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Würzburg
Memes vom Main: Wie junge Leute aus Unterfranken das Internet mit Witz befüllen
Viele kennen sie – und schmunzeln darüber. Auch aus der Region gibt es einige Meme-Seiten. Eine Würzburger Ethnologin erklärt, was es mit dem Internetphänomen auf sich hat.
Nein, Maggi hat mit der Namensgebung von Würzburg nichts zu tun. Auch bei der Bildauswahl hat man sich bei diesem Meme einen Scherz erlaubt: Die Ruine ist die Zipser Burg im Nordosten der Slowakei.
Foto: Screenshot | Nein, Maggi hat mit der Namensgebung von Würzburg nichts zu tun. Auch bei der Bildauswahl hat man sich bei diesem Meme einen Scherz erlaubt: Die Ruine ist die Zipser Burg im Nordosten der Slowakei.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:41 Uhr

Einen Witz zu erklären ist wie einen Frosch zu sezieren. Man versteht ihn besser, aber er stirbt dabei. Das gilt auch für sogenannte Memes (gesprochen: Miems). Ungezählt viele Arten des Internetphänomens gibt es inzwischen, ihr kleinster gemeinsamer Nenner: Memes sind Inhalte im Internet, die von Nutzerinnen und Nutzern innerhalb eines gleichbleibenden Schemas verändert und verbreitet werden. Oft, aber nicht zwingend humorvoll und spielerisch, können sie auch ernste Botschaften vermitteln. 

Ein Beispiel der lustigen Sorte: Seit jeher tobt ein erbitterter Kampf um den Namen jenes mit Konfitüre gefüllten Siedegebäcks aus süßem Hefeteig, das vor allem in der Fastnachtszeit verzehrt wird. In Franken sagt man dazu weder Berliner noch Pfannkuchen, sondern Krapfen. Pfannkuchen sind flach und Berliner sind Hipster ... Nicht witzig? 

Bebildert funktioniert so ein Witz durchaus: Für Memes braucht es oft beschriftete Fotos oder kurze Videos, um ein Schmunzeln zu erzeugen. Sie sind ein eigener Medientyp.

In diesem Meme wird endgültig mit den verschiedenen Bezeichnungen für Süßspeisen aufgeräumt – zumindest aus fränkischer Sicht.
Foto: Screenshot | In diesem Meme wird endgültig mit den verschiedenen Bezeichnungen für Süßspeisen aufgeräumt – zumindest aus fränkischer Sicht.

Memes sind fast so alt wie das massentaugliche Internet. Anfangs nur etwas für Nerds, sind inzwischen wohl die meisten Nutzerinnen und Nutzer schon dem Medientyp begegnet - vielleicht ohne es zu wissen und ohne größer darüber nachzudenken. Memes sind schnelllebig und kaum erforscht. Doch an der Universität Würzburg  beschäftigt sich Isabella Kölz vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie und Volkskunde mit Netzkulturen - und deshalb auch mit der Frage, warum Memes ein fester Bestandteil des Internets geworden sind.

"Menschen finden es grundsätzlich schön, andere Menschen zum Lachen zu bringen. Und sie gehören gerne irgendwo dazu", sagt Kölz. Auf Memes trifft beides zu: Es sind Witze, und oft werden sie nur von Insidern verstanden. Wer nicht dazugehört, versteht nicht, was an den Bildchen lustig sein soll. Dazu komme, dass wir in einer "Aufmerksamkeitsökonomie" leben, sagt die Ethnologin. Likes sind die Währung in Sozialen Medien: "Wir legen online immer mehr Wert darauf, von anderen gemocht zu werden." Die "Gefällt mir"-Anzahl für ein Meme wird zum Gradmesser für den Erfolg. Noch wichtiger: die Verbreitung. Je öfter es mit anderen geteilt wird, desto bekannter wird es. Die kreativen Meme-Macher freuen sich darüber im Stillen - denn in der Regel bleiben sie selbst anonym.

Aufmerksamkeit für Anliegen der Jugendlichen

Viele der Internet-Bilder geben sich international, stellen Bezüge zur Popkultur her und sind auf Englisch verfasst. Wie die der drei Jugendlichen aus Lohr, die Memes über ihre Heimat im Landkreis Main-Spessart erstellen. Das Ziel des 17-jährigen Benedikt, der mit zwei Freunden den Account "lohr_memes"auf Instagram betreibt: "Leute zum Lachen zu bringen, auch ein bisschen über Missstände aufzuklären und den Lohrer Humor widerzuspiegeln". Über 1500 Menschen haben die Instagram-Seite der drei jungen Lohrer abonniert. Das sind etwas mehr als die Werbegemeinschaft Lohr auf dieser Plattform hat.

Die drei Schüler wollen ihre Reichweite nutzen, "damit die Bedürfnisse der Jugend auch wieder präsenter werden". Zugticktets seien zu teuer, Veranstaltungen für Jugendliche gebe es zu wenige. Für ihre Memes zapft das Trio auch die Kreativität ihrer Abonnenten auf Instagram an. "Ich freue mich über jedes Meme, das mir zugeschickt wird. Wir haben jetzt so viele gemacht, es wird immer schwerer, gute Witze zu finden", sagt Benedikt.

Lohr vermarktet sich gerne als Schneewittchen-Stadt und wirbt mit dem märchenhaften Schloss. Doch den Machern dieses Memes zufolge ist die Stadt eher für anderes bekannt . . . 
Foto: Screenshot | Lohr vermarktet sich gerne als Schneewittchen-Stadt und wirbt mit dem märchenhaften Schloss. Doch den Machern dieses Memes zufolge ist die Stadt eher für anderes bekannt . . . 

Wer nicht aus Lohr und Umgebung kommt und die Memes des Trios sieht - kapiert er sie? "Memes funktionieren nur, wenn ich Teil der Gruppe bin oder ein bekanntes Verhalten wiedererkenne, also über das notwendige kulturelle Wissen verfüge", sagt Ethnologin Isabella Kölz. Auf der anderen Seite könnten Memes zum Gemeinschaftsgefühl beitragen. Regionen gelten in der Volkskunde als soziale, von Menschen gemachte Konstrukte: "Wir erfinden ständig, wo die Region ist und was sie ausmacht. Heimat ist eine imaginäre Gemeinschaft. Eine Idee, die immer wieder neu hergestellt werden muss", sagt die Wissenschaftlerin. Was ist meine Heimat? Wo bin ich zu Hause? Auch die Lohrer Jugendlichen würden – ob bewusst oder unbewusst – hinterfragen, was ihre Region ausmacht, wenn sie witzige Bezüge zur Stadt herstellen, sagt Kölz.

Bilder und Videos in der Freizeit gebastelt

Memes gibt es zu nahezu jedem Thema. Es gibt Meme-Seite über Franken, über Würzburg und über die CSU. Über Autotuner, über den Studiengang Zahnmedizin an der Julius-Maximilians-Universität, über einzelne Schulen aus der Region. Bekanntheit erlangen diese Seiten, wenn ihre Memes "viral gehen", also oft mit anderen geteilt werden: die Mund-zu-Mund-Propaganda des Internets.

Die meisten Meme-Ersteller basteln die Bildchen und kurzen Videos aus Spaß zusammen. Wie Jakob, der seinen vollen Namen für sich behalten möchte und einen Instagram-Account mit Memes über das Studentenleben in Würzburg betreibt.

Für diesen Witz braucht man keinen Hochschulabschluss. Es genügt zu verstehen, dass sich die Durchfallquote auf verschiedene Dinge bezieht. 
Foto: Screenshot | Für diesen Witz braucht man keinen Hochschulabschluss. Es genügt zu verstehen, dass sich die Durchfallquote auf verschiedene Dinge bezieht. 

"Ich habe mich schon immer für satirische Beiträge und sarkastische Zuspitzungen begeistern können. Memes sind ein toller Weg, genau das zu transportieren", sagt der Student. Während "unser aller kreativen Hochphase", dem ersten Corona-Lockdown, habe er selbst damit angefangen: "Während meine Freunde in den Bann ihres eigenen Sauerteigs gezogen wurden, habe ich den unbeobachteten Moment genutzt und unermüdlich Bilder, Texte und Emojis arrangiert."

Populäre Memes funktionieren in verschiedenen Kontexten. Oft enthalten die Vorlagen Leerstellen, das macht es den Meme-Bastlern leicht, sie an neue Themen anzupassen. Zur Produktion eines guten Memes benötige man je nach Komplexität und Inhalt zwischen wenigen Minuten und einer halben Stunde, sagt Jakob. Wissenschaftlerin Isabella Kölz ist fasziniert davon, mit wie viel Kreativität unterhaltsame Memes gestaltet werden – und dabei Kultur "gemacht" wird.

'Ich, mit einem Bauch voller Chickenwings beim Überlegen, ob ich auch noch frittierte Oreo-Kekse bestellen soll', steht frei übersetzt über dem Foto vom inzwischen verstorbenen Luchs Rufus aus dem Schweinfurter Wildpark an den Eichen.
Foto: Screenshot | "Ich, mit einem Bauch voller Chickenwings beim Überlegen, ob ich auch noch frittierte Oreo-Kekse bestellen soll", steht frei übersetzt über dem Foto vom inzwischen verstorbenen Luchs Rufus aus dem Schweinfurter ...

Wie andere Medientypen auch, vermitteln Memes bestimmte Botschaften. Das hat auch die Werbebranche erkannt. Der dicke Luchs Rufus, der im Schweinfurter Wildpark lebte, erweckte die Aufmerksamkeit einer amerikanischen Fastfood-Kette. In den sozialen Netzwerken warb "Pluckers Wing Bar" mit einem Meme für frittierte Hähnchenflügel: "Ich mit einem Bauch voller Chickenwings, beim Überlegen, ob ich auch noch frittierte Oreo-Kekse bestellen soll", steht frei übersetzt über dem Foto des wohlbeleibten Luchses, das das Unternehmen auf Facebook und Instagram verbreitete. In diesem Fall funktioniert das Meme ohne viel Vorwissen: eine übergewichtige Raubkatze kombiniert mit dem allseits bekannten Dessert-Dilemma im Restaurant – das reicht, um Betrachterinnen und Betrachtern schmunzeln zu lassen.

Doch nicht immer sind die Botschaften so harmlos. Für Aufsehen sorgten beispielsweise die Bilder, die ein Funktionär einer unterfränkischen Fastnachtsgesellschaft einigen Mitgliedern in einer Whatsapp-Gruppe gesendet hatte. Die Memes waren nicht nur geschmacklos, sondern auch rassistisch – und Grund für eine Verurteilung wegen Volksverhetzung.

Als Medientyp haben sich Memes aber etabliert, sagt Kölz: "Internetkulturen sind etwas, das vornehmlich Menschen mitgestaltet haben, die jung waren, als das Medium jung war." Wer die Anfänge der Memes als Jugendlicher miterlebt hat, ist heute Anfang 40. "Jetzt gibt es eine Generation, die mit Memes aufwächst als hätte es sie schon immer gegeben", sagt die Ethnologin. "Es spricht nichts dafür, dass Memes einfach wieder verschwinden."

Eine Auswahl an unterfränkischen Meme-Seiten auf Instagram:

 
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  • wawiamt
    Zur Auswahl an unterfränkischen Meme-Seiten auf Instagram kann ich nur noch empfehlend die Kollegen von @hammelburgmemes hinzufügen.
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