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Würzburg
Lebensmittel-Label: Was hinter den Bio-Zertifikaten steckt
Label sollen biologisch und fair produzierte Lebensmittel im Supermarkt und Discounter garantieren. Doch wofür stehen all die vielen Siegel eigentlich? Eine Übersicht.
Fairtrade-Label und Bio-Siegel gibt es zahlreiche. Doch nicht bei allen ist klar, wofür sie stehen.
Foto: Johansen Krause, dpa | Fairtrade-Label und Bio-Siegel gibt es zahlreiche. Doch nicht bei allen ist klar, wofür sie stehen.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:44 Uhr

Wer im Supermarkt einkaufen geht, verliert schnell den Überblick: Lauter Siegel, die alles mögliche garantieren – bio, regional, fair, nachhaltig. Sie sollen dem Verbraucher Sicherheit geben, aber ihn auch zum Zugreifen verleiten. "Der Preis ist zwar noch immer ein Hauptkriterium beim Kauf, aber es findet eine Verschiebung statt", sagt Beraterin Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern.

Die Kunden seien bereit, mehr Geld auszugeben, wenn sie dafür regionale Produkte oder Bio-Produkte bekommen. Nicht nur in Supermärkten mit Markenware findet man deshalb die Labels. Auf den Bio- und Nachhaltigkeitstrend sind auch viele Discounter aufgesprungen, die inzwischen fast alle eigene Bio-Linien im Angebot haben.

Viele Label sind nur Marketing

"Verbraucher sollten Siegeln immer erst einmal kritisch gegenüberstehen", sagt Daniela Krehl. Es sei definitiv ein Problem, dass die wenigsten Labels klar definierte Standards haben. Oftmals würden sich die Garantien nur auf einzelne Kriterien beziehen und kein Gesamturteil abgeben. "Zum Beispiel bezieht sich das blaue Regionalfenster manchmal nur auf die Verarbeitung oder den Firmensitz, aber nicht auf die Zutaten", erklärt Krehl. Das sei dann reines Marketing.

Gerade Regionalität ist den Verbrauchern jedoch immer wichtiger, wie eine Umfrage der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zeigte. 62 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen beim Kauf am wichtigsten sei, wo die Lebensmittel herkommen. Der Preis war nur für 38 Prozent ausschlaggebend.

Staatliche Siegel gelten als zuverlässig

Regionalität spielt zum Beispiel beim bayerischen Bio-Siegel eine große Rolle. "Der Grundgedanke ist, Bio-Qualität und Regionalität zu vereinen", sagt Denise Ludwig von alp Bayern, der "Agentur für Lebensmittel Produkte aus Bayern". Denn die Regionalität sei bei Bio-Siegeln davor nicht im Fokus gestanden. Das Label ist staatlich und die Einhaltung wird regelmäßig überprüft. Auch Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale empfiehlt die staatlichen Bio-Siegel. Sie würden gute Standards bieten, die Kontrollen seien zuverlässig. Wer zum Beispiel Fleisch mit dem bayerischen Bio-Siegel kauft, könne sicher sein, dass das Tier in Bayern aufgewachsen ist, dort geschlachtet und verarbeitet wurde, sagt alp-Mitarbeiterin Ludwig.

Auch für Lebensmittel aus Franken gibt es Zertifikate wie "Die Regionaltheke Franken". Mit dem Siegel werden zum Beispiel Honig, Säfte, Mehl oder Müsli angeboten. Für Produkte aus der Rhön gibt es das Siegel "Qualität des Biosphärenreservats Rhön", das für regionale Herstellung steht. Zur gleichen Dachmarke zählt das Bio-Siegel des Biosphärenreservats Rhön, es legt den Fokus auf Biolandbau. Das Zertifikat "Grünland Spessart" steht für Fleisch von Tieren aus dem Spessart, die artgerecht und im Freien gehalten werden.

Bio ist nicht gleich Bio

Rund 100 verschiedene Bio-Siegel gibt es laut der Verbraucherzentrale. Am weitesten verbreitet sind das EU-Bio-Zeichen, ein hellgrünes Rechteck mit Blatt, und das deutsche Bio-Siegel, ein Sechseck mit Schriftzug Bio. Beide garantieren Mindeststandards in der artgerechten Tierhaltung und den Verzicht auf Pestizide und Gentechnik nach einer EU-Verordnung. Bio-Eigenmarken von Discountern müssen diese Mindestanforderungen ebenfalls erfüllen.

Deshalb ist Discounter-Bio nach Einschätzung von Daniela Krehl auch besser als ihr Ruf. "Die Discounter sind derzeit der größte Anbieter im Bio-Bereich", sagt die Verbraucherexpertin. Oft gebe es zwar Kritik, dass der EU-Bio-Standard zu niedrig sei. "Doch für viele ist das nur der erste Schritt und das ist zu begrüßen." So stelle zum Beispiel Lidl derzeit viele Produkte auf Bioland um, Rewe führe das Naturland-Siegel ein.

Denn trägt ein Produkt das Siegel eines Bio-Anbauverbandes, sind die Anforderungen noch strenger als an EU-Bio-Lebensmittel. Zu den Verbänden zählen Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis, Gäa und EcoVin. Tiere müssen hier mehr Platz haben, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist strikter geregelt, als es die EU vorgibt. Außerdem müssen die Höfe ihren gesamten Betrieb auf Bio umstellen, mit dem EU-Standard dagegen sind auch Teil-Umstellungen erlaubt.

Laut Bund Naturschutz kann ein Produkt drei verschiedene Bio-Kennzeichnungen tragen. Das Siegel der EU ist für alle Bio-Produkte vorgeschrieben, das deutsche Bio-Siegel wird von den meisten Verbrauchern schnell erkannt und das Label eines Anbauverbandes macht die höheren Standards deutlich.

Genau hinsehen bei Fairtrade-Produkten

Auch Fairtrade-Produkte sind laut Verbraucherzentrale immer beliebter, doch mit Vorsicht zu genießen. Denn es gibt kein offizielles Label. Am weitesten verbreitet ist das schwarze Siegel mit Fairtrade-Schriftzug und gelb-blauem Zeichen, das die internationalen Standards für fair gehandelte Produkte garantiert. Diese schreiben Mindestpreise und eine Vorfinanzierung, langfristige Verträge und die Förderung von Gewerkschaften vor. Gentechnik und Kinderarbeit sind verboten.

Kritik gibt es aber immer wieder am sogenannten Mengenausgleich. Lediglich 20 Prozent der Zutaten bei Mischprodukten wie Schokolade oder Eis müssen fair sein. Der Anteil von Wasser und Milch darf herausgerechnet werden, wenn er mehr als die Hälfte beträgt. So kann es sein, dass Produkte das Fairtrade-Siegel tragen, obwohl der "faire Anteil" gering ist. Wie hoch er wirklich ist, muss auf der Verpackungsrückseite stehen.

Glutamat versteckt sich in Hefeextrakt

Besondere Vorsicht ist laut Verbraucherexpertin Krehl bei Aufdrucken wie "ohne Zusatzstoffe" oder "natürliche Aromen" geboten. Diese seien keine geschützten Begriffe und hätten kaum Aussagekraft. "Bei den Käufern kommen sie trotzdem gut an." Sobald ein Prüfsiegel darauf sei, werde das Produkt häufiger gekauft. Auch wenn es sich oft um Mogelpackungen handele.

Zwei Beispiele: Über den Aufdruck "ohne Geschmacksverstärker" wird laut einem Test der Verbraucherzentrale häufig beworben, dass kein Glutamat enthalten sei. Dieses wird dann durch Hefeextrakt ersetzt. Der wiederum enthält auch Glutamat, es muss jedoch nicht als solches angegeben werden. Auch die Kennzeichnung "ohne künstliches Aroma" ist oft irreführend. Denn in diesen Produkten stecken Aromen, die zwar gesetzlich nicht als künstlich eingestuft werden. Aus dem Labor dürfen sie trotzdem stammen.

Mindestanforderungen an Bio-Produkte
Um das Deutsche oder das EU-Bio-Siegel zu erhalten, müssen die Erzeuger folgende Mindestanforderungen erfüllen:
- Zutaten zu mindestens 95 Prozent aus ökologischem Landbau
- Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie Gentechnik
- Tageslicht im Stall oder Zugang zu einer Außenfläche für Tiere
- Mehr Platz für Tiere: Im Bio-Landbau dürfen zum Beispiel nur 10 Masthähnchen pro Quadratmeter gehalten werden, im konventionellen 25. Bio-Mastschweinen über 110 Kilo stehen 1,5 Quadratmeter zu, in der konventionellen Haltung nur 1 Quadratmeter.
- Fütterung mit ökologisch produzierten Futtermitteln ohne Zusatz von Antibiotika und Leistungsförderern
(Quelle: Umweltbundesamt)

Die Website label-online.de bietet einen Überblick über viele Zertifikate und überprüft diese auf Anspruch, Unabhängigkeit, Kontrolle und Transparenz. Die Seite wird vom Bundesverband Verbraucherinitiative betrieben. Auch der Naturschutzbund (Nabu) bietet eine umfangreiche Einschätzung verschiedener Labels.

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