Mitten im Sommerhäuser Altort, wenige Meter vom Ochsenfurter Tor entfernt, steht seit Tagen eine Lokomotive samt Waggon. Zumindest sieht es auf den ersten Blick so aus. Denn hinter der Fassade versteckt sich ein Verkaufsstand, über dessen Tresen schon bald Maroni, Bratwürste, Glühwein und andere Weihnachtsleckereien gehen sollen. Nicht mehr lange, dann soll der kleine Ort am Main wieder zum Magneten für Weihnachtsfans und Kunsthandwerk-Liebhaber werden. Mitten im malerischen Zentrum – zwischen Kopfsteinpflaster und historischem Fachwerk – startet am Samstag der weithin bekannte Sommerhäuser Weihnachtsmarkt.
Doch bis dahin ist noch einiges zu tun. Aus dem Inneren der Lok sind Geräusche eines Akkuschraubers zu hören, dann ein Klopfen. Wenige Momente später erscheint Dieter Schmitt am Fenster. "Übers Jahr staubt das immer ganz schön ein", sagt der Sommerhäuser und wischt mit einem Lappen über den Tresen. Aber auch Gas, Beleuchtung und sonstige Technik im Inneren seien noch nicht ganz einsatzbereit.
Seit fast 40 Jahren dasselbe erfolgreiche Konzept
Den Stand in der Hauptstraße betreibt an den Adventswochenenden der Künstlerclub Art & Weise. Dieter Schmitt ist Vorsitzender des Vereins. "Mit den Einnahmen aus dem Weihnachtsmarkt finanzieren wir die Veranstaltungen über das ganze Jahr", sagt er. Dafür gibt es aber auch einiges zu tun. Bevor der Markt beginne, sei er vier Wochen lang beinahe jeden Tag mit Vorbereitungen beschäftigt, so Schmitt.
Allerdings ist es nicht nur die Maroni-Lok, die aufgestellt und eingerichtet werden muss. Schmitt, von Beruf Goldschmied, ist gleichzeitig selber einer der über 80 Ausstellenden und war noch dazu Gründungsmitglied des Kunst- und Heimatvereins, der die Organisation des Weihnachtsmarkts seit Jahrzehnten übernimmt.
"Nächstes Jahr hat der Weihnachtsmarkt sein 40. Jubiläum", sagt Annadora Diller-Köninger und ein gewisser Stolz ist ihr anzumerken. Die Künstlerin hat den Weihnachtsmarkt 1984 gegründet und noch heute laufen bei ihr die Fäden zusammen. Egal ob es um die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer geht, die Absprachen mit der Gemeinde oder die Dekoration des Altorts mit Tannenbäumen – die 89-Jährige hat den Überblick.
Viel verändert habe sich über die Jahre nicht, meint Diller-Köninger. Und das solle es auch gar nicht. "Wir wollen keinen Weihnachtsmarkt, auf dem es vor allem um Glühwein geht", sagt sie. Statt Bude an Bude aneinandergereiht sind die Aussteller in Sommerhausen über das gesamte historische Zentrum verteilt. Bunte Lichter und Kitsch finde man hier nicht, meint die Gründerin. Stattdessen gehe es um Tradition – und den Fokus auf Künstler und Handwerker.
Der Weihnachtsmarkt ist auch ein Wirtschaftsfaktor
Eine, die schon seit mehr als 20 Jahren die Ergebnisse ihres Handwerks auf dem Weihnachtsmarkt ausstellt, ist Heidrun Traupe. In ihrem Atelier nutzt die Keramikerin zurzeit jede freie Fläche, um Töpferware in verschiedenen Fertigungsstadien zu lagern.
"Die Sachen hier habe ich letzte Woche gedreht", sagt sie und deutet auf ein Regal. "Die sind gerade am Trocknen." Erst danach seien die Tassen und Schalen bereit für den Brennofen, bevor sie im Anschluss glasiert und schließlich noch einmal gebrannt werden, erklärt Traupe. "Vom Drehen bis zum Endprodukt dauert es zwei bis vier Wochen."
In der Zeit zwischen den Adventswochenenden, wenn sie Hof und Atelier für Gäste öffnet, könne sie deshalb kaum noch neue Produkte für den Weihnachtsmarkt herstellen. Umso mehr Arbeit koste die Veranstaltung im Vorfeld, sagt Traupe. Erste Vorbereitungen treffe sie üblicherweise schon Anfang Oktober. Doch den Aufwand sei es wert, ist sie überzeugt. Etwa ein Viertel ihres gesamten Jahresumsatzes mache sie über den Verkauf auf dem Weihnachtsmarkt. Vor allem getöpferte Engel seien bei den Besucherinnen und Besuchern beliebt, sagt Traupe.
Aber auch hinter dem Konzept stehe sie voll und ganz. "Die schöne Atmosphäre und die Möglichkeit, im ganzen Ort auf Entdeckungstour zu gehen, machen den Weihnachtsmarkt für mich zu etwas Besonderem", sagt die Keramikerin.
Vor Corona wurde der Weihnachtsmarkt förmlich überrannt
Das hat sich herumgesprochen. Zu Spitzenzeiten wurde der Weihnachtsmarkt förmlich von Touristen überrannt. Von bis zu 3000 Besucherinnen und Besucher pro Tag, spricht Waltraud Schiedermair, die Leiterin der örtlichen Tourist-Information. Sogar bis aus der Schweiz seien ganze Busse voller Weihnachtsfans in den kleinen Ort gekommen. Beim ersten Markt nach Corona im vergangenen Jahr sei es hingegen ruhiger zugegangen. Wie viele Gäste es in diesem Jahr sein werden? Für Schiedermair ist das nur schwer vorherzusagen. "Die Stimmung ist jetzt ja wieder ganz anders als vor zwölf Monaten", sagt sie.
Für sie bringe der Weihnachtsmarkt vor allem Vermarktungsaufgaben mit sich, sagt Schiedermair. Flyer versenden, Informationen online stellen, aber auch Ansprechperson sein für die Gäste, zählt sie auf. Den Weihnachtsmarkt sieht sie als großes Gemeinschaftsprojekt. Ob Mitarbeitende des Bauhofs, die Freiwillige Feuerwehr, Gastronomen, Kirchengemeinde oder Vereine – nur durch das Zusammenhelfen vieler Sommerhäuser, gelinge die Veranstaltung in dieser Form, so die Leiterin der Tourist-Information.
Viele Helferinnen und Helfer packen seit Jahren mit an
Das bestätigt Annadora Diller-Köninger. "Die Leute rund um den Weihnachtsmarkt – das ist für mich Familie", sagt sie. Auch sie sei dankbar für viele Helferinnen und Helfer, die seit Jahren im Hintergrund aktiv sind.
Da ist etwa Richard Hümmer. Neben dem Budenaufbau packe er vor allem an, wenn es um Schreiner-Aufgaben geht, sagt der 72-Jährige. "Wenn zum Beispiel in einer Bude noch ein Brett als Ablage gebraucht wird, rufen sie mich an." Daneben betreibe er mit seinem Enkel einen eigenen Stand mit Sternen und anderen handgefertigten Artikeln aus Holz.
Aber auch über Sommerhausen hinaus hat der Weihnachtsmarkt freiwillige Helferinnen und Helfer. "Los ging es vor fünf Jahren mit dem Spülen", sagt Mario Grammel, der selber aus der Rhön stammt und mittlerweile in Würzburg lebt. "Dann sind immer mehr Aufgaben dazugekommen." Er koche etwa Suppe, springe am Waffel-Stand ein oder kümmere sich darum, dass in den Kassen der Essens- und Getränkebuden immer genug Wechselgeld parat ist. Dafür nehme er sich jedes Jahr extra frei, um schon an den Freitagen Zeit für die Vorbereitungen zu haben, sagt Grammel. "Es macht Spaß und man bekommt so viel Wertschätzung. Das ist es mir wert."
Am kommenden Samstag geht es dann auch für die Besucherinnen und Besucher los. Vom 2. bis zum 17. Dezember hat der Weihnachtsmarkt immer samstags und sonntags von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Die feierliche Eröffnung findet am 3. Dezember um 16 Uhr vor der St. Bartholomäus-Kirche statt.