Der einzige Bereich Würzburgs, um den Anfang 1945 beim Vormarsch der Amerikaner nicht gekämpft wurde, war das Hubland, wo 2018 die Landesgartenschau stattfindet. Die hier noch stationierten deutschen Soldaten verließen den Fliegerhorst kampflos und überließen ihn den US-Truppen, nachdem sie zuvor erfolglos versucht hatten, einige der großen Flugzeughangars zu zerstören.
Wohl noch im April 1945 wurde auf dem Galgenberg ein Kriegsgefangenenlager für deutsche Soldaten eingerichtet. Sie waren in Baracken untergebracht, die aus dem Dritten Reich stammten, und in solchen, die die Amerikaner neu aufstellten.
Als die Baracken sich leerten, weil die Gefangenen freigelassen oder außerhalb Würzburgs untergebracht wurden, dienten sie von 1948 bis 1951 als Unterkünfte für rund 1100 Vertriebene und Flüchtlinge. Als die Amerikaner das Gelände selbst brauchten, zogen die Vertriebenen, die meist aus dem Sudetenland stammten, im Sommer 1951 in Häuser in der Zellerau, die mit Bundesmitteln extra für sie gebaut worden waren.
Schon 1950 hatten die amerikanischen Behörden beschlossen, auf dem Gelände des Vertriebenenlagers eine Grundschule („Elementary School“) sowie 256 Wohnungen für Militärangehörige zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt besuchten amerikanische Buben und Mädchen der ersten bis achten Klasse noch die heutige Goetheschule in der Von-Luxburg-Straße, der auch ein Kindergarten angeschlossen war.
Elementary School öffnete 1951
Den Deutschunterricht erteilte eine Würzburger Lehrerin und auch der Musikunterricht, in dem deutsche Kinderlieder eine große Rolle spielten, wurde teilweise in deutscher Sprache gehalten.
Anfang September 1951 öffnete die neue Elementary School am Hubland ihre Tore, laut Main-Post damals die modernste Schule Unterfrankens, und die von den Besatzern beschlagnahmte Goetheschule (ehemals Bertholdschule) stand wieder für Würzburger Kinder zur Verfügung.
Der Main-Post-Berichterstatter kam beim Besuch der Bildungsstätte am Hubland nicht aus dem Staunen heraus: „Sie ist gebaut, als sollte sie im sonnigen Kalifornien und nicht auf dem windumwehten Galgenberg stehen“, schrieb er. „Wo immer möglich, wurde die Decke durch Oberlichter ersetzt. Zwei große glasüberdachte Lichthöfe bieten den Kindern reizvollen Aufenthalt in den Pausen. Die hellen Farben – vornehmlich hellgrün –, in denen die Inneneinrichtung gehalten ist, vertiefen den Eindruck des Lichten, Freundlichen, weit Offenen und geben damit den Grundakkord für Leben, Treiben und Erziehung der Kinder in diesen Räumen.“
Der Reporter berichtete, dass die letzten Flüchtlingsbaracken inzwischen verschwunden seien und dass mehrere Baufirmen mit einem riesigen Maschinenpark in unmittelbarer Nachbarschaft der Schule das größte geschlossene Bauprojekt Würzburgs der Nachkriegszeit verwirklichten.
„Schuhschachtel-Häuser“
Es entstanden damals 14 Wohnblocks mit Flachdächern im neuen Wohngebiet Skyline Hill – wegen der ungewöhnlichen Architektur von den Würzburgern „Schuhschachtel-Häuser“ genannt – sowie Erschließungsstraßen. Zeitweise waren zehn Firmen mit 2000 Arbeitern gleichzeitig tätig. Auch im Winter 1951/52 wurden die Arbeiten, die zahlreichen Würzburgern Beschäftigung boten, fortgesetzt. Das Gelände war eingezäunt; riesige Schilder verkündeten „Achtung! Großbaustelle“.
Gleichzeitig wurde an der Rottendorfer Straße außerhalb der seit 1947 Leighton Barracks genannten Kaserne die Lincoln Housing Area errichtet, bestehend aus sechs Wohnblocks mit traditionellen Satteldächern – möglicherweise ein Zugeständnis an in der Nähe wohnende Deutsche, die an Flachdächer noch nicht gewöhnt waren.
Die neuen Bewohner des Hublands benötigten Dienstleistungs- und Freizeiteinrichtungen. Bereits im März 1951 eröffnete in der ehemaligen Werft, dem größten Flugzeughangar des Fliegerhorsts, ein Einkaufszentrum („Commissary“ oder „PX“) für Armee-Angehörige. Das Gebäude beherbergte außerdem ein Kino, ein Finanzbüro, das Wohnungsbüro und das Postamt.
1952 wurde das von den Nazis errichtete Kasino zum US-Officers? Club um- und ausgebaut; der große Saal (380 Quadratmeter, wegen seines blauen Teppichbodens „blauer Saal“ genannt) mit Bühne, der kleine Saal (250 Quadratmeter) und die Bar entwickelten sich zu beliebten Treffpunkten; zu besonderen Anlässen wurden auch deutsche Gäste eingeladen. Derzeit wird auf dem Gelände des Kasinos ein Hotel fertiggestellt.
Ab Ende Januar 1953 befand sich in der Nähe des Westtors der Leighton Barracks eine kleine Kirche („Chapel“), die mit mehreren angegliederten Kapellen verschiedenen Religionsgemeinschaften als Gottesdienstraum diente. Im Untergeschoss waren Räume für die Geistlichen und die Verwaltung sowie Zimmer für den Religionsunterricht vorhanden.
Die Kirche war gut beheizt
Das Gotteshaus stand auch Deutschen offen, die am Galgenberg wohnten. „Viele deutsche Nachbarn besuchten die Kirche vor allem im Winter“, erinnerte sich der 2016 gestorbene Hans-Dieter Krebs, der in der Nachbarschaft wohnte. „Sie war fast zu gut beheizt. Die Gottesdienste verschönte ein Chor aus zumeist deutschen Sängern.“ Eine der Sängerinnen war laut Krebs die 1956 in Würzburg geborene Waltraud Meier, die später als erfolgreiche Mezzosopranistin und Wagner-Interpretin international Karriere machte.
Inzwischen war das US-Hospital in der Mariannhillstraße für 1,5 Millionen Mark erheblich um- und ausgebaut worden. Im Januar 1952 wurde die Würzburger Presse zur Vorbesichtigung „eines der modernsten Krankenhäuser des Kontinents“ (Main-Post) eingeladen.
„Ist dieses ehemalige deutsche Standortlazarett überhaupt noch ein ,Lazarett??“, fragte die Main-Post und gab eine verneinende Antwort: „Es verfügt jetzt über den Komfort und die Einrichtung erstrangiger Sanatorien: Bequeme, vom amerikanischen Roten Kreuz reich ausgestattete Aufenthalts- und Speiseräume, vornehm wirkende Speisesäle, eine Sporthalle und ein Theater. In diesem Armee-Hospital werden nicht nur Zähne gezogen, Blinddarmoperationen vorgenommen, Verletzte und Verwundete behandelt, sondern auch Babys geboren.“
Rund 150 Deutsche, darunter fünf der 25 Ärzte, Schwestern und technisches Personal, arbeiteten hier.
Im Sommer 1954 wurden am Galgenberg weitere große Wohnblocks für Soldaten und deren Familien übergeben. Um 1955 begann der Bau von Offiziershäusern entlang der Straße Am Galgenberg, die von den Amerikanern „Colonels? Lane“ genannt wurde.
Am 20. Januar 1955 fand der erste Spatenstich für eine Oberschule (High School) statt, die gegenüber der Elementary School entstehen sollte. Letztere nahm Kinder des ersten bis achten Jahrgangs auf. Ältere Schüler besuchten bis zum Sommer 1954 die High School in Nürnberg und waren dort, außer an den Wochenenden, auch untergebracht.
Ab 1995 gab es die High School
Ab Herbst 1954 wurden sie in Würzburg unterrichtet, zunächst noch in provisorischen Räumlichkeiten im ehemaligen Kommandanturgebäude. Busse brachten jene Schüler, die nicht in Würzburg wohnten, täglich aus Bad Kissingen, Hammelburg, Schweinfurt, Kitzingen und Wertheim zum Hubland, nach Fertigstellung der Rhön-Autobahn auch jene aus Wildflecken. Mit dem Beginn des Schuljahrs 1955/56 stand die neue High School zur Verfügung.
Und heute? Die Chapel und die Offiziershäuser wurden abgerissen, die Zukunft der High School ist ungewiss. Viele Gebäude des „Skyline Hill“ gehören, umgebaut und modernisiert, zum Campus Hubland Nord der Uni, ebenso wie die ehemalige Elementary School.
Die Flugzeugwerft, die derzeit zu einem Nahversorgungszentrum mit Rewe-Markt umgestaltet wird, befindet sich außerhalb des Landesgartenschaugeländes. Zur LGS gehören dagegen der aus dem Dritten Reich stammende Tower, die ehemalige amerikanische Sporthalle, die als Blumenhalle dienen wird, und der Gaststättenbereich („Food Court“) des 1998 eingeweihten neuen Einkaufszentrums.
Die Geschichte des Galgenbergs erzählt Roland Flade in seinem Buch „Würzburgs neuer Stadtteil Hubland“. Auf die Vergangenheit des Areals wird während der Landesgartenschau 2018 mit Informations- Stelen und einer Ausstellung hingewiesen.