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WÜRZBURG
Kopftuchstreit an der Würzburger Universität
Kopftuchstreit in der Uni       -  Eine Studierende mit Kopftuch steht am Donnerstag (26.10.17) vor dem Gebäude der Philiosophischen Fakultät an der Universität am Hubland in Würzburg. Eine Professorin hatte die Studierende in einer Vorlesung aufgefordert, ihr Kopftuch abzulegen.
Foto: Daniel Peter | Eine Studierende mit Kopftuch steht am Donnerstag (26.10.17) vor dem Gebäude der Philiosophischen Fakultät an der Universität am Hubland in Würzburg.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:33 Uhr

Dürfen muslimische Frauen in Vorlesungen an der Würzburger Universität Kopftuch tragen? Während einer Veranstaltung in der Politikwissenschaft ist es darüber am Mittwochnachmittag zu einem Eklat gekommen. Eine türkischstämmige Studentin sollte nach Aufforderung durch die Professorin ihr Kopftuch abnehmen. Sie weigerte sich – und viele Studierende solidarisierten sich mit der 19-Jährigen.

Übereinstimmend bestätigen mehrere Augenzeugen den Vorfall, der sich in einem Hörsaal im Philosophengebäude am Hubland ereignete. Noch bevor Politik-Professorin Gisela Müller-Brandeck-Bocquet mit ihrer Vorlesung zu Internationalen Beziehungen begann, forderte sie alle Zuhörer auf, ihre Kopfbedeckungen abzunehmen. Das betraf Studenten mit Mützen, Käppis – aber auch jene Politikstudentin mit Kopftuch.

Vor vollem Hörsaal: Persönlich von Professorin aufgefordert

Die in Deutschland geborene junge Frau, Tochter türkischer Eltern, studiert im dritten Semester "Political and Social Studies" und hatte nach eigener Aussage an der Universität Würzburg noch nie Probleme mit ihrem Kopftuch. Von Müller-Brandeck-Bocquet aber wurde sie im voll besetzten Hörsaal direkt und persönlich angesprochen: Die Aufforderung gelte auch für sie.

Die Studentin konterte: Die Professorin habe kein Recht, ihr das Tragen des Kopftuches zu verbieten – doch diese beharrte zunächst darauf. Was nach Schilderungen von Kommilitonen folgte, waren erboste Zwischenrufe („Religionsfreiheit!“), Proteste gegen einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und eine lautstarke Diskussion. Müller-Brandeck-Bocquet verwies auf die Trennung von  Staat und Kirche: Die Universität sei ein säkularer Raum, religiöse Bekenntnisse hätten dort nichts zu suchen.

Studierende solidarisieren sich mit der Deutsch-Türkin

Anders argumentierte die 19-jährige Studentin: Deutschland sei doch eine Demokratie mit gesetzlich verankerter Religionsfreiheit. Etliche Teilnehmer der Vorlesung stellten sich auf ihre Seite und verließen demonstrativ den Hörsaal. „Die Leute waren schockiert, das so etwas passieren kann“, berichtet ein Kommilitone.

Die Politik-Professorin, erst jüngst mit dem Jean-Monnet-Lehrstuhl der Europäischen Kommission ausgezeichnet, unterbrach die Vorlesung für etwa zehn Minuten – erst dann begann sie, ohne weiter auf die junge Deutsch-Türkin einzugehen.

Ein Streit - zwei Bewertungen:

Gegenüber der Redaktion begründete die Studentin ihre Haltung. Das Kopftuch gehöre für sie zur Religionsausübung, „es ist meine eigene freie Entscheidung. Niemand zwingt mich dazu, auch nicht meine Eltern.“ Sie trage das Kopftuch freiwillig seit fünf bis sechs Jahren und habe noch keine Diskriminierung deshalb erlebt – bis Mittwochnachmittag. „So wurde ich noch nie belästigt“, sagt die Muslimin, deren Kopftuch nur die Haare bedeckt und nicht das Gesicht verschleiert. Sie hofft nun, dass sie selbst und andere Kopftuchträgerinnen künftig vor ähnlichen Konfrontationen verschont bleiben.

Hochschulleitung bekennt sich zur Religionsfreiheit

Müller-Brandeck-Bocquet stand am Donnerstag schon wieder im Seminar- und Vorlesungsbetrieb. Eine angekündigte Erklärung der Universität wurde am späten Nachmittag verschickt. Darin bekennt sich die Hochschulleitung zum "selbstverständlichen Prinzip" der Religionsfreiheit. Das Verständnis für unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten gehöre zum Leitbild der Julius-Maximilians-Universität (JMU). Hier gebe es keine Vorschriften oder Richtlinien, die das Tragen eines Kopftuches untersagen würden - "weder den Studierenden, noch dem Lehrpersonal oder anderen Beschäftigten."

Abgesehen davon dürfte die Uni gar kein Verbot erlassen, wie das zuständige Kultusministerium in München bestätigt. Keine gesetzliche Regelung könne das Kopftuch-Tragen an bayerischen Hochschulen untersagen, heißt es auf Anfrage von der Pressestelle. Auch über das Hausrecht der Hochschule sei ein Kopftuchverbot vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit nicht möglich.

Professorin bedauert "Aufregung und Missverständnisse"

In der schriftlichen Erklärung bedauert die Politik-Professorin die Vorkommnisse in ihrer Vorlesung. Wörtlich heißt es: „Seit vielen Jahren pflege ich, in meinen Vorlesungen die Zuhörer um die Abnahme von Kopfbedeckungen zu bitten, als Zeichen des Respekts vor einer universitären Einrichtung und vor mir als vortragender Professorin.“ In der Regel seien damit männliche Studierende angesprochen, die sogenannte Base-Caps tragen. Diese seien ihrer Bitte immer nachgekommen.

Als jetzt die türkischstämmige Studentin als Einzige ihr Kopftuch nicht ablegen wollte, habe Müller-Brandeck-Bocquet auf die beabsichtigte Gleichbehandlung von Männern und Frauen hingewiesen und ihre Missbilligung zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz zu den Schilderungen der Studentin und von Kommilitonen bestreitet die Professorin, die 19-Jährige zum Ablegen des Kopftuches aufgefordert zu haben. Diplomatisch verklausuliert klingt das in der Uni-Erklärung so: "Sie bedauert die Aufregung und die Missverständnisse, die sich aus der Artikulation ihrer persönlichen Missbilligung ergeben haben."

Der Vorfall vom Mittwoch hat in Kreisen der Studierenden teils heftige Debatten und Proteste ausgelöst. So wirft die Juso-Hochschulgruppe der Politik-Professorin ein intolerantes Verhalten vor. „Das ging eindeutig zu weit und verstößt gegen die Religionsfreiheit“, wird Nahide Dalda, die Sprecherin der Juso-Hochschulgruppe, in einer Mitteilung zitiert.

Juso-Hochschulgruppe fordert Entschuldigung

Dalda trägt selbst ein Kopftuch und ist mit der betroffenen Studentin befreundet. Sie spricht von einem „schlimmen Vorfall. Mir kamen die Tränen, als ich davon gehört habe.“ Die Juso-Hochschulgruppe fordert Müller-Brandeck-Bocquet zu einer Entschuldigung auf. Sie habe eine Vorbildfunktion. Kopftücher müssten „in Zukunft weiterhin wie gewohnt in den Vorlesungen erlaubt werden.“

Scharfe Kritik kommt auch von der Grünen Jugend Würzburg. Sie bewerten in einer Stellungnahme das Verhalten der Professorin als „öffentliche Demütigung“. Das Kopftuch sei Teil einer individuellen Religionsausübung. Das Tragen zu verbieten, verstoße gegen die Religionsfreiheit, das Grundgesetz und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Vorstandsmitglied Magdalena Bachinger: „Die Aufforderung, das Kopftuch während der Vorlesung abzunehmen, ist an einer öffentlichen Einrichtung, die tolerant, weltoffen und diskriminierungsfrei sein sollte, nicht tragbar.“

Kritik auch von der Studierendenvertretung

Am Donnerstagabend äußerste sich dann auch die Studierendenvertretung der Universität. Mitglied Lucie Knorr, selbst Zuhörerin in der Vorlesung, zum Vorgehen der Professorin: "Während sie einerseits den Respekt der Studierenden einforderte, verhielt sie sich selbst durch die Gleichsetzung von Kopftüchern mit allen anderen Kopfbedeckungen äußerst respektlos." Auch Vorsitzender Lukas Miaskiwskyi äußerte sich kritisch. Eine derartige Verhaltensweise gehöre nicht in die Hochschullehre und sei für eine Vertreterin einer wissenschaftlichen Einrichtung "vollständig unangemessen".

 
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  • Gabi24
    Zum einen finde ich den Vergleich mit den Nonnen doch etwas daneben. Nonnen sind i.A. Christinnen und D ist ein von der christlichen Kultur geprägtes Land. Ergo gehört der Schleier und der Habit einer Könne zu unserer Gesellschaft. Ein Kopftuch natürlich auch, z.B. im Stall beim Melken oder bei schlechtem Wetter.
    Viel wichtiger finde ich aber, dass so etwas überhaupt einen Zeitungartikel und anschließende Diskussion wert ist. Wieso ist das so? Wie oft wird ein Schüler/ Student in der Schule/ Uni von einem Lehrer/Professor dumm angemacht, diskriminiert oder Beleidigt ohne dass ein Wörtchen davon eine Nachricht wert wäre?
    Aber sobald ein Kopftuch ins Spiel kommt wird es zum Thema. Warum? Geht hier hr die Toleranz nicht zu weit? Üben wir vielleicht eine "Übertoleranz" um nicht in den Verdacht zu geraten Muslime zu diskriminieren? Oder fordern die Muslime ein Übermaß an Toleranz ein?
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  • hirschkaefer
    Darf nicht jeder seine ideale und Vorstellungen als Ausdruck der Meinungs- und Religionsfreiheit nach außen tragen? Die Bewertung obliegt natürlich jedem einzelnen. Dennoch gilt es grundsätzlich die Einstellung des anderen zu akzeptieren und zu respektieren. Wenn ich "linksgrün" lese kommt mir direkt das Kotzen und zeigt mir, dass Respekt anderen Ansichten gegenüber nicht gegeben ist. Man kann so engstirnig sein wie man will, man sollte dennoch fähig sein seine Meinung angemessen zu artikulieren.
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  • mausschanze
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  • steve67
    Was würden die meisten wohl sagen, wenn ein Anhänger der "FKK-Religion" sich nackt in den Hörsaal setzen und sich auf die Religionsfreiheit berufen würde? Ich wette, den meisten wäre das nicht recht. Warum sollte also ein Kopftuch, "das mit dem Islam nichts (oder wenig) zu tun hat" sondern auf einer persönlichen Lebenseinstellung beruht, das gute Recht dieser Studentin sein, wenn die Professorin darin einen mangelnden Respekt sieht?
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
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  • Arcus
    Die Professorin mit dem Triple Namen (da hielt ich ein Verbot für angemessen) hat einfach überzogen. Ganz so einfach ist das. Hat wohl um öffentliche Aufmerksamkeit gebuhlt, die sie sonst wohl nicht bekommt.
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  • mausschanze
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
    Viel wichtiger als ein Kopftuchverbot wäre ein Burkaverbot! Wenn man selbst in der Türkei sowas hinbekommt, dann sollte das doch auch bei uns möglich sein.
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  • noura
    Also regt man sich hier über eine (eingebildete) Unterdrückung auf, indem man die Muslimas bloßstellt und demütigt? Schöne Ironie... Es tut mir wirklich Leid, dass manche Menschen so blind sind. Verbreitet weiter Hass, doch wie man an dem Artikel sieht, siegt die Solidarität und der Zusammenhalt. 🤘🏽🤘🏽🤘🏽🤘🏽
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  • lon*wa
    Warum studiert diese junge Dame nicht in Saudi-Arabien?
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  • Ingrid Jahnel + Bernd Jahnel
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  • GWM
    Die Religionsfreiheit! Niemand hindert die kopfbetuchte Studentin daran, zu glauben was Sie will, wo also ist das Problem?
    Es wäre schön, wenn auch Menschen muslimischen Glaubens einer Bitte um respektierliches Verhalten einfach nur aus Höflichkeit nachkommen könnten, anstatt sofort die Diskriminierung erleiden zu müssen.
    In besagter Vorlesung ging es um internationale Beziehungen, und Diese können nur funktionieren, wenn gegenseitige Wertschätzung gegeben ist.
    Religionsfreiheit heißt für mich auch Freiheit für die Köpfe, weg mit den Kopfbedeckungen. Anziehen kann jeder Mensch,was mensch will, aber das hat mehr mit dem Wetter als mit der Religion zu tun.
    In Würzburger Hörsälen dürfte die Notwendigkeit zum Tragen von Kopfbedeckungen kaum vorhanden sein, in einer Fachschule für Hauswirtschaft kann solches Tun aus hygienischen Gründen sogar nützlich sein.
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  • noura
    Ich stimme Ihnen größtenteils zu, aber was macht Ihnen so viel Angst an der Kopfbedeckung? Was für eine Bedeutung hat es für Sie? Es beeinträchtigt Sie doch nicht in Ihrem Verhalten, in Ihrem Leben, wenn eine fremde Person sich dafür entscheidet sich mehr zu bedecken als Sie. Diese Gleichstellung von Freiheit und (keine) Bekleidung ist mir rätselhaft. Also ist Freiheit für die meisten hier nackt durch die Gegend zu laufen??... Wenn eine Frau nackt durch die Stadt läuft, schreit jeder Feminismus, aber wenn eine Frau sich ihres Willens bedecken will ist es Unterdrückung.... Naja die Kommentare haben mich genug angeekelt. Gute Nacht an alle.
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  • GWM
    ...aus ästhetischen Gründen wäre die eine oder andere Burka mehr im Straßenbild sogar wünschenswert... Mir ist es egal ob jemand selbstbewusst ist oder nicht... Im Artikel geht es letztlich darum, dass sich eine Studentin der Professorin gegenüber respektlos verhalten hat...Ich gehe davon aus, dass Prof. Müller -Brandeck -Bocquet durchaus zu koordinierten Vorlesungen befähigt ist.
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  • Bislang der beste Artikel zu dem Geschehen. Einziger Kritikpunkt bezüglich des Textes, blöderweise gleich zu Beginn: Das Eklat handelt nicht davon ob Muslima ein Kopftuch in der Uni tragen dürfen, sondern ob Sie eins tragen sollten. Sonst hätte die Professorin die Studentin ja probiert zu verweisen, stattdessen hat sie nunmal bloß ihre persönliche Meinung geäußert, und auch nicht diskriminiert.
    Und somit ist der ganze Vorfall auch weit weniger problematisch als es die Grüne Jugend oder sonstige Empörte gerne hätten.
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Dass linksgrüne politisch korrekte Menschen bei so was sofort in Schnappatmung verfallen ist ja normal. Als nächstes kommt dann der Griff zur Nazikeule, ihrer beliebten Allzweckwaffe im politischen Diskurs.
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  • R.Silber
    Im Koran gibt es nur drei Textstellen, die heute für ein Kopftuchgebot der muslimischen Frau herangezogen werden. Eigentlich geht es hier jedoch gar nicht in erster Linie um Kleidungsvorschriften, sondern eher um den allgemeinen Umgang zwischen Mann und Frau. Nach Vers 33,59 sollen Muslimas „etwas von ihrem Überwurf über sich herabziehen“, wenn sie auf die Straße gehen, um nicht belästigt zu werden, somit ein Symbol der Unterwerfung der Frau gegenüber dem Mann. Beinahe alle muslimischen Länder auf der Welt leben nach der Scharia, welche mit den westeuropäischen Lebensweisen kaum Übereistimmungen findet. Eine in 2016 veröffentlichte Studie der Uni Münster offenbarte, dass 48 % der befragten Muslime in Deutschland ihre Religion über das GG stellen, mit allen hieraus resultierenden Konsequenzen. Viele Muslime in Deutschland leben ein Leben im Mittelalter mit Internetanschluss, nehmen jedoch sehr gerne die angenehmen Seiten des hiesigen Staates in Anspruch.
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