Als vermeintlicher "Disco-Killer" war er sofort in den Schlagzeilen. Nun ist der 23-Jährige, der im September 2023 nach einem Streit vor einem Würzburger Club einen Mann erstochen hat, frei. Nicht, weil seine Unschuld belegt wurde. Sondern, weil das Gericht Zweifel an seiner Schuld hat.
Für die Freunde und Familie des Getöteten ist dieses Urteil wohl kaum zu ertragen. Im Zweifel für den Angeklagten - diese juristische Grundregel hat die Kammer des Würzburger Landgerichts konsequent angewandt. Denn Zweifel, genährt durch die im Prozess aufgedeckten Falschbehauptungen von Zeuginnen und Zeugen, gab es viele.
Verfahren war öffentlich, Hintergründe sind transparent
Dass der Angeklagte massiv geschlagen wurde, bestreitet keiner der Prozessbeteiligten mehr. Auch für das Umfeld des Getöteten sollte dieser Umstand inzwischen eindeutig sein. Dieser Prozess und die gesamte Beweisaufnahme waren öffentlich. Freunde des Opfers waren an allen Prozesstagen im Saal dabei.
Wollte der Getötete schlichten? Oder trug er selbst zur Eskalation bei? Die Unklarheit über die Sekunden vor den tödlichen Stichen bleibt.
Richterinnen und Richter, Schöffinnen und Schöffen sind auch nur Menschen. Aber sie haben eine Ermessensentscheidung nach klar vorgegeben Regeln getroffen. Das hier gefällte Urteil ist durch das öffentliche Justizsystem für Beobachterinnen und Beobachter des Prozesses transparent - und nachvollziehbar - gemacht worden. Zugleich ist die Entscheidung juristisch angreifbar: Revision ist möglich, die Staatsanwaltschaft hat dies bereits angekündigt.
Prozess am Landgericht Würzburg kennt nicht "nur Verlierer"
Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster hat am Ende seiner Urteilsbegründung nur mit einer Aussage unrecht: Dieser Prozess kennt nicht "nur Verlierer". Für den Rechtsstaat war die transparent geführte Hauptverhandlung ein Sieg.
Sehe ich anders.
Gewonnen hat (vor allen Dingen) der Mann mit dem Messer. Und alle anderen/ Gleichgesinnten, die es als akzeptables Verhalten ansehen, (mit dem Messer in der Tasche) Frauen zu belästigen wenn nicht gar zu nötigen. Für den Rechtsstaat war es (somit) wohl eher ein Pyrrhussieg.
Erst vor wenigen Woche wurde an dieser Stelle gefragt, wie sicher sich Frauen nachts bewegen können: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/ungewollt-beruehrt-auf-dem-heimweg-verfolgt-k-o-tropfen-im-glas-wie-sorgenfrei-gehen-frauen-noch-feiern-art-11486268
Das darf man sich also wieder um einen Tacken verstärkt fragen. Und es bleibt ein (sehr) leeres Gefühl an der Stelle, wo man sich mehr Schutz für Schwächere wünschen würde - was sich doch eigentlich unser werter Rechtsstaat (mit seinem Gewaltmonopol) zugewiesen hat. Oder muss man das als Kapitulation gegenüber dem Motto "Frechheit siegt" bewerten?
Was mich interessiert, ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft. Ist es nur gekränkte Berufsehre, oder was steckt da noch hinter dem Revisionsantrag?
Und hätte das Strafgericht auch eine Revision ausschließen können?
das Rechtsmittel der Revision steht grundsätzlich offen, muss jedoch durch das zuständige Oberlandesgericht zugelassen werden. Voraussetzung sind Rechtsfehler - also falsche Anwendung der jeweiligen Paragrafen.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Autor)
das freut mich. Und auch ansonsten: Demokratie lebt von Diskurs. Von daher bin ich für mehr Mut zur Diskussion - gerade wenn Ansichten voneinander abweichen.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Autor)
dazu gehört aber auch Meinungen zu zulassen und nicht zu zensieren!