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Schweinfurt
Fahrradindustrie in der Krise: Warum auch  Hersteller in Schweinfurt trotz des Booms mit Problemen kämpfen
Nach dem Corona-Boom steht die Fahrradbranche vor schwierigen Zeiten. In Schweinfurt gehen sogar Gerüchte über Stellenstreichungen um. Was die Unternehmen sagen.
Lange lag Schweinfurt beim Radeln und Fahrradkauf im Bundestrend. Jetzt kämpfen Hersteller und Unternehmen mit hohen Beständen und den Folgen der Pandemie.
Foto: Anand Anders | Lange lag Schweinfurt beim Radeln und Fahrradkauf im Bundestrend. Jetzt kämpfen Hersteller und Unternehmen mit hohen Beständen und den Folgen der Pandemie.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:15 Uhr

Obwohl die Nachfrage nach E-Bikes und Fahrrädern nach wie vor hoch ist, leiden viele Hersteller noch unter den Folgen der Corona-Pandemie. Nach kürzlichen Entlassungen bei den zwei großen Fahrradherstellern Flyer in der Schweiz und der oberpfälzischen Fahrradmarke Ghost, gab es auch Gerüchte um Stellenabbau innerhalb der Fahrradbetriebe in Schweinfurt. 

An seinem Hauptstandort in Waldsassen musste Ghost, welches seit 2008 zur niederländischen Aktiengesellschaft Accell-Group gehört, zuletzt 80 seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der dortigen Produktion entlassen. Zu Accell gehören auch Marken wie Haibike, Lapierre, Winora, Koga Miyata, Raleigh, die ebenfalls in Schweinfurt vertrieben werden. Mit 400 Angestellten am Standort in Sennfeld gehört die Winora zu einem der größten Arbeitgeber in der Region.

Keine große Zahl von Entlassungen in Schweinfurt geplant

Auf Nachfrage, bestätigte eine Accell-Sprecherin gegenüber der Redaktion, dass bei Winora in Sennfeld, "keine größere Anzahl" an Stellen abgebaut werden soll. Recherchen der Redaktion haben ergeben, dass sich das Unternehmen aktuell in Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Betriebsrat befindet.

Doch Accell ist offenbar nicht der einzige Fahrradhersteller in Schweinfurt, der aktuell mit den schwierigen Bedingungen des Fahrradmarkts zu kämpfen hat. Auch die Pierer New Mobility Group mit Sitz im Schweinfurter Hafen steht laut Geschäftsführer Bernd Lesch vor großen Herausforderungen. In Schweinfurt arbeiten derzeit 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Unternehmen. "Auch wir müssen uns neu strukturieren", so der Geschäftsführer auf Anfrage der Redaktion. 

Ob es bei den beiden Firmen zum Abbau von Arbeitsplätzen kommt, steht noch nicht fest. Die Anzahl an Stellen, die von einem Abbau betroffen sein könnten, bewegen sich im einstelligen Bereich. Pierer New Mobility hatte sich erst kürzlich von der Schweinfurter Fahrradmarke R Raymon abgespalten. In einer Pressemitteilung hatten die beiden Geschäftsführer von Raymon, Felix und Susanne Puello, kürzlich verkündet, dass die Marke künftig unter der R Raymon Bicycles GmbH selbstständig weitergeführt wird. Das Unternehmen befindet sich noch im Aufbau. Die Abspaltung habe jedoch nichts mit der aktuellen Situation zu tun, so die jeweilige Geschäftsführung.

Schwierige Lage trotz stabiler Umsätze

Der Fahrradmarkt an sich befinde sich derzeit in einer schwierigen Lage. Die Gründe dafür reichen zurück bis in die Corona-Pandemie, erklärt Bernd Lesch. Während Corona erlebte der Verkauf von Fahrrädern und E-Bikes zunächst einen regelrechten Boom. Viele Hersteller hätten daraufhin enorm Mengen an Ware bestellt, woraufhin die Lieferketten in Kombination mit der Pandemie zusammengebrochen seien. "Es hat keine Container mehr gegeben und die Schiffe waren überfüllt", so Lesch.

Der Hersteller Pierer New Mobility in Schweinfurt muss sich aktuelle neu strukturieren.
Foto: Patty Varasano | Der Hersteller Pierer New Mobility in Schweinfurt muss sich aktuelle neu strukturieren.

Durch die Verschiebungen der Lieferketten sei letztlich vieles durcheinander gekommen und die Ware viel später in Deutschland angekommen als benötigt. Mittlerweile seien die Kapitalreserven einiger Händler erschöpft, trotz stabiler Absatzzahlen und Umsätze auf Vorkrisenniveau.

Markt boomt trotz Inflation

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Susanne Puello, Geschäftsführerin von Rymon. "Das Thema ist schwierig." Der Markt knicke jedoch nicht beim Konsumenten ein, sondern schlicht am Schwall des Corona-Rückstaus, so Puello. "Die Räder, die wir 2021/2022 gebraucht hätten, sind erst 2023 gekommen." Die hohe Nachfrage während der Pandemie habe viele Hersteller dazu verleitet, in schier unerschöpflichen Mengen einzukaufen.

Vor allem größere Hersteller würden nun unter den hohen Beständen leiden. "Ich glaube, dass 2024 ein schwieriges Jahr für die gesamte Industrie im Abverkauf sein wird", sagt Puello. Dennoch ist die Geschäftsführerin davon überzeugt, dass es danach in der Branche stabil weitergehen wird. Auch, wenn der Konsum insgesamt einen Deckel durch die Inflation erhalten habe: "Der Markt ist nach wie vor ein boomender und laufender Markt." Was die Lieferketten betrifft, sei man mittlerweile wieder zu normalen Zyklen zurückgekehrt.

Gute Zeit für Schnäppchenjäger 

Bernhard Johanni, Geschäftsführer von SRAM in Schweinfurt, sieht die Situation ähnlich. "Es war ein sehr heißer Markt und jetzt sind die Pipelines voll", fasst er zusammen. Sollte es tatsächlich zu einem Stellenabbau innerhalb der Branche kommen, betreffe das seiner Einschätzung nach in erster Linie die Bereiche Großhandel und Fertigung und nicht etwa die Entwicklung von Fahrradkomponenten.

Trotz der angespannten Lage ist Johanni überzeugt, dass das Rad weiterhin seinen positiven Stellenwert behält und die Verkaufszahlen stabil bleiben. Pro Jahr werden zirka fünf Millionen Fahrräder verkauft. "Das wird auch dieses Jahr der Fall sein", ist Johanni sicher. Klar sei auch: "Wer ein Schnäppchen machen will, sollte jetzt ein Fahrrad kaufen."  

 
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Kommentare
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  • Wolfgang Wehner
    Liebe Mainpost, bitte doch nochmal nachforschen. Mir wurde heute berichtet, dass in Schweinfurt bei Winora ca. 100 Arbeitsplätze wegfallen sollen bzw. dies auch schon begonnen hat.
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  • Rainer Gaiß
    Vielleicht wäre es günstiger, wieder komplett in Deutschland zu produzieren?
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  • Peter Koch
    Wenn wir genug Arbeitskräfte und Platz für Fabriken hätten könnten wir das nicht nur bei Fahrrädern. Wir müssten nur China eingemeinden, vielleicht könnte sogar Indien ausreichen.
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  • Peter Koch
    Accell wurde jüngst vom Private Equity Inverstor KKR & Co Inc. übernommen und der will sicher, dass sich die Investition schnell rentiert. Ich wünsche den Leuten bei Winora viel Glück, sie werden es brauchen.
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  • Philipp Röder
    "Die hohe Nachfrage während der Pandemie habe viele Hersteller dazu verleitet, in schier unerschöpflichen Mengen einzukaufen."
    Da kann man dann auch irgendwo nicht mehr helfen... Irgendwoher wird schon ein Rettungsschirm kommen...
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