Es war die Not mit überquellenden Mülldeponien, die Ende der 1970er Jahre für den Bau des Würzburger Müllheizkraftwerks (MHKW) den Anstoß gab. Jetzt feierte der Zweckverband Abfallwirtschaft, der zu dessen Bau gegründet worden war, sein 40-jähriges Bestehen. In dem Festakt ging es um die wechselvolle Geschichte des MHKW auf dem Würzburger Faulenberg, in der inzwischen der Restmüll von rund 900 000 Menschen verbrannt wird, aber auch um den Ausblick auf die Zukunft einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Abfallwirtschaft. Aus Sicht des Umweltexperten Professor Wolfgang Rommel sollten öffentlich-rechtliche Entsorger eine treibende Rolle einnehmen, um neuen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen.
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Die Stadt Würzburg und die Landkreise Würzburg und Kitzingen haben sich zum Zweckverband zusammengeschlossen, um ihr Entsorgungsproblem gemeinsam zu lösen - bis heute "ein Vorzeigeprojekt interkommunaler Zusammenarbeit", wie Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt sagt. Die Gründer haben weit gedacht, als sie sich 1979 für den Bau einer Verbrennungsanlage entschieden haben, die Strom produziert und Abwärme ins städtische Nahwärmenetz einspeist, so Landrat Eberhard Nuß, derzeit der Vorsitzende des Verbands. Jährlich werden durch die Kraft-Wärme-Kopplung Zigtausende Tonnen fossiler Brennstoffe ersetzt und klimaschädliches CO2 vermieden.
"Erst war es die Not, dann kam die Vernunft hinzu", erinnert sich Würzburgs ehemaliger Oberbürgermeister Jürgen Weber. Die städtische Hausmülldeponie in Laudenbach (Lkr. Main-Spessart) war zum Bersten gefüllt. Einzig realistischer Standort für eine neue Deponie wäre damals der Rottenbauerer Grund unterhalb der heutigen Y-Spange gewesen; schon damals angesichts der zu erwartenden Proteste ein schier aussichtsloses Unterfangen.
Rottendorf wollte dritte Ofenlinie verhindern
Proteste blieben auch gegen das 1984 in Betrieb genommene MHKW nicht aus. Müllverbrennungsanlagen galten als Dreckschleudern und maßgebliche Quelle des damals noch kaum erforschten Umweltgifts Dioxin. Als sich der Zweckverband Mitte der 1990er Jahr für den Bau einer dritten Ofenlinie entschied, war es allen voran die Nachbargemeinde Rottendorf, die auf die Barrikaden ging. "Wir hatten Ruß auf unseren Fensterbänken, und dann sollte die dritte Ofenlinie kommen", erinnert sich der damalige Bürgermeister Rainer Fuchs.
Der Versuch, den Bau juristisch zu verhindern, misslang. Dafür rang Rottendorf dem Zweckverband weitgehende Zugeständnisse, wie verbesserte Filteranlagen und ein engmaschiges Schadstoff-Monitoring, ab. Dass sich das MHKW heute als eine der saubersten Müllverbrennungsanlagen der Republik rühmen darf, sei deshalb mit ein Verdienst Rottendorfs, sagt Fuchs, und: "Es war nicht alles so geschmeidig, wie es bei einem Jubiläum dargestellt wird. Die besseren Filter sind erst durch den politischen Druck gekommen."
Inzwischen habe sich die Gemeinde mit dem MHKW versöhnt, so Fuchs. Auch, weil man sich als Partner behandelt fühle, und nicht mehr von oben herab. Teile Rottendorfs werden inzwischen vom MHKW mit Nahwärme versorgt.
Mit einer Kritik müssen sich Müllverbrennungsanlagen nach wie vor auseinandersetzen, nämlich dass deren Kapazitäten dazu verleiten, noch mehr Müll zu produzieren. Aus Sicht von Wolfgang Rommel, Professor an der Uni Augsburg und international anerkannter Fachmann für Umwelttechnologie und Kreislaufwirtschaft, ist das ein Trugschluss. "Zu glauben, wir könnten eine abfallfreie Gesellschaft werden, ist eine Illusion", sagt er. Zum effizienten Einsatz von Ressourcen gehöre es, dass Abfälle, die nicht weiter stofflich verwertet werden können, unter Ausnutzung ihrer Energie beseitigt werden.
Vorreiter bei neuen Technologien
Wolfgang Rommel erwartet zudem in den kommenden Jahren einen Innovationsschub, etwa, was die Gewinnung von Wasserstoff und anderen brennbaren Gasen durch die Verschwelung von Müll angeht. Viele der Verfahren seien noch nicht großtechnisch anwendungsreif oder noch teurer als die konventionelle Verbrennung. "Ich wünsche mir deshalb, dass öffentlich-rechtliche Betreiber wieder in eine technische Vorreiterrolle treten und nicht nur die betriebswirtschaftliche Brille aufsetzen", so der Wissenschaftler.
Einer Konkurrenz zwischen Recycling und Verbrennung widerspricht auch Wolfgang Sandreuther, drei Jahrzehnte lang oberster Abfallwirtschafter im Kitzinger Landratsamt. "Das MHKW hat Recycling nicht verhindert, im Gegenteil: Durch die Entsorgungssicherheit hatten wir den Rücken frei, um andere Verwertungssysteme überhaupt erst etablieren zu können", sagt Sandreuther.
Der öffentlichen Kontrolle stellt sich der Zweckverband mit der Veröffentlichung von Emissionsberichten im Internet und neuerdings mit einer Nachhaltigkeits-Visitenkarte, die regelmäßig über den technischen Betrieb der Anlage und die Arbeit des Zweckverbands Rechenschaft ablegt. Der Geschäftsleiter des Verbands, Alexander Kutscher, unterstreicht mit dieser Transparenz sein Plädoyer für eine Abfallwirtschaft in öffentlich-rechtlicher Hand. Nur wenn Kommunen ihre Abfallbeseitigung selbst in die Hand nehmen, seien sie unabhängig vom freien Spiel des Marktes und könnten ihren Bürgern langfristig eine günstige und umweltschonende Entsorgung ihrer Abfälle gewährleisten.