Wenn die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt immer zu Jahresbeginn auf die Stimmung der mainfränkischen Wirtschaft blickt, dann stehen normalerweise Zahlen im Mittelpunkt. Das war am Donnerstag nicht immer so: Beim Jahrespressegespräch ging es vor allem um ein lautes Wehklagen in Richtung Politik. Ähnliches war in den vergangenen Tagen bereits vom Handwerk sowie der Metall- und Elektroindustrie in der Region zu hören gewesen.
Keine Aufbruchstimmung, die Herausforderungen sind groß, aber der Schwung fehlt: IHK-Präsidentin Caroline Trips sieht derzeit für die 73.000 der Kammer angeschlossenen Unternehmen kein Licht am Ende des Konjunkturtunnels. "Wir treten auf der Stelle", fasste die Unternehmerin aus Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) die Lage zusammen.
Zusammen mit IHK-Hauptgeschäftsführer Sascha Genders warf Trips vor allem der Bundesregierung den Ball zu. "Überbordende Bürokratie" im Land, Fachkräftemangel, hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie ein Zickzackkurs der Ampel in Berlin seien gleich reihenweise Bremsklötze für die Unternehmen und vor allem für den Mittelstand. Das müsse sich ändern.
Weil es allein mit Jammern nicht getan sei, stehe die IHK hinter einem Brandbrief, den führende Wirtschaftsverbände am Dienstag an Bundeskanzler Olaf Scholz geschickt haben. Darin fordern sie den Regierungschef in zehn Punkten zum Handeln im Sinne der Wirtschaft auf.
Trips will Minister Habeck als Praktikanten
Die Politiker müssten endlich hautnah erleben, wie schwierig der Alltag für Betriebe geworden sei, betonte Trips. Deshalb habe sie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeladen, für vier Wochen ein Praktikum in ihrem auf Prozess- und Gebäudeautomatisierung spezialisierten Unternehmen zu machen. Eine Antwort von Habeck habe sie noch nicht, meinte die IHK-Präsidentin mit leichtem Augenzwinkern.
Für die turnusmäßige Konjunkturanalyse hatte die IHK 817 Unternehmen in der Region befragt, 282 haben geantwortet. Dabei kam unter anderem heraus, dass fast 27 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als gut, 56 Prozent als befriedigend und 17 Prozent als unbefriedigend bezeichnen.
Dienstleister stehen vor Industrie, Bau und Handel
Derart ernüchternde Werte habe es zuletzt 2010 gegeben, also rund um die Finanzkrise, so Trips. Die Erwartungen ins Geschäftsjahr 2024 seien "wenig optimistisch". Weder die Geschäfte im Inland noch im Ausland lieferten Impulse für Wachstum. Außerdem investierten viele Betriebe nur noch in das Notwendigste und kaum in Expansion.
Der Umfrage zufolge ist die Tonlage der mainfränkischen Wirtschaft zwar mehrheitlich moll, doch stechen die Dienstleister gegenüber Industrie, Bau und Handel positiv hervor. Sie meldeten stabile Umsätze, gute Auslastung und Zuversicht für 2024.
Trips sieht hier vor allem IT-Unternehmen im Sonnenlicht, weil sie von der allgegenwärtigen Digitalisierung der Betriebe profitierten. Die Dienstleistungsbranche habe sich somit zum "stabilisierenden Faktor" der regionalen Wirtschaft entwickelt.