Priscilla Beaulieu war nicht besonders glücklich. Die 14-jährige US-Amerikanerin lebte mit ihrer Familie in Wiesbaden. Ihr Stiefvater, ein Offizier der United States Air Force, der US-Luftwaffe, war dort stationiert. Priscilla hatte in den Staaten bereits mehrere Umzüge hinter sich. In ihren Erinnerungen beschreibt sie sich als ein Mädchen, das dieses unstete Leben damals gewohnt war. In Deutschland war ihr jedoch alles fremd. Sie hatte schreckliches Heimweh.
Am 13. September 1959 änderte sich das Leben von Priscilla von Grund auf. Sie lernte in Bad Nauheim in einer Villa in der Goethestraße 14 Elvis Presley kennen.
Was hat dieser Beginn einer Romanze mit dem „King of Rock'n'Roll“ mit der Geschichte des Hubland-Areals zu tun, wo gerade ein neuer Stadtteil von Würzburg entsteht und noch bis 7. Oktober die Landesgartenschau stattfindet? Nun, wie Priscilla wird es anfangs vielen Neuankömmlingen aus den USA gegangen sein. Sie mussten neue Freunde finden.
Erinnerungen der „army brats“
Sie waren „army brats“, Soldatenkinder. „Wir konnten nirgendwo richtig Wurzen schlagen“, erinnert sich zum Beispiel Robbie Paul im Buch „Würzburgs neuer Stadtteil Hubland. Seine Geschichte vom 18. bis 21. Jahrhundert“ des Würzburger Historikers und ehemaligen Main-Post-Redakteurs Roland Flade. Robbie Paul lebt heute in El Paso in Texas. Als Jugendliche wohnte sie in der Lincoln Housing Area, dem in den 1950er Jahren erbauten Wohnkomplex der ehemaligen Leighton Barracks. Und da es nur wenige Kontakte mit gleichaltrigen Würzburgern gab, sei die gemeinsame High- School-Zeit mit anderen „army brats“ wichtig gewesen.
Kleine Ausflüge hinunter in die Stadt gab es natürlich. Roland Flade erwähnt die amerikanische Schülerin Breck Milroy. Die heute 65-Jährige erzählte ihm, dass ganz erstaunt gewesen sei, wie einfach sie an Zigaretten kam. Sie warf eine Mark in den Automaten „und heraus kam eine Packung 'Ernte 23'. Wir waren sicher, dass die Militärpolizei benachrichtigt würde, wenn man uns erwischt hätte. Aber wir wurden nicht erwischt.“
Viele lernten Deutschland – und Würzburg – nicht nur nach und nach kennen, sondern lieben. Etwa Antonio Garcia. „Es war die beste Zeit meines jungen Erwachsenenlebens“, ist in der Ausstellung über die Geschichte des Galgenbergs beziehungsweise Hublands zu lesen. Sie wurde von Roland Flade konzipiert und ist bis zum Ende der Landesgartenschau in der alten Tankstelle zu sehen.
Die große Liebe in Würzburg gefunden
Garcia, der heute in Houston in den USA als Qualitätsmanager arbeitet, hat in Würzburg seine Frau Martina kennengelernt. „Ich danke der Stadt, die mir mehr gegeben hat als ich ihr jemals zurückgeben kann.“
Eigentlich könnte dieser Satz auch von Priscilla Beaulieu stammen – in Bezug auf Bad Nauheim. Denn auch sie dürfte schöne Erinnerungen an die Stadt und die Villa haben, wo sie ihrer großen Liebe erstmals begegnete.
Elvis in Würzburg?
Die Villa ist heute nicht zugänglich. Elvis Presleys lebte dort von Februar 1959 bis März 1960. Auch sein Vater, seine Großmutter und einige seiner Freunde residierten dort. Ein gewöhnlicher Soldat war er also nicht. Stationiert war der weltbekannte Musiker ab Oktober 1958 in den Ray Barracks im hessischen Friedberg.
Elvis Presley war damals privat wie auch als Soldat viel unterwegs. Er wurde womöglich auch in Würzburg gesichtet. Es gibt im Archiv dieser Zeitung einen vagen Hinweis, dass er am Hauptbahnhof in ein Taxi gestiegen sei, das ihn in seine Kaserne brachte. Das soll 1958 oder 1959 gewesen sein.
Sicher ist jedenfalls, dass seine Musik in wenigen Tagen auf der Landesgartenschau in Würzburg zu hören ist: Am 11. August in der Las Vegas Elvis Revival Show.
Elvis in Wildflecken
Falls die Erzählung eines Taxifahrers stimmt, dann wird er Elvis vom Würzburger Hauptbahnhof nach Wildflecken chauffiert haben. Auf dem militärischen Übungsgelände in der Hohen Rhön hielt sich der wohl bis heute berühmteste US-Soldat nachweislich etwa zwei Wochen auf. In einem Brief an seine Cousine Patsy schrieb Elvis von Manövern in den Bergen. Es gibt sogar konkrete Erinnerungen dazu. Zum Beispiel von Wolfgang Prawda.
„Der 15-jährige Würzburger hatte im Sommer 1959 eine unvergessliche Begegnung mit Elvis Presley“, erzählt Roland Flade. Damals habe die Familie in Wildflecken gewohnt. Als sich herumsprach, dass Elvis zu einem Manöver in Wildflecken erwartet wurde, machten sich Wolfgang Prawda und einige Freunde auf die Suche nach ihrem Idol.
Ein Nickerchen und dann ein Autogramm
Roland Flade zitiert den Zeitzeugen in dem von ihm 1998 herausgegebenen Buch „Ein Würzburger Jahrhundert“: „Auf einmal entdeckten wir am Straßenrand einen Jeep, in dem ein junger Uniformierter saß. Er war im Sitz versunken und eingenickt.“ Als der Musiker aufgewacht ist, war er ein wenig schlaftrunken, aber freundlich zu den Jungs. Sie hätten sich eine halbe Stunde mit ihm unterhalten und die erbetenen Autogramm erhalten. Das Treffen war ein Glücksfall, denn „im Lager war er total abgeschottet, aber manchmal konnten wir ihn von weitem mit seiner Gitarre üben hören.“
Und dann gibt es in Wildflecken noch die Begegnung von Elvis mit dem „Barber“, dem Friseur Alfred Kreile. Der damals 21-Jährige setzte sich in seiner Mittagspause an einen Tisch zu einem anderen Soldaten. Als er erkannte, dass es der „King“ war, sei ihm fast das Besteck aus der Hand gefallen. Auch dieses Treffen verlief der Erzählung Kreiles nach unkompliziert. Nach dem Essen durfte er dem Star sogar die schwarzen Haare schneiden. Sie seien nicht gefärbt gewesen, meinte er.
Das stimmte wohl nicht. Laut Priscilla hat sie auf Wunsch von Elvis – und ebenfalls wie er – diesbezüglich künstlich nachgeholfen. Fotos aus der Kindheit zeigen, dass der Junge aus Tupelo, Mississippi, einst blond war.
Andere Treffen mit Elvis soll es in Schweinfurt gegeben haben. Sogar in Kitzingen wurde er gesichtet, jedoch nur von Weitem. Er sei auf dem Kasernengelände gelandet, der Platz sei aber weiträumig abgesperrt gewesen, erzählten vor einigen Jahren zwei ehemalige G.I. dem Zeitungsreporter.
Die Amis in Würzburg
Zurück nach Würzburg. Die Themenwochen „Amerika“ starten an diesem Freitag, 3. August, mit der Gala „Stars, Stripes & Songs“– mit Musik von Markus Rill & The Troublemakers. Roland Flade erzählt dazu Geschichten über „Die Amis am Hubland.“ Sie beginnen nicht etwa erst 1945, sondern davor, bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs.
Damals gab es laut Flade ein großes Gefangenenlager am Galgenberg, heute Hubland. In den Holzbaracken waren bis zu 6000 Gefangene untergebracht, „vor allem Franzosen, am Schluss auch Amerikaner“.
In der Weimarer Zeit existierte dort eine „überregional bekannte Fliegerschule“, informiert Flade weiter. „Sie wurde von den Nazis ab 1935 zu einem großen Fliegerhorst mit mehreren Hangars zur Reparatur von Flugzeugen ausgebaut.“ Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs gab es wieder amerikanische Gefangene am Hubland, allerdings nur für wenige Tage.
Vom Flugzeughangar zur Blumenhalle
Nach 1945 nutzen die Amerikaner die meist noch intakten Gebäude des Fliegerhorsts für ihre Zwecke. „Einer der ehemaligen Flugzeughangars wurde bald nach der Einnahme Würzburgs als Sporthalle genutzt“, erzählt Flade. Aktuell geht es dort während der Landesgartenschau bunt zu. Dort werden Blumen präsentiert.
Auch für das Kasino der Nazis hatten die „Amis“ Verwendung – als Officer's Club. Und in den Mannschaftsgebäuden wohnten nach Kriegsende amerikanische Soldaten. Später, als die Familien der Stationierten nachzogen, wurden die Leighton Barracks weiter ausgebaut, unter anderen mit Wohngebäuden, Schulen, Wasch- und Schönheitssalons, Snack Bar, Bowlingbahn, Bibliothek.
In einem weiteren Flugzeughangar richteten die Amerikaner 1951 ein Einkaufszentrum ein. Später wurde es als Kino umfunktioniert. Seit kurzem befindet sich darin wieder ein Einkaufsmarkt. Für Roland Flade hat sich also der Kreis heute „gewissermaßen geschlossen“.
Höhepunkte der Themenwochen „Amerika – You're Welcome“
Vom 3. bis 16. August lädt die Landesgartenschau in Würzburg zu den Themenwochen „Amerika“ ein und sagt „Bitte!“ oder „Gern geschehen!“, so die sinngemäße Übersetzung des Idioms beziehungsweise der Redewendung „You're Welcome“.
Musik und Vortrag: Am 3. August gibt es von 20 bis 22 Uhr auf der WVV Bühne „Stars, Stripes & Songs“. Sänger und Komponist Markus Rill präsentiert mit seiner Band The Troublemakers Rock'n'Roll, Blues, Folk, Country und Soul. Mit dabei sind Gäste aus der hiesigen Musikszene. Der Würzburger Historiker Roland Flade erzählt über „Die Amis am Hubland“. Publizist Martin Wimmer referiert über „Die soziokulturelle Kraft der amerikanischen Musik“.
The King: Die Las Vegas Elvis Revival Show gastiert am 11. August auf der WVV Bühne. Sie startet um 20 Uhr. Auf dem Programm stehen die Elvis-Evergreens aus den frühen 1970er Jahren.
Belt Walk: Auch nach der Landesgartenschau geben über 20 Stelen Einblicke in die Geschichte des Areals, wo Würzburgs neuer Stadtteil Hubland entsteht. Sie befinden entlang des Belt Walks, des Hauptwegs. Texte, Fotos und multimediale Installationen (zusammengestellt von Roland Flade) informieren zum Beispiel über Fliegerschule, Kriegs- und Flüchtlingsgefangenelager und einzelne Gebäude des ehemaligen Kasernenkomplexes „Leighton Barracks“.
Ausstellung: Bis zum Ende der Landesgartenschau am 7. Oktober ist die ebenfalls von Roland Flade konzipierte Ausstellung über das Hubland im Untergeschoss der alten Tankstelle aus dem Jahr 1952 zu sehen.
Literatur-Tipp: 2014 ist Roland Flades Buch „Würzburgs neuer Stadtteil Hubland. Seine Geschichte vom 18. bis zum 21. Jahrhundert“ im Verlag Ferdinand Schöningh erschienen in der Reihe Schriften des Stadtarchivs Würzburg, Heft 20.
Die Landesgartenschau ist täglich ab 9 Uhr geöffnet, die Kassen schließen um 18 Uhr. Info im Internet: www.lgs2018-wuerzburg.de