Als die Eltern der missbrauchten sieben Buben zu Wort kommen, schließt das Gericht die Öffentlichkeit aus. Manche sitzen als Nebenkläger dem Angeklagten im Gerichtssaal buchstäblich im Nacken, andere haben nicht die Kraft dazu. – und wirken erleichtert, dass sie ihre Schilderungen von Schmerz und Ohnmacht im Zeugenstand nicht mit jedem teilen müssen. Anderen liegt daran, öffentlich zu machen, was der Logopäde ihren Kindern angetan hat. "Der soll ins Gefängnis, bis er stirbt", wird ein Vater später sagen, und das klingt noch eher harmlos gegen das, was Angehörige außerhalb des Sitzungssaals am Landgericht Würzburg dem Angeklagten wünschen.
Elten berichten über Folgen des Missbrauchs
Der dritte Prozesstag steht ganz im Zeichen der Frage, was der Missbrauch aus den Kindern und ihren Angehörigen gemacht hat. Der 38-Jährige hatte bereits am ersten Tag gestanden, was in der Anklage steht: Die ihm anvertrauten Buben teilweise bis zur Vergewaltigung missbraucht zu haben. Dabei filmte er, um die Aufnahmen mit Gleichgesinnten für deren Bilder tauschen zu können. Konkret geht es um 66-fachen schweren sexuellen Missbrauch von behinderten Kindern sowie die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie.
Aus dem Gerichtssaal dringen nur Bruchstücke heraus. "Sichtlich bewegt und immer wieder stockend", hätten ein Vater und eine Mutter darüber berichtet, sagt am Mittag zurückhaltend Rainer Volkert, der Sprecher des Landgerichts. Teilweise hätten die Eltern mit den Tränen zu kämpfen gehabt.
Rätselhafte Verhaltensweisen
Manche Eltern berichteten außerhalb des Gerichts, sie hätten gerätselt: Warum klagte ihr Bub plötzlich über Bauchweh? Sie hätten sich gewundert, warum ihr Junge plötzlich heftigen Widerwillen zeigte, weiter in die Therapie zu gehen, in der er ursprünglich sehr gerne war. Als eine Mutter beim Logopäden nachfragte, antwortete dieser in einem Brief: Dies sei Auswirkung der Therapie.
"Ich habe morgens ein fröhliches Kind in die Kita gebracht und holte mittags eins ab, das völlig verstört war – und wir konnten uns nicht erklären, warum", sagt die Mutter eines der am heftigsten missbrauchten Jungen. Die Familie habe sich gefühlt, als habe man ihr die Luft abgedrückt. "Ich hatte Mordgedanken", bekannte sie in einem Gespräch mit der Redaktion.
Ein Vater schilderte laut Gerichtssprecher Volkert sichtlich bewegt, dass sein Kind bis heute unter Verhaltensauffälligkeiten leide. Man habe dem Therapeuten vertraut, der sehr gefragt war. Aber die Therapie habe kaum Fortschritte gebracht. Man sei so enttäuscht von seinem Verhalten, dass die Familie bis heute Probleme habe, neuen Therapeuten zu vertrauen. Der Vater verlas einen Brief seiner Frau: Bei Bekanntwerden sei für sie "eine Welt zusammengebrochen".
Dem Angeklagten kamen die Tränen
Prozessteilnehmer berichteten am Mittwoch: Die drastischen Schilderungen hätten auch bei dem Angeklagten Wirkung gezeigt. Angehörige lasten ihm an, dass ihm zwei Tage zuvor beim Geständnis noch kein Wort der Entschuldigung über die Lippen gekommen sei. Nun aber seien ihm die Tränen gekommen.
Als einige der unter Zwang entstandenen Bilder in Augenschein genommen wurden, habe er erneut um Fassung gerungen. Er habe den Blick nach unten gesenkt "und sich die Aufzeichnungen selbst nicht angesehen," so der Gerichtssprecher. Er "schien allerdings um Fassung bemüht".
Gravierende Folgen für die Familien
Es seien erschütternde Schilderungen, sagten später die Anwälte Christian Mulzer und Hanjo Schrepfer, die Eltern als Nebenkläger unterstützen. "Da wurde die Lebensfreude ganzer Familien auf lange Zeit zerstört." Das gehe so weit, dass sich manche Eltern zu Unrecht sogar selbst Vorwürfe machen, damals nichts gemerkt zu haben.
Eine Mutter hat ihre Arbeitsstelle aufgeben müssen, um sich ganz um ihr Kind zu kümmern. Sie ist mit ihrem Sohn in einen anderen Ort umgezogen. Manche Eltern kämpfen mit Schlaflosigkeit und Depressionen – und ganz banal ums Geld: Die Krankenkassen zahlen bei weitem nicht alles, was die Eltern nun für notwendig halten, um die Folgen der Taten mit einer Therapie zu bekämpfen.
Der Prozess wird am 25. März fortgesetzt
bisherige Überschrift: "Missbrauchs-Prozess: Dem Logopäden kommen im Gericht die Tränen"
aber sicher nicht wegen des Täters.
Und wahrscheinlich kommen sie mir nochmal, wenn das Urteil verkündet wird...
Den Familien und Kindern wünsche ich, dass sie wieder zu einem normalen Leben zurückfinden können. Dem Täter, dass er seiner gerechten Strafe entgegensieht. Und ich hoffe sehr, dass die Knasthackordnung kein Mythos ist.
Für den Rest ihres Kommentars kann ich nur zustimmen.