Eine halbe Million Menschen erkrankt in Deutschland jedes Jahr an Krebs. Mit einer alternden Gesellschaft wird die Zahl deutlich steigen. Doch es gibt neue Ansätze in der Krebsforschung, die Hoffnung machen. Der erste Würzburger Krebs-Patiententag in der Stiftung Juliusspital bot am Mittwoch rund 200 Betroffenen und Angehörigen Einblicke in die neueste Forschung und ergänzende Verfahren neben der Schulmedizin. Die Veranstaltung wurde von der Bayerischen Krebsgesellschaft zusammen mit der Uniklinik Würzburg anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Psychosozialen Krebsberatungsstelle Würzburg organisiert. Referenten waren die beiden führenden Würzburger Krebsforscher Prof. Hermann Einsele und Prof. Ralf Bargou sowie Fachleute aus der Psychologie, Ernährungs- und Sportwissenschaft. Wir haben die wichtigsten Fragen für Sie zusammengefasst.
Die Immuntherapie ist ein Hoffnungsträger in der Forschung. Was ist das Grundprinzip?
Die Therapie setzt auf die eigenen Abwehrkräfte des Körpers – nicht die Tumorzelle ist das Ziel, sondern die Immunzelle. Denn in einem gesunden Immunsystem gibt es zu wenige Abwehrzellen, die einen Tumor erkennen. Außerdem erreichen diese Zellen den Tumor nicht, da er sich vor dem "Angriff" durch das Immunsystem versteckt. Die Therapie verändert die Immunzellen so, dass sie die Tumorzellen erkennen und selbst bekämpfen können. Derzeit gibt es drei vielversprechende Ansätze, die auch bei fortgeschrittenen und seltenen Erkrankungen Wirkung zeigen: Die Checkpoint-Blockade, die bispezifischen Antikörper und die CAR-T-Zellen.
Wie funktioniert die Checkpoint-Blockade?
Immun-Checkpoints sind Eiweiße an der Oberfläche eines Tumors, durch die er sich vor dem Immunsystem verbergen kann. Durch die Checkpoint-Blockade ist das nicht mehr möglich und die Immunzellen erkennen den Tumor. Vor allem beim schwarzen Hautkrebs konnten mit Checkpoint-Blockern große Erfolge erzielt werden. Bis vor wenigen Jahren galt diese Krebsart noch als absolut tödlich, doch mit dieser Therapie wurde der Krebs bei 20 bis 30 Prozent der Patienten besiegt. Auch bei bestimmten Formen des Lungen-, Nieren- oder Lymphknotenkrebs gibt es Erfolge.
Wie wirken bispezifische Antikörper?
Bispezifische Antikörper haben zwei Bindungsstellen: Mit der einen docken sie an die Oberflächenstruktur einer Immunzelle an, mit der anderen an die Tumorzelle. Mithilfe dieses "Adapters" werden also die Abwehrzellen zur Tumorzelle geführt, erkennen die schädlichen Zellen und können sie zerstören. Das Verfahren ist besonders wirksam bei Leukämie und geht auf die Würzburger Forschung unter Prof. Ralf Bargou zurück.
Warum gilt der Einsatz von CAR-T-Zellen als wirksamstes Verfahren der Immuntherapie?
CAR-T-Zellen sind genetisch veränderte Immunzellen, die dem Patient eingesetzt werden, sich dann vermehren und lebenslang im Körper arbeiten sollen. Das Verfahren gilt deshalb als besonders effektiv. Durch die genetische Veränderung werden weiße Blutkörperchen zur Immunabwehr (T-Zellen) mit einem Rezeptor ausgestattet, durch den sie die Tumorzelle besser erkennen und zerstören können. Die Therapie eignet sich vor allem bei Leukämie und Lymphknotenkrebs.
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Welche Hindernisse und Schwierigkeiten gibt es bei der Immuntherapie?
Die Immuntherapie kann starke Nebenwirkungen haben. Da das gesamte Immunsystem stimuliert wird, kann es zu übermäßigen Abwehrreaktionen des Körpers kommen. Dazu können hohes Fieber, Sprachstörungen und Entzündungen zählen. Auch sind die Erfolge je nach Krebsart unterschiedlich und noch ist unklar, warum die Therapie bei manchen Patienten nicht anschlägt.
Außerdem sind die Verfahren sehr teuer und zeitaufwändig. Um beispielsweise CAR-T-Zellen zu produzieren, werden die Zellen eines Patienten derzeit noch in die USA transportiert, dort verändert und anschließend in Deutschland wieder eingesetzt.
Was versteht man unter zielgerichteter Krebstherapie?
Bei den klassischen Therapien gegen Krebs wie der Chemo- oder Strahlentherapie werden zwar Tumorzellen, aber auch gesunde Zellen zerstört. Die zielgerichtete Therapie soll nur Tumorzellen zerstören und das gesunde Gewebe erhalten. Dabei macht man sich die biologischen Eigenschaften der Tumorzellen zunutze, um diese zu identifizieren. Medikamente greifen direkt in Vorgänge ein, die für das Wachstum der Krebszellen verantwortlich sind. So kann man verhindern, dass der Tumor größer wird. Allerdings kann die Therapie nicht gegen jeden Tumor eingesetzt werden.
Was bedeutet Komplementärmedizin bei der Krebstherapie?
Mit Komplementärmedizin sind Verfahren gemeint, die Krebspatienten ergänzend zur Schulmedizin anwenden können. Allerdings können dadurch klassische Therapien wie die Chemo- oder Strahlentherapie nicht ersetzt werden. Entscheidend ist auch, zusätzliche Therapien mit dem Arzt abzusprechen, da es zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen kann.
Bausteine der Komplementärmedizin sind Bewegung, Ernährung und Pflanzenheilkunde, aber auch die richtige Atmung und gezielte Entspannung. Beispielsweise kann eine Stunde Meditation drei Stunden Schlaf ersetzen – denn viele Krebskranke leiden unter Schlafproblemen. Auch Naturheilverfahren wie zum Beispiel die Homöopathie oder Akupunktur zählen dazu. In Würzburg gibt es zweimal wöchentlich eine Sprechstunde für komplementäre Onkologie des Comprehensive Cancer Center (CCC) (Terminvereinbarung unter Tel.: (09 31) 20 13 53 50).
Wie hilft die psychoonkologische Beratung Angehörigen?
Gerade für die Familien von Krebskranken ergeben sich Belastungen, die oft auf den ersten Blick nicht wahrgenommen werden. Denn im Mittelpunkt steht meist der Kranke. Angehörige übernehmen die Pflege, begleiten zu Arztterminen, sind eine emotionale Stütze und haben teilweise mit finanziellen Problemen zu kämpfen, wenn das Einkommen des kranken Partners wegfällt.
Die psychosoziale Krebsberatungsstelle berät in Würzburg Angehörige, damit die Belastung nicht zu groß wird. Auch für den schwierigen Umgang mit Kindern, deren Eltern an Krebs erkrankt sind, bietet die Stelle Hilfe an. Es gibt Einzel- und Familienberatung, aber auch der Austausch Betroffener untereinander wird koordiniert (Kontakt unter Tel.: (0931) 28 06 50).
Tumorassoziierte Fatigue – warum sind Krebspatienten ständig erschöpft?
Nahezu alle Krebspatienten fühlen sich während und auch nach der Therapie ausgelaugt, sind antriebslos und könnten den ganzen Tag schlafen. Das sind Symptome des Fatigue-Syndroms (französisch für Müdigkeit). Der Zustand hat jedoch nichts mit normaler Müdigkeit zu tun und lässt sich auch nicht durch "ordentliches Ausschlafen" beheben. Die Erschöpfung betrifft den ganzen Körper, auch Konzentrationsprobleme, Gedächtnislücken und Schwierigkeiten beim Sprechen zählen dazu.
Viele Betroffene trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Denn oft ist die Reaktion der Mitmenschen darauf ein "Stell dich nicht so an". Es gibt jedoch Behandlungsmöglichkeiten, über die die Bayerische Krebsgesellschaft in ihren Fatigue-Sprechstunden informiert (Informationen gibt es unter Tel.: (089) 54 88 40 24). Zurzeit besteht das Angebot nur in München, Nürnberg, Kempten und Bayreuth. Weitere Standorte, darunter Würzburg, sind jedoch geplant.
Ist Sport für Krebskranke sinnvoll?
Auf jeden Fall! Was genau und wie intensiv man Sport treiben sollte, ist aber bei jedem unterschiedlich. Gute Möglichkeiten sind zum Beispiel Walking, Rückengymnastik oder Ausdauersport. So können die Muskeln wieder aufgebaut werden, der Blutdruck stabilisiert sich und der Stoffwechsel wird angeregt. Sport kann auch das Fatigue-Syndrom lindern und sorgt für bessere Stimmung. Insbesondere bei Brustkrebs wurde der positive Effekt von Sport bereits nachgewiesen. Eine spezielle Sportgruppe für Tumorpatienten gibt es in Würzburg beim TSV Jahn (Kontakt unter Tel.: (09 31) 20 13 53 50). Weitere Rehasport-Gruppen gibt es zum Beispiel in Kitzingen, Karlstadt, Marktheidenfeld und Schweinfurt.
Welche Rolle spielt die richtige Ernährung für das Wohlbefinden von Krebspatienten?
Bei einer Ernährungsberatung erfahren Krebskranke zum Beispiel, wie sie Gewichtsverlust entgegenwirken, mit Appetitlosigkeit umgehen und die Abwehrkräfte steigern können. Viele Patienten leiden während einer Therapie unter Durchfall, Erbrechen oder Übelkeit. Auch hier kann die Ernährung angepasst werden. Das Comprehensive Cancer Center in Würzburg bietet eine Ernährungsberatung für Tumorpatienten an (Kontakt unter Tel.: (09 31) 20 13 53 50).