
In den nächsten Wochen steht der 1933 erschienene Roman "Frau ohne Reue" des Würzburger Schriftstellers und Arztes Max Mohr im Mittelpunkt der Aktion "Würzburg liest ein Buch". Mohr war, wie der ebenfalls in Würzburg geborene Leonhard Frank, in der Weimarer Republik ein bekannter Autor; beider Werke wurden verfilmt und auf zahlreichen Bühnen aufgeführt. Während Frank nach 1945 eine Renaissance erlebte, fielen Mohrs Arbeiten weitgehend dem Vergessen anheim.
Max Mohr kam am 17. Oktober 1891 als Sohn eines jüdischen Malzfabrikanten in Würzburg zur Welt. Er wuchs im Mainviertel, wo sich die Fabrik befand, und im Eckhaus Rottendofer Straße / Martin-Luther-Straße auf und besuchte das Neue Gymnasium (heute Riemenschneider Gymnasium), wo ihm ein Lehrer bescheinigte, einen "hellen Kopf" zu haben, aber "unruhig" zu sein.
Ein zerrissener Mensch
Tatsächlich war Max Mohr ein zerrissener Mensch, der nie das fand, das ihn auf Dauer glücklich machte. Einerseits war er ein Weltbürger, unternahm eine mehrmonatige abenteuerliche Reise in den Orient und lebte zeitweise in der pulsierenden Großstadt Berlin. Anderseits sehnte er sich nach der unberührten, heilenden Natur und wohnte mit seiner Familie viele Jahre auf einem Einödhof im Voralpengebiet am Tegernsee.
Mohr war lange unfähig, sich zwischen den Berufen Arzt und Schriftsteller zu entscheiden. Erst als die Nazis das Judentum Mohrs, der sich in seinem Leben und in seinem Werk von Religion fern hielt, gegen ihn wandten, praktizierte er in der Emigration in Shanghai wieder als Arzt. Als eigentliche Berufung sah er jedoch stets die Schriftstellerei.
Max Mohr führte schon in der Jugend ein unstetes Leben und riss beispielsweise aus der Schule aus. Dies führt dazu, dass sein besorgter Vater 1909 eine Vermisstenanzeige im Würzburger General-Anzeiger aufgab. Nach Tätigkeit als Feldarzt im Ersten Weltkrieg und Gefangenschaft in England promovierte er zum Dr. med. und heiratete 1920 die Hamburger Anwaltstochter Käthe Westphal. Mit ihr zog er auf den Einödhof "Wolfsgrub" bei Rottach-Egern und konzentrierte sich auf seine literarische Arbeit, statt eine Landarztpraxis aufzubauen. 1926 wurde die Tochter Eva geboren.
Deutschlandweiter Ruhm
Viele der Stücke, die er hier schrieb, erwiesen sich als wenig erfolgreich, doch zwei brachten im deutschlandweiten Ruhm und machten ihn zu einem der Literatur-Stars der zwanziger Jahre. "Improvisationen im Juni" (1922) und "Ramper" (1925) feierten Erfolge auf allen wichtigen deutschen Bühnen. "Ramper" wurde mit dem Stummfilmstar Paul Wegener 1927 verfilmt und lief als "The Strange Case of Captain Ramper" auch in den USA.
In den frühen 1930er-Jahren verbrachte Max Mohr immer mehr Zeit im von Arbeitslosigkeit, Hunger und Wirtschaftskrise geprägten Berlin, um Kontakte zu Verlagen und Filmfirmen herzustellen. Er stand in engem Briefkontakt mit den schriftstellerischen Größen seiner Zeit wie Thomas Mann und Oskar Maria Graf sowie mit Schauspielern wie Heinrich George und Paul Wegener. Bedeutend ist die enge Freundschaft mit dem britischen Autor D.H. Lawrence ("Lady Chatterleys Liebhaber"), mit dem er die Kritik an der Technikhörigkeit und Oberflächlichkeit seiner Zeit und eine mystische Naturbegeisterung teilte und den er als Arzt betreute.
1927 erschien Max Mohrs Roman "Venus in den Fischen", eine turbulente satirische Geschichte um Astrologie, Großstadtleben, Geburtshilfe und das Verhältnis der Geschlechter. 1933 kam der Roman "Frau ohne Reue" heraus. Mohrs Menschen "fliehen vor den Falschheiten der Zeit und suchen ihr eigenes Leben, um darin glücklich zu sein", hieß es im Klappentext der Erstausgabe. Im Gegensatz zum vorherigen Buch ist jedoch in "Frau ohne Reue" allen Hauptfiguren dieses ersehnte glückliche Leben verwehrt.
Exil in Shangai
Dasselbe geschah dem Juden Max Mohr im nationalsozialistisch gewordenen Deutschland. Er sah nach der Nichtaufnahme in den Reichsverband Deutscher Schriftsteller keine Möglichkeiten mehr, in Deutschland Erfolg zu haben und ging 1934 als Arzt nach Shanghai, das sich zum Refugium für Flüchtlinge aus Nazideutschland entwickelte.
Käthe und Eva blieben in der Wolfsgrub zurück. Fast 200 Briefe Max Mohrs aus dem Exil an Frau und Tochter sind erhalten. In ihnen ist immer wieder von einem kommenden Wiedersehen die Rede, das aber nicht zustande kommen konnte. In Shanghai starb der Workaholic und Kettenraucher 1937 während des japanisch-chinesischen Krieges im Alter von 46 Jahren an einem Herzinfarkt. Bis zur Erschöpfung hatte er in seiner Praxis und unentgeltlich in einem Lazarett gearbeitet und nachts seinen dritten Roman "Das Einhorn" umgeschrieben, ohne das Manuskript fertigstellen zu können. Im selben Jahr 1937 wurden seine Bücher in Deutschland verboten.
Durch den Tod Max Mohrs im Exil konnte sein Name nicht mehr jene Bedeutung erlangen, die er in der Zwischenkriegszeit gehabt hatte. Um an ihn zu erinnern, drehte Mohrs Enkel, der Filmregisseur Nicolas Humbert, 1986 den Dokumentarfilm "Wolfsgrub", der die Mutter Eva und die Großeltern Käthe und Max Mohr porträtiert. Im Jahr 2002 lief "Ramper" mit Britta Schramm und Rainer Appel im Würzburger Theater Chambinzky.
Jetzt will die Aktion "Würzburg liest ein Buch" die vielen Facetten im Leben und Werk Max Mohrs, des unbekannten Schriftstellers aus Würzburg, vorstellen.