Ein Urteil mit Augenmaß haben die Verteidiger des Logopäden angemahnt. Auf der Zielgeraden des seit zwölf Wochen laufenden Prozesses um den Missbrauch von sieben behinderten Kindern und dabei entstandene Kinderpornos stemmten sich die Anwälte Jan Paulsen und Alexander Hübner am Montagvormittag gegen die Erwartung eines Urteils nahe der Höchststrafe von 15 Jahren.
Knapp zehn Jahre Haft angemessen?
Die Verteidiger halten neun Jahre und acht Monate Haft für tat- und schuldangemessen. Das sei hart genug für den 38-jährigen Angeklagten, der im letzten Wort endlich Worte des Bedauerns für die Opfer fand. Er hatte die Taten in dem weitgehend nichtöffentlich geführten Prozess "unter Tränen" gestanden, berichtet Gerichtssprecher Rainer Volkert. Die Staatsanwältin und die Opferanwälte hatten 13 Jahre und neun Monate Haft beantragt - sowie ein lebenslanges Berufsverbot.
In nichtöffentlicher Sitzung wandte sich der Angeklagte dann direkt an drei im Sitzungssaal anwesende Eltern: "Ich habe mich bisher nicht entschuldigt, weil es für mein Verhalten keine Entschuldigung gibt", erklärte der Logopäde laut Gerichtssprecher Rainer Volkert. Und er sei sich bewusst, dass er "unglaublich viel Leid" über die Familien der sieben Buben gebracht habe.
Die Elten verließen nach dem Schlusswort des Angeklagten erkennbar betroffen den Sitzungssaal. Sie wollten sich nicht dazu äußern.
Urteil noch an diesem Nachmittag
Das Urteil soll an diesem Nachmittag fallen, kündigte der Vorsitzende Richter Michael Schaller an. Dabei geht es auch um die Frage, ob das Gericht das Risiko der Wiederholungsgefahr nach dem Ende der Haftstrafe für den Verurteilten für so gering hält wie der psychiatrische Gutachter, der im Prozess ausgesagt hatte. Dann wäre eine Sicherungsverwahrung unwahrscheinlich, die de facto "lebenslänglich" für den 38-jährigen Logopäden bedeuten könnte.
Lebenslanges Berufsverbot?
Umstritten war zuletzt auch die Forderung, dem 38-Jährigen die Chance zu verwehren, jemals wieder als Logopäde tätig werden zu dürfen, auch nicht für Erwachsene. Das Vertrauen in sein Fachwissen und seine berufliche Tätigkeit hatte der Täter genutzt, um an seine Opfer zu gelangen. Dem Berufsverbot widersprachen seine Verteidiger in ihrem Plädoyer heftig. Sie wollen das Berufsverbot allenfalls auf Kinder beschränken.
Zwischen 2012 und 2019 soll sich der Logopäde immer wieder an Buben in zwei Kindertagesstätten und in seiner Praxis vergangen haben. Die Beschäftigten der Kindertagesstätten haben nach Erkenntnissen der Ermittler von den Taten nichts bemerkt, genauso wenig wie der Mann des Angeklagten.
Die Buben waren zum Tatzeitpunkt zwischen zwei und sechs Jahre alt. Der 38-jährige Logopäde soll gezielt Kinder mit einer schweren Sprechbehinderung missbraucht haben, bei denen nicht zu erwarten war, dass sie sich Betreuern oder Eltern anvertrauen können.
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Ich bin selbst nicht betroffen, kenne aber Opfer von Missbrauch und Misshandlung, evtl. hat fast jeder einen Betroffenen im Bekanntenkreis, ohne es zu wissen.
Werden die Schmerzenschreie und die Qual der kleinen Opfer eigentliche jemals in den Gerichts"verhandlungen" thematisiert, bzw. veröffentlicht oder ob sie jemals in der Lage sein werden, alles aufzuarbeiten?
sollte man Milde walten lassen gegenüber jemandem, der keine Gnade kannte, Wehrlose zu vergewaltigen, das zu filmen und die Bilder zu seinem eigenen Vorteil weiterzugeben (wo sie wahrscheinlich noch lange Zeit weiter kursieren werden)? Geht es noch abscheulicher?
Ich widerspreche auch der Behauptung, dieser Staat kümmere sich einen Deut um Opferschutz. Strafbar wird eine Tat erst nach Begehen bzw. dem Versuch dazu, vorher gibt es m. W. (praktisch) keinerlei Handhabe.
Weiter wäre es interessant zu wissen, wer sich um die Betreuung der betroffenen Kinder kümmert und wer das bezahlt - ich habe so den starken Verdacht, dass eher nicht "der Staat". Von wegen Opferschutz - (z. B.) den Weißen Ring gibt es nicht von ungefähr!!!
Das Gericht sollte zumindest versuchen den Geschädigten in irgendeiner Art das Gefühl von Beistand und Gerechtigkeit zu vermitteln. In Deutschland gibt es bei weitem genug Täterschutz. Das muss in diesem Fall nicht auch noch unter Beweis gestellt werden.
A. Stumpf