„So eine Ausstellung hat in Sommerhausen noch nicht stattgefunden“, schwärmt Architekt Friedrich Staib über die im „Haus der Architektur“ Mitte Oktober zu Ende gegangene Veranstaltung, bei der Malerei und Fotografie dreier Künstler zu sehen war; außerdem eine Skulptur, gestaltet von sechs Mitarbeitern der Mainfränkischen Werkstätten. Das Wind- und Lichtspiel mit glitzernden Aluminiumstreifen und fünf großen, rundlichen Steinen ist ein Hingucker – und ebenso außergewöhnlich wie die Geschichte, wie das Objekt seinen Weg nach Sommerhausen gefunden hat.
Ihren Ursprung hat die Geschichte in Josef Förster, einem Künstler und ehemaligen Sonderschullehrer: Von 2011 bis 2015 absolvierte Förster in München eine Ausbildung in Farbmalerei bei Jerry Zeniuk. Sich von der Darstellung von Landschaften oder Gegenständen zu lösen und sich ausschließlich Farben zu widmen, faszinierte ihn so sehr, dass er seine Begeisterung weitergeben wollte. „Ich wollte sehen, ob es auch bei Menschen mit Handicap funktioniert“, sagt Förster. Bei den Mainfränkischen Werkstätten stieß er auf viel Offenheit, so dass er 2016 in seinem Atelier „Holzmühle“ in Uettingen einen ersten Kurs anbieten konnte - unter dem Motto „Farbenfroh“. Sechs Angestellte der Mainfränkischen Werkstätten nahmen teil; innerhalb von drei Monaten entstanden beeindruckende Werke.
Kunstkurs soll "die Kreativität anzapfen"
2019, im nunmehr vierten Kunstkurs Försters, sollte eine Skulptur entstehen. Herausgekommen ist das Objekt mit dem Titel „Windlicht“, gestaltet von zwei Mitarbeiterinnen und vier Mitarbeitern der Werkstätten, in zehn je vierstündigen Terminen. Fünf von ihnen bearbeiteten mit einem Schlegel die großen Steine aus Sandstein am Fuß der Skulptur („Vorgabe war, dass die Steine rund werden sollten“, so Förster), der sechste gestaltete die Streifen aus Aluminiumblech. „Es hat Spaß gemacht“, sind sich die drei beim Termin mit der Presse anwesenden Künstler einig. Als „anstrengend, aber schön“, hat Bernhard Leckert, der bei allen Kursen Försters dabei war, die Arbeiten empfunden.
„Es geht darum, die Kreativität anzuzapfen“, beschreibt Förster das Ziel seines Angebots. Und: „Die Teilnehmer haben erstaunliches Durchhaltevermögen bewiesen.“ Es habe keine Verletzungen gegeben – und auch keine Probleme mit Handys, die wohl in vorherigen Kursen immer wieder für Ablenkung der Teilnehmer gesorgt hätten. „Diesmal hatten ja alle Eisen und Schlägel in der Hand“ sagt Förster und lacht.
Der Weg des fertigen „Windlichts“ nach Sommerhausen führte schließlich über Beatrice Klinke. Die Goßmannsdorfer Künstlerin stellte im Rahmen des Kulturherbsts ihre eigenen Werke im „Haus der Architektur“ aus und vermittelte den Kontakt zwischen dem Hausherrn, Architekt Friedrich Staib, und Josef Förster. „Herrn Staib war es wichtig, bei der Eröffnungsveranstaltung verschiedenen Künstlern eine Plattform zu bieten“, so Klinke. Das Konzept kam an: Über 500 Besucher hat die Ausstellung bereits am ersten Wochenende gehabt, berichtet die Künstlerin.
Dass sie ihr Objekt im Rahmen der Ausstellung selbst in der Öffentlichkeit präsentierten, ist für die Künstler der Mainfränkischen Werkstätten alles andere als selbstverständlich. „Es gab im Vorfeld Ängste, die Kunst zu zeigen, sowohl von Seiten der Mitarbeiter selbst, als auch von ihren Eltern“, sagt Edith Kasamas, die bei den Mainfränkischen Werkstätten für Organisation und Betreuung zuständig ist. Zwei Künstlerinnen, die an der Skulptur mitgearbeitet haben, wollten nicht in die Öffentlichkeit. Aber: „Josef Förster will, dass die Werke auch gesehen werden“, so Kasamas. Voraussetzung dafür seien viele Absprachen und Kommunikation mit den Teilnehmern und deren Eltern.
Dass sich der Aufwand gelohnt hat, zeigt die Aufmerksamkeit, die das glitzernde Objekt auf sich zieht: „Während der Ausstellung haben viele die Skulptur bewundert und nach dem Künstler gefragt“, berichtet Beatrice Klinke. Die Streifen des Windspiels bestehen aus Aluminiumblech, „Industrieabfälle“, sagt Förster, „ich suche auch gern auf Schrottplätzen nach Material.“ Ein halbseitig gelähmter Kursteilnehmer bearbeitete die Aluminiumstücke am Schraubstock, „er hat wild drauflos geklopft, mit viel Begeisterung und Schnelligkeit", erzählt Förster. Dass die Streifen nicht einheitlich aussehen, machen sie für den Kursleiter erst interessant: „Bei einem anderen Künstler wären sie wahrscheinlich fader und weniger spritzig geworden.“ Der Rahmen, der das Objekt zusammenhält, stammt von Georg Weidauer, der eine Kunstschmiedewerkstatt in Remlingen betreibt.
Besucher hätten auch nach dem Preis der Skulptur gefragt, so Klinke. Ein Verkauf im klassischen Sinne ist laut Förster nicht möglich, die Abgabe gegen eine Spende, mit der beispielsweise der nächste Kunstkurs für Mitarbeiter der Mainfränkischen Werkstätten unterstützt werden kann, hingegen schon.
"Haus der Architektur" bleibt kostenloser Ausstellungsort für Künstler
Was die Ausstellung beim Kulturherbst auch gezeigt hat: Das Erdgeschoss im "Haus der Architekur" könnte sich als stimmiger Ort für künstlerische Veranstaltungen etablieren. „Das Haus habe ich für mein Architekturbüro restauriert – und die Räume im Erdgeschoss waren überzählig“, erklärt Friedrich Staib. Für den Architekten lag es nahe, diesen „Raum, der Unterfranken und Sommerhausen repräsentiert“, anderen Menschen zur Verfügung zu stellen, gerne im Zusammenhang mit Kunst. „Es kommen immer wieder Leute auf mich zu, die die Räume gerne nutzen würden“, so Staib.
Auch in Zukunft sollen Künstler in seinem Haus kostenlos ausstellen dürfen. „Zum einen möchte ich zeigen, was in solchen Räumlichkeiten möglich ist, zum anderen habe ich Spaß daran, andere zu unterstützen“, sagt Staib. Was mögliche Aussteller angeht, ist er offen – mit ein paar Einschränkungen: „Kein primitives Gelumpe, nichts aus China Importiertes und nichts aus Plastik“, so die Auflagen des Hausherrn.