90 Prozent der Fahrräder, die man in Deutschland kaufen kann, kommen aus Asien: Was Branchenkenner betonen, treibt Christian Gemperlein in Veitshöchheim in besonderer Weise um. Mit seinem Unternehmen stemmt er sich gegen diese Dominanz von Taiwan, China oder Vietnam – mit Erfolg. Gemperleins Auffassung von "Made in Germany" ist auch ein Bekenntnis zum Produktionsstandort Europa.
"Ich war schon immer ein Schrauber", sagt der 42-Jährige. Deshalb studierte er Kunststofftechnik an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) und setzte sich in seiner Diplomarbeit mit dem Einsatz von Karbon bei Mountainbikes auseinander. Die Kohlenstofffasern sind leichter als Metall und gelten unter anderem deshalb auch in der Autoindustrie als Material der Zukunft.
Weil Gemperlein in seinem Heimatort Werneck (Lkr. Schweinfurt) nebenher einen kleinen Fahrradladen betrieb, passten die Theorie aus dem Studium und die Praxis zusammen. So gründete er 2011 die All Ahead Composites GmbH, die heute im Gewerbegebiet von Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) ihren Sitz hat und mit 40 Beschäftigten Fahrradteile wie Rahmen, Gabeln oder Felgen aus Karbon herstellt. Die Mehrheit in der Branche produziert in Asien - All Ahead aus Prinzip in Deutschland.
Schneller als Asien: Wo der Firmenchef von All Ahead Vorteile sieht
Dass Gemperlein mit diesem Markenzeichen seit Jahren durchhält, schreibt er mehreren Faktoren zu. So setzten die Asiaten beim Fahrradbau auf billige Arbeitskräfte, sagt der 42-Jährige. Er hingegen arbeite mehr mit Maschinen. Da sei genauer und vermeide teure, zeitraubende Nacharbeit. So könne All Ahead im Vergleich zu asiatischen Produzenten die Waren in einem Drittel der Zeit fertigstellen.
"Wir punkten mit der Schnelligkeit, mit der wir liefern können", sagt der Geschäftsführer. Dafür komme All Ahead nur auf 1000 Karbon-Fahrradrahmen pro Jahr. Die Konkurrenz in Fernost habe einen deutlich höheren Ausstoß und deutlich höhere Margen.
Risiko Weltpolitik: Welche Rolle der Suezkanal spielt
Doch das sieht Gemperlein gleichzeitig auch als seinen Vorteil an: Er könne auf kurzfristige Aufträge schneller mit individueller Stückzahl reagieren. Produzenten in Asien seien da starrer, weil ihre Waren containerweise angeliefert würden – zudem nach langer Seereise.
Dieser Transport um die halbe Welt hat aktuell ein Problem: Durch den für den Welthandel so wichtigen Suezkanal kommt seit zwei Monaten nur noch die Hälfte der sonst üblichen Frachtmenge, weil die jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer Schiffe angreifen. Also steuern immer mehr Kapitäne ihre Frachter um Afrika herum, um diese Gefahrenstelle zu meiden.
Flexibler und nachhaltiger: Auch Winora aus Sennfeld will zurück zur Produktion in Europa
Die Fahrt dauere dann bis zu drei Wochen länger als der Transport durch den Suezkanal, hat Geschäftsführer Christoph Mannel vom Fahrradanbieter Winora-Staiger in Sennfeld bei Schweinfurt beobachtet. Er bezieht seine Rad-Komponenten zum großen Teil aus Taiwan.
Noch, denn sein Unternehmen wolle zur Produktion in Europa zurückkehren, sagt Mannel. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: die Risiken der Weltpolitik, höhere Flexibilität bei heimischer Produktion sowie Nachhaltigkeit. "Der Trend geht klar dahin", spricht der Winora-Chef für die Branche. Und: "Der Kunde fragt immer mehr danach", woher ein Fahrrad kommt.
Auch Mannel hat beobachtet, dass die Hersteller in Asien auf Handarbeit setzten. Der Grad der Automatisierung dort sei gering, das sei eine Chance für die modernere Fahrradindustrie in Europa.
SRAM in Schweinfurt: Trend geht wieder Richtung Europa
Dass sich der Trend "insbesondere bei hochpreisigen Produkten" von Asien allmählich in Richtung Europa drehe, betont auch Geschäftsleiter Bernhard Johanni von SRAM in Schweinfurt. Das Unternehmen produziere seine Fahrräder derzeit in Taiwan, aber unter anderem auch in Portugal. Letztlich sei der Standort egal, sagt Johanni: "SRAM ist flexibel und passt sich den Marktgegebenheiten immer wieder an."
Auch All-Ahead-Chef Gemperlein ist nicht ganz auf Deutschland fixiert. Mit 15 Prozent ist er an dem Unternehmen Carbon Team beteiligt, das südlich der portugiesischen Hafenstadt Porto Elemente für Karbon-Fahrräder herstellt. Wenn ein Auftrag die Stückzahl-Kapazitäten von All Ahead in Veitshöchheim übersteige, gebe er ihn an Carbon Team weiter. Die Entwicklung der Teile bleibe aber am Firmensitz.
Der All Ahead-Chef setzt aus Prinzip auf "Made in Germany"
Der Firmenchef macht keinen Hehl daraus, dass er seine Preise vielleicht senken könnte, wenn er auf asiatische Hersteller setzen würde. Doch das mache er aus Prinzip nicht, "Made in Germany" sei ihm wichtiger: "So ist halt mein Ego."
Der Erfolg gibt dem 42-Jährigen recht: All Ahead schreibt seit Jahren schwarze Zahlen, der Umsatz lag zuletzt bei drei Millionen Euro. Mittlerweile dreht Gemperlein den Spieß um: Er bezieht keine Karbon-Fahrradteile aus Asien, er liefert sie dorthin. "Die stehen auf Made in Germany."
Bei normalen Fahrrädern für wenige tausend Euro schaut das mit "Made in Germany" schon anders aus. Zusammenstecken aus Teilen die überall auf der Welt zugekauft werden ist da angesagt.