
Tanja Mühling ist Professorin und Frauenbeauftragte an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der THWS. Das Rollenbild, in dem sich hauptsächlich die Frau um die Kinder kümmere, sitze noch immer sehr tief, sagt sie. Das könne zum Nachteil für Frauen werden, die eine wissenschaftliche Karriere anstrebten. Doch es sei auch viel in Bewegung gekommen - sowohl in den Familien, als auch an den Hochschulen. Wir haben mit der Professorin gesprochen - über die Geschlechterverteilung an der THWS, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft.
Prof. Tanja Mühling: Rund jede fünfte Professur ist mit Frauen besetzt. Wir liegen damit grob im bayerischen Schnitt, haben aber doch großen Nachholbedarf, wenn wir auch künftig unsere Professuren hochkarätig besetzen und Chancengerechtigkeit herstellen wollen. In den Sozialwissenschaften ist der Frauenanteil mit 45 Prozent am höchsten, auch weil die Studiengänge sehr weiblich besetzt sind. Andere Fakultäten tun sich deutlich schwerer. Und wenn Fachbereiche sehr männerdominiert sind, schreckt das potentielle Bewerberinnen eher ab, weil wir Menschen nicht gern in der Minderheit sein wollen.
Prof. Mühling: Dadurch, dass man künftige Studentinnen gezielt für die MINT-Studiengänge anwirbt. Abiturientinnen haben im Schnitt bessere Noten als ihre Mitschüler und daher eigentlich eine gute Auswahl. Aktionstage wie der Girls- und Boys-Day oder Mentoringprogramme helfen, denn Ideen und Vorbilder sind wichtig. Dadurch sind die Frauenanteile etwa in den Ingenieurswissenschaften aber nicht explodiert. Das hat auch mit Geschlechterrollen zu tun, der Sozialisierung und Interessen. Es ist zudem in allen Fachbereichen wichtig, dass wir Frauen nach ihrem Masterabschluss dabei unterstützen zu promovieren, denn das ist Voraussetzung für eine Professur.
Prof. Mühling: Es geht immer wieder auf die Rollenverteilung zurück. Bei einer gewünschten Familiengründung überlegen Frauen erst einmal, ob sie es schaffen, sich vorher beruflich zu etablieren und Arbeitserfahrung zu sammeln, denn mit Kindern zu promovieren, ist herausfordernd. Da man an Hochschulen für angewandte Wissenschaften eine Promotion und mehrjährige Berufserfahrung haben muss, wurde an der THWS mittlerweile etabliert, dass man im Rahmen einer Nachwuchsprofessur eines von beiden nachholen kann.
Wie haben Sie den Einstieg als Professorin erlebt?
Prof. Mühling: Sehr herausfordernd. Meine Tochter kam gerade auf das Gymnasium und mein Sohn wurde eingeschult, dazu bin ich gependelt. Gerade die ersten Jahre sind sehr zeitaufwendig, weil man sein ganzes Lehrprogramm aufstellen muss. Da sitzt man schon lange Nächte am Schreibtisch.
Prof. Mühling: In Teilzeit einzusteigen. Das ist eigentlich nicht vorgesehen, aber auch da ist vieles in Bewegung gekommen. Es steht und fällt auch viel mit dem Kollegium und den Vorgesetzten. Bei uns an der Fakultät gibt es zum Beispiel keine Dienstbesprechungen in den Schulferien.
Prof. Mühling: Zum Beispiel durch Home Office. An der THWS ist das heute beim wissenschaftlichen und wissenschaftsunterstützenden Personal zu 60 Prozent der Arbeitszeit möglich. Wir haben zudem eine Studie für eine hochschulnahe Kinderbetreuung gemacht: Der Bedarf ist da. Für die Beschäftigten-Kinder gibt es auch Ferienangebote durch Kooperationen in Würzburg und Schweinfurt. Wir sind auch mit der Universität Würzburg und der Hochschule für Musik im Rahmen von "Familie3" vernetzt, da gibt es regelmäßig Vorträge und gemeinsame Aktivitäten für Familien.
Prof. Mühling: Wir wollen als familienfreundliche Hochschule rezertifiziert werden. Im aktuellen Maßnahmenkatalog geht es neben dem Kita-Projekt um eine Beratungsstelle für Hochschulmitglieder mit Kinderbetreuungs- oder Pflegeaufgaben. Da gibt es schon eine Vernetzung mit dem Pflegestützpunkt in Würzburg. Außerdem soll es künftig einen oder eine Familienbeauftragte geben.
Prof. Mühling: Ich glaube, dass wir da insgesamt schon weit sind und die Chancen im wissenschaftlichen Bereich für eine Frau relativ gut sind. Aber man darf nicht unterschätzen, dass es durchaus noch Benachteiligungen gibt. Ich glaube, dass die Haupt-Trennlinie nicht zwischen Frauen und Männern liegt, sondern eher die Frage, ob Kinder da sind. Wenn man dann die Aufgabenaufteilung hat, dass die Frau mehr Kinderbetreuung und Familienarbeit leistet, ist sie weniger flexibel, was finanziell und karrierebezogen längerfristig zum Nachteil wird.
Prof. Mühling: Ein richtiger Rollentausch ist die Ausnahme, aber junge Väter sind heute schon engagierter. Deutschlandweit nehmen rund 46 Prozent von ihnen Elternzeit. Aber: 80 Prozent davon nutzen nur die sogenannten Partnermonate. Diese zwei Monate sind wertvoll, aber sie führen nicht zu einer egalitären Rollenverteilung.
Prof. Mühling: Frauen wird immer noch zugeschrieben, dass sie das gerne machen, das sitzt sehr tief. Da gibt es oft mehr Verständnis, wenn sie mal eher gehen müssen. Außerdem ist es oft organisatorisch leichter, wenn sich eine Person darauf fokussiert. Manchmal holt einen da die Realität ein und es kommt nach der Geburt zu einer Retraditionalisierung.