Fast drei Jahre nach dem Tod der 71-jährigen Gisela K. auf der Straße in Erlabrunn (Lkr. Würzburg) muss sich erneut die Justiz mit dem Fall befassen. Wurde die Fußgängerin am kalten Morgen des 5. Januar 2016 vom Fahrer eines Streufahrzeuges überfahren, der dann Unfallflucht beging? Das Amtsgericht war vor einem Jahr dieser Auffassung.Doch Günther K. beharrt darauf, unschuldig zu sein. Ab Mittwoch steht der frühere Gemeindearbeiter deshalb erneut wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung vor Gericht.
Urteil noch vor Weihnachten?
Elf Verhandlungstage hat das Landgericht Würzburg bis kurz vor Weihnachten angesetzt. Etwa 80 Zeugen und Gutachter sind geladen. Mehrere Sachverständige sollen dem Gericht bei der Bewertung des Falles helfen, etwa bei der Frage, ob der Fahrer eines Traktors es bemerken müsste, wenn er einen Körper überrollt.
Gisela K. war an jenem Morgen in der Ortsmitte vors Haus gegangen, um den Gelben Sack abzulegen. Dort ist eine Engstelle der Ortsdurchfahrt. Hier wurde die 71-Jährige gefunden- leblos auf der Straße liegend. Zunächst dachte man, sie sei bei dem eisigen Wetter gestürzt. Erst eine Obduktion in der Rechtsmedizin ergab: Gisela K. war von einem Fahrzeug mit markanten grobstolligen Reifen überrollt worden.
Strafbefehl ohne öffentliches Aufsehen
Der Fall sorgt weit über Erlabrunn hinaus für Aufsehen. Juristisch geht es dabei nicht um ein Kapitalverbrechen, sondern um fahrlässige Tötung bei einem Unfall. Derartige Delikte erledigt die Justiz in vergleichbaren Fällen oft mit einem Strafbefehl, ohne öffentliches Aufsehen. Voraussetzung dafür ist freilich ein Geständnis.
Davon kann bei Günther K., dem Fahrer eines gemeindeeigenen Streufahrzeuges, keine Rede sein. Er bestreitet die Tat. "Für meinen Mandanten gilt die Unschuldsvermutung. Und eine jetzt durchzuführende akribische Beweisaufnahme wird dies auch zutage fördern", sagte sein Verteidiger Martin Reitmaier am Montag auf Anfrage. Er machte keine Angaben zu der Frage, ob sein Mandant sich diesmal zum Tatvorwurf äußern will.
Allerdings listet ein umfangreicher Untersuchungsbericht der Polizei nach monatelangen Ermittlungen viele Indizien dafür auf, dass K. mit dem Streufahrzeug in der Engstelle Gisela K. überrollte. Dann soll er vom Unfallort geflohen sein. "Das Nach-Tat-Verhalten wie Löschung der Anruflisten in den Mobiltelefonen des Angeschuldigten und Beteiligter, das Verhalten des Angeschuldigten und dessen Umfeld gegenüber den Angehörigen und in Bezug auf die Angehörigen gegenüber Dritten ist insgesamt als sehr auffällig zu bewerten", hatte Staatsanwältin Martina Pfister-Luz in der Anklage deutlich gemacht.
Verdacht auf Falschaussage
Zwei Zeugen haben nun selbst Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Falschaussage vor sich, einer, ein ranghohes Feuerwehrmitglied, wurde sogar kurzfristig in Beugehaft genommen. Die Beweislage überzeugte vor einem Jahr in erster Instanz das Amtsgericht: Der 58-Jährige wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Er verlor in der Folge des Urteils seinen Job als Leiter des Bauhofes, das Amt des Feuerwehrkommandanten und seinen Führerschein.
Der Fall, der bundesweit Beachtung fand, sorgte in dem 1800-Einwohner-Ort für einen Riss in der Dorfgemeinschaft - und er steckte von Anfang an voller Ungereimtheiten. "Da wurden Opfer zu Tätern gemacht", macht Rechtsanwalt Peter Auffermann klar, der mit zwei Kollegen den Witwer und die beiden Söhne der Getöteten als Nebenkläger vertritt. "Es geht den Angehörigen nicht um Rache oder Geld. Sie wollen die Wahrheit erfahren in einem Fall, in dem von manchen Seiten auf Teufel komm raus gelogen, getäuscht und vertuscht wurde."
Verdächtiges Verhalten nach dem Unfall
Was er damit meint, lässt sich dem Untersuchungsbericht entnehmen, der dieser Redaktion vorliegt: Handydaten von Beteiligten rund um den Angeklagten waren nach dem Unfall plötzlich gelöscht worden. Die Begründungen der Handybesitzer dazu klingen dürftig. Zeugen erinnerten sich vor Gericht nur vage oder gar nicht an frühere Aussagen. Der Verdächtige kehrte am Unfallort Spuren weg, während noch versucht wurde, die Frau wiederzubeleben. Am Traktor wurden Spuren verwischt. Es gab voneinander abweichende Aussagen darüber, wann und wo Günther K. gestreut hatte an jenem Morgen. Und es gab während des Prozesses massive Einschüchterungsversuche gegen die Familie des Opfers, Anwälte und Pressevertreter.
Das Gutachten einer Sachverständigen sagt: Die Reifen-Spuren auf dem Körper der Getöteten stammen von einem Traktor wie dem gemeindlichen Streufahrzeug. Die Kommune hat in diesem Herbst einen neuen Traktor angeschafft, der alte ist jedoch sichergestellt - und steht dem Gericht bei Bedarf als Beweismittel zur Verfügung.
Was musste der Ehemann der verstorbenen in solch einer langen Zeit alles mitmachen...schon mal darüber nachgedacht, Herr K.??!!