Fast sieht es aus, als wäre Corona nie gewesen. Bernd Viertel führt Badeaufsicht und lässt seinen Blick aufmerksam über die beiden Becken des Ochsenfurter Maininselbads schweifen. Beim Sprung vom Drei-Meter-Turm wetteifern Jugendliche um die höchste Wasserfontäne. Im Nichtschwimmerbecken werfen sich Mädchen Schaumstoffbälle zu. Die lange Rutsche wird gerne benutzt. Ein normaler Schwimmbad-Tag – fast normal.
580 Besucher zählt die digitale Kasse am sonnigen Feiertag kurz vor 15 Uhr. Wenig später muss Kassenfrau Elke Sieber den Eingang schießen. Höchstens 600 Besucher dürfen gleichzeitig rein. Die, die draußen stehen bleiben müssen, nehmen's geduldig hin. Es dauert nicht lange, bis andere Badegäste den Heimweg antreten, und sich die Gittertüre wieder öffnet. Probleme mit dem Kontaktnachweis gibt's ebenfalls nicht, sagt Elke Sieber. Viele Besucher haben sich das Formular aus dem Internet heruntergeladen und bringen es bereits ausgefüllt mit- das spart Zeit.
"Ich bin hier seit 25 Jahren Stammgast und freue mich, dass wir wieder ein Stück Normalität zurückgewonnen haben", sagt Marlene Nolte. Die Frau aus Ochsenfurt sitzt am Fuß der Liegeterrasse und lässt sich von der Sonne trocknen. Am Beckenrand keine Grüppchenbildung, Warntafeln mahnen zu Abstand, auch auf der Liegewiese. Marlene Nolte wundert sich, wie diszipliniert alles abläuft.
"Die Leute sind sehr vernünftig", bestätigt Bernd Viertel. Nur selten muss er zur Trillerpfeife greifen. "Letztes Jahr war es schwieriger", sagt er, "inzwischen kennen die Leute die Regeln und die Kinder haben in der Schule mitbekommen, dass sie Abstände einhalten müssen."
Auch die Mitarbeiter haben aus der vergangenen Saison gelernt. Die zweigeteilten Besuchszeiten haben sich nicht bewährt, sagt Günther Rapsch, der beim städtischen Kommunalunternehmen KSO für das Schwimmbad verantwortlich ist. Stattdessen verlässt man sich heuer auf das neue digitale Kassensystem, das die jeweils aktuelle Besucherzahl ablesen lässt. Auch die Online-Buchung hat man wieder abgeschafft. Stattdessen gibt's die Eintrittskarte wie früher an der Kasse, mit dem Risiko, dass die Höchstzahl der Besucher gerade erreicht ist und man warten muss. Um das zu vermeiden, arbeite man daran, die aktuelle Besucherzahl im Internet zu veröffentlichen, sagt Günther Rapsch. Wann es soweit sein wird, könne er aber noch nicht sagen.
Mindestens zehn Quadratmeter sollen jedem Besucher auf der Liegewiese zur Verfügung stehen. Danach ist auch die Höchstzahl bemessen. "Bei den 600 ist noch eine gewisse Sicherheit drin", sagt Rapsch. Während der Vorjahressaison war die Besuchergrenze auf 1200 angehoben worden. "Wenn es die Lage zulässt, werden wir das heuer wieder machen." Auch Bernd Viertel ist zuversichtlich, dass bis zu den großen Ferien wieder mehr Besucher ins Bad dürfen. "Auch das wäre für uns noch zu händeln", sagt er.
Von den bis zu 2500 Badegästen aus Vor-Corona-Zeiten kann Stadtkämmerer und KSO-Vorstand Gerhard Englert heuer nur träumen. Vor allem aber ärgert ihn, dass es lange überhaupt keine klaren Vorgaben der Staatsregierung zur Öffnung der Freibäder gegeben habe. "Anfang Mai hieß es noch, es gäbe überhaupt keine Öffnungsperspektiven, wir hatten trotzdem entschieden, uns vorzubereiten", so Englert. Sechs Wochen dauere es schließlich, das Freibad nach der langen Winterpause wieder einsatzbereit zu machen, alles zu reinigen, Schäden zu reparieren, die der Winterfrost hinterlassen hat, die Becken zu füllen und der Solaranlage wenigstens ein paar Tage die Chance zu geben, um das Wasser anzuwärmen.
Der kleine Johannes aus Ochsenfurt, der mit seinen Eltern zum ersten Mal im Leben im Schwimmbad ist, kann dem Treiben auf der Liegewiese, den vielen Leuten, nur ungläubig zuschauen. Vor einem halben Jahr, am Beginn der Lockdowns, wurde er geboren. Größere Menschansammlungen hat er seitdem kaum erlebt. Seine Eltern Eva und Matthias Beck freuen sich darauf, ihn bald ein erstes Mal im Babybecken planschen zu lassen.
Udo Walter aus Sommerhausen ist an diesem Fronleichnamstag ebenfalls zum ersten Mal in diesem Jahr mit seiner Familie im Ochsenfurter Maininselbad. "Das war auch letztes Jahr unter Corona-Bedingungen ein Genuss", sagt er. Die Besucherbeschränkungen beschreibt er sogar als "extrem angenehm, weil man nicht wie die Sardine in der Büchse liegen muss."
Das setzt allerdings voraus, dass man zu den Glücklichen gehört, die eingelassen werden. Nach 16 Uhr warten schon wieder neue Besucher darauf, dass andere nach Hause gehen und der Zähler unter 600 fällt. Elke Sieber muss dann wieder einmal von ihrer Kasse aufstehen und das Gittertor aufschließen. "So bleibt man in Bewegung", sagt sie und scherzt: "Eigentlich sollte ich heute nach Kilometern bezahlt werden."