Als 1996 die Geriatrische Reha-Klinik der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Würzburg eröffnet wurde, galt dies als Meilenstein in der medizinischen Versorgung alter Menschen. Zahlreichen Seniorinnen und Senioren wurde dort in den vergangenen 25 Jahren nach schweren Erkrankungen geholfen und so die Rückkehr in ihren gewohnten Alltag möglich gemacht. Doch das wirtschaftliche Fundament dieses therapeutischen Angebots ist brüchig geworden - so sehr, dass der langfristige Bestand der Klinik in Frage steht.
An diesem Donnerstag wird der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Reha-Einrichtung der AWO besuchen. Und er wird sich dabei vor allem mit den Problemen und Forderungen des Klinik auseinandersetzen müssen. Ein Überblick über das Angebot und die akute Lage in Fragen und Antworten.
Was bedeutet geriatrische Rehabilitation?
Als eine von drei Modellkliniken in Bayern gehörte die AWO-Klinik in Würzburg mit ihren 90 Betten zu den Pionieren der geriatrischen Reha im Freistaat. Über 1000 betagte Menschen werden dort pro Jahr therapiert. Es sind in der Mehrzahl Patientinnen und Patienten nach Sturzverletzungen, akuten Herzerkrankungen oder Schlaganfällen, die in der geriatrischen Rehabilitation wieder fit gemacht werden, sagt Chefärztin Dr. Kathrin Tatschner. Über 80 Prozent von ihnen können nach der Reha wieder in ihr häusliches Umfeld zurück.
Wie wirksam ist geriatrische Rehabilitation?
Ablesbar ist die Wirksamkeit der Reha am sogenannten Barthel-Index, der auf einer Skala zwischen 0 und 100 Punkten die Fähigkeit der Patienten bemisst, ihren Alltag selbstständig zu bestreiten. Nach der Reha steige dieser Barthel-Index um durchschnittlich 25 Punkte, sagt Chefärztin Tatschner. Weil viele Patientinnen und Patienten an weiteren altersbedingten Symptomen leiden, etwa eingeschränkter Mobilität und leichter Demenz, ist der therapeutische und medizinische Aufwand vergleichsweise hoch. Inzwischen gibt es nach Angaben des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege in Bayern 2800 stationäre Plätze in der geriatrischen Reha. Aufgrund einer älter werdenden Gesellschaft geht Tatschner von einem weiter steigenden Bedarf aus.
Wem nützt die geriatrische Reha?
Im Vordergrund stehe der Erhalt der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten, sagt Klinik-Direktor Andreas Zenker. Aber auch die Pflegekassen würden profitieren, weil durch die Reha in vielen Fällen eine erhöhte Pflegebedürftigkeit oder gar der Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung verhindert werden könne. In der Finanzierung bleibe dieser Aspekt unberücksichtigt, weil Reha-Leistungen von der Krankenkassen bezahlt werden: "Ein großes Problem ist das streng sektorale Denken der Kostenträger, die nicht in der Lage sind, einen Fall insgesamt zu bewerten", sagt Zenker deshalb. "Die Pflegekassen sind Nutznießer, aber sie fehlen im Boot der Finanzierung."
Was kostet geriatrische Reha?
Geriatrische Rehakliniken werden nach festen Tagessätzen finanziert, die mit den Kassen ausgehandelt werden. Für die geriatrische Klinik der AWO in Würzburg liegt dieser Tagessatz derzeit bei 235 Euro, sagt Direktor Andreas Zenker. Investitionskosten werden nicht gesondert vergütet. Schon 2016 habe das Weißbuch des Bundesverbands Geriatrie einen Finanzbedarf von 265 Euro pro Tag zuzüglich Investitionsanteil ermittelt. "Es gibt keine faire Finanzierung für das, was wir hier machen", sagt Chefärztin Kathrin Tatschner.
Wie hoch ist das Defizit der Klinik und wer trägt es?
Der AWO-Bezirksvorsitzende Stefan Wolfshörndl beziffert das jährliche Defizit der Reha-Klinik auf einen Betrag zwischen 500.000 und 700.000 Euro. Dieser Betrag müsse vom Bezirksverband übernommen und durch andere Einrichtungen der AWO querfinanziert werden: "Wir sind voll und ganz überzeugt von der Einrichtung, aber wir müssen uns die Frage stellen, wie lange wir uns dieses Angebot noch leisten können", sagt Wolfshörndl. Dabei gehe es auch um Modernisierungen im Umfang von mehreren Millionen, die 26 Jahre nach Eröffnung der Hauses nötig werden. "Eine Zukunft kann es nur geben, wenn beim Betrieb eine schwarze Null herauskommt und Investitionen refinanzierbar sind."
Wie kann eine Lösung für die Finanzierung aussehen?
Tarifsteigerungen werden bisher nicht ausreichend in den Tagessätzen abgebildet, sagt Klinik-Direktor Andreas Zenker. Das führe dazu, dass die Lücke zwischen den laufenden Kosten und der Erstattung der Krankenkassen immer weiter auseinanderklafft. "Wir haben einen Personalschlüssel, den wir einhalten müssen, den wir aber nicht ausreichende finanziert bekommen." Anders als beispielsweise Pflegeeinrichtungen bleiben Investitionskosten bei der Festsetzung der Tagessätze unberücksichtigt. Deshalb plädiert Zenker dafür, Reha-Kliniken ähnlich wie die Akut-Kliniken in die staatliche Krankenhausfinanzierung einzubeziehen. "Das würde uns so auf die Füße stellen, dass wir auch laufen können", sagt Zenker.
Wie soll dieses Ziel erreicht werden?
Chefärztin Dr. Kathrin Tatschner, zugleich Vorstandsmitglied im Landesverband Geriatrie, schlägt einen Runden Tisch Geriatrie vor. Dort sollen unter Beteiligung von Kostenträgern, Pflegekassen, Krankenhausgesellschaft und Fachverbänden Regeln für die Anforderungen und die auskömmliche Finanzierung der geriatrischen Reha ausgearbeitet werden. Andernfalls fürchtet sie, dass viele Träger sich aus der geriatrischen Reha zurückziehen. "Die sinnvollen gesundheitspolitischen Bemühungen werden konterkariert durch eine seit Jahren desolate Finanzierung", sagt Tatschner.
Armes Deutschland, wie tief bis bei der Behandlung von schutzbedürftigen, alten Menschen gefallen.