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Würzburg
Lohndumping an der Uniklinik Würzburg? Bundesminister Heil und Lauterbach stellen sich hinter die Servicekräfte
Rund 1250 Beschäftigte sind an der Würzburger Uniklinik in eine Niedriglohngesellschaft ausgegliedert. Der lange Streit darum hat die Politik erreicht. Gibt es eine Lösung?
Ein Streiktag von vielen: Schon Anfang Mai demonstrierten Beschäftigte der UKW Service GmbH in Würzburg für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. 
Foto: Daniel Peter | Ein Streiktag von vielen: Schon Anfang Mai demonstrierten Beschäftigte der UKW Service GmbH in Würzburg für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 25.07.2024 02:47 Uhr

Die Auseinandersetzung läuft seit Monaten: Weil sie zu schlechteren Konditionen als das Stammpersonal in einer Niedriglohngesellschaft beschäftigt werden, streiken Servicekräfte der Uniklinik Würzburg immer wieder. Sie fordern eine Angleichung an den Tarifvertrag der Länder, der für das übrige Klinikpersonal gilt.

Rund 1250 der rund 9000 Klinikbeschäftigten sind bei der UKW Service GmbH angestellt. Sie reinigen die Operationssäle, bringen Essen und Medikamente auf die Station oder entsorgen den Müll. Die Service GmbH gehört zu 51 Prozent dem Uniklinikum, zu 49 Prozent dem privaten Reinigungsunternehmen Dorfner.

Stundenlöhne von 13,50 Euro und keine betriebliche Altersversorgung

Nach Auskunft der Uniklinik liegen die Bruttostundenlöhne derzeit bei 13,50 Euro bis 16,68 Euro, hinzu kämen Zuschläge etwa an Feiertagen. Eine betriebliche Altersversorgung erhalten die Beschäftigten der Service GmbH – anders als ihre Kolleginnen und Kollegen der Uniklinik – nicht. 

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert eine "Zweiklassengesellschaft". Vergleichbare Service-Konstrukte gibt es auch an den Unikliniken in Erlangen und Regensburg, dort wurde ebenfalls wiederholt gestreikt. Weil sich dadurch in Regensburg die hygienischen Zustände zugespitzt hatten, verhandelte die dortige Klinikleitung inzwischen mit Verdi. Künftig soll auch für die Servicekräfte der Tarifvertrag der Länder Anwendung finden.

In Würzburg gab es bisher keine direkten Gespräche zwischen Verdi und Unternehmensleitung. Weil nie mehr als 40 bis 60 Beschäftigte den Streikaufrufen folgten, konnten die Ausfälle aufgefangen werden.

Die Uniklinik verweist auf die Gründung der Service GmbH im Jahr 2007: Davor habe man die Aufgaben an mehrere externe Firmen vergeben. Mit der Service GmbH seien die Leistungen erstmals unter dem Dach des Uniklinikums gebündelt worden. Für die Beschäftigten gelte ein Tarifvertrag: der des Gebäudereinigerhandwerks.

Sozialpolitiker Bernd Rützel schaltet zwei Bundesminister ein

Bernd Rützel, SPD-Sozialpolitiker und Bundestagsabgeordneter aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart), lässt das nicht gelten. De facto beschäftige der Freistaat als finanzieller Träger der Uniklinik die Servicekräfte ohne Tarif. Man sei lediglich an das Gebäudereinigerhandwerk "angelehnt".

Beim zweitägigen Streik Mitte Juni zogen Beschäftigte der Service GmbH und Gewerkschaftsvertreter über das Gelände der Uniklinik Würzburg, darunter der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel.
Foto: Thomas Obermeier | Beim zweitägigen Streik Mitte Juni zogen Beschäftigte der Service GmbH und Gewerkschaftsvertreter über das Gelände der Uniklinik Würzburg, darunter der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel.

Rützel, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales, hat seinen Unmut an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Gesundheitsminister Karl Lauterbach herangetragen. Beide SPD-Minister unterstreichen demnach die Tarifautonomie, unterstützen aber die Forderungen der Streikenden.

"Die Arbeit der Leute ist systemrelevant", sagte Heil im Gespräch mit Rützel, das dieser auf Instagram veröffentlichte. Landeseigene Unternehmen sollten nach Tarif bezahlen, öffentliche Aufträge nur noch an tariftreue Firmen vergeben werden. Zustände wie an der Uniklinik Würzburg nennt der Arbeitsminister ein "Ding der Unmöglichkeit". Rützel wird deutlicher: "Das ist eine Sauerei. Kein Mensch könnte da drinnen operiert werden, wenn es diese Leute nicht gäbe." 

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiß um das Renommee des Würzburger Uniklinikums: "Das ist eine erstklassige Klinik, ihre Arbeit ist über die Region hinaus bekannt." Dass Servicekräfte hier keinen Tarifvertrag haben, findet er "bestürzend." Bei öffentlichen Aufträgen müsse nach Tarif bezahlt werden. Klar sei: "Operationen und komplizierte Eingriffe werden nicht nur von Ärzten gemacht."

Antrag gegen Lohndumping im Landtag: Von CSU und FW abgelehnt 

Der Streit um die drei Service GmbHs ist auch im Landtag zum Politikum geworden. Im Juni brachte die SPD-Fraktion einen Antrag gegen Lohndumping an bayerischen Unikliniken ein: Das Auslagern von Dienstleistungen in Tochterfirmen dürfe nicht zum Unterlaufen von Tarifverträgen und Lohndumping bei Servicekräften, Küche und Reinigung führen. Alle Beschäftigungsgruppen an Unikliniken sollten nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt werden.

Der Antrag wurde von CSU und Freien Wählern abgelehnt, SPD und Grüne votierten dafür, die AfD enthielt sich.

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Der Ochsenfurter SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib ist sauer: "Es kann nicht sein, dass Beschäftigte der ausgegliederten Unternehmen für die gleiche Arbeit bis zu 800 Euro monatlich weniger verdienen als Mitarbeiter, die nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt werden." Der Freistaat müsse diese Beschäftigten "anständig bezahlen".

Wissenschaftsministerium sieht sich nicht zuständig

Und was sagt der zuständige Minister? Eine Anfrage der Redaktion lässt Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), von Amts wegen Aufsichtsratsvorsitzender der Würzburger Uniklinik, unbeantwortet.

Auf Nachfrage tut das Ministerium so, als habe der Freistaat nichts mit den Unikliniken zu tun. Dabei hat es hier Milliarden investiert und die Rechtsaufsicht inne. Ein Ministeriumssprecher verweist darauf, dass der Freistaat "nicht an der Servicegesellschaft beteiligt" sei. Zuständig sei das Uniklinikum, in Bayern "rechtlich selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts".

In einer früheren Version wurde die Zahl der Gesamtbeschäftigten mit "rund 7000" angegeben. Der Stand ist überholt. Laut Pressestelle arbeiten derzeit rund 9000 Angestellte am Uniklinikum (inklusive Service GmbH).

 
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  • Peter Fischer
    Wo ist denn der Skandal? Das Gehalt liegt doch deutlich über dem Mindestlohn. Warum sollte ein staatlicher Arbeitgeber mehr als das zahlen, was Gesetz und Marktverhältnisse erfordern? Das wäre m. E. Verschwendung von Steuergeld.
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  • Bernd Dörfner
    Was Herr Halbleib mit der Verschuldung der bayrischen Kranken häuser zu tun.
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  • Georg Metzger
    Warum sind so viele Krankenhäuser nicht nur in und um Würzburg in Millionenhöhe defizitär (Uniklinik, KWM, Krankenhäuser in Ochsenfurt, Lohr, Kitzingen, die Schweinfurter Krankenhäuser...) haben Krankenhäuser einen Insolvenzantrag gestellt (Regiomed mit Krankenhäusern in Coburg, Neustadt bei Coburg, Lichtenfels, Sonneberg, Hildburghausen...) , werden die Rotkreuzkliniken in Wertheim und Lindenberg liquidiert, Herr Halbleib, H. Lauterbach??? Weil die finanziellen Rahmenbedingungen seit Jahren nicht ausreichen und diese Rahmenbedingungen setzt die Bundesregierung mit einem Gesetzgebungsvorhaben, das das wahllose Kliniksterben in Kauf nimmt. Eine Stadt wie München kann sich seit Jahren Defizite von 50 - 100 Mio. € jährlich für seine Krankenhäuser leisten, ein wirtschaftlich wesentlich schwächerer Landkreis nicht. So treiben Sie H. Halbleib, H. Lauterbach die Krankenhäuser in Kostensenkungsmaßnahmen wie den Niedriglohnsektor, um Insolvenzen zu verhindern. Kein Spaß.
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