für ihren erkrankten Kollegen über die Ermittlungen Auskunft geben. Dann wird Gutachterin Marianne Clauß berichten, welche Folgen der Missbrauch für die sieben behinderten Buben hat, anschließend soll Nedopils Bericht folgen. "Dazu haben wir jede Menge Frage", kündigt Bernhard Löwenberg, einer der Anwälte der Eltern der missbrauchten Kinder, bereits an.