
Samstagabend auf Kiliani. Eine Bedienung schleppt ein halbes Dutzend frischer Maßkrüge an den Tisch. Dort sitzt aber keiner mehr. Die Feiernden stehen auf den Bänken, recken die Hände gen Zelthimmel. Sie johlen Textfetzen, klatschen und stampfen. Dem Aufruf zum hundertfachen Prosit der Gemütlichkeit folgt das Partyvolk ergeben: Krüge klirren. Die Band stimmt den nächsten Hit an.
Ehrenamtliche leisten mehr als 900 Stunden
Nur ein paar Meter hinter dem großen Kiliani-Festzelt geht es deutlich ruhiger zu. Die Musik kommt hier nur noch gedämpft an. Im sogenannten Blaulichtviertel haben Feuerwehr und Polizei ihre Standorte, das Bayerische Rote Kreuz hat dort seine Sanitätsstation eingerichtet. Fünf bis sechs Sanitäter sind bei Unterfrankens größtem Volksfest gewöhnlich vor Ort, an jenem Samstagabend sind es sogar acht.
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Während die meisten auf dem Volksfest feiern, leisten die ehrenamtlichen Helfer an den 17 Tagen mehr als 900 Stunden freiwillig ab. Sie sorgen dafür, dass sich die anderen beim Feiern keine Sorgen machen müssen. In den ersten acht Tagen verzeichneten die Sanitäter 67 Einsätze und schickten 15 Patienten für ein genauere Untersuchung ins Krankenhaus.
Anlaufstelle für ganz alltägliche Probleme
Es ist kurz nach 20 Uhr, eine Familie bittet die Ersthelfer um Hilfe. Eines der Mädchen klagt über Bauchschmerzen. Zwei Helfer begleiten es ohne zu zögern zur Untersuchung in die Sanitätsstation. Schnell ist klar, dass der Grund ihrer Schmerzen abgeklärt werden sollte. Wegen des Verdachts auf Blinddarmentzündung ruft Einsatzleiter Benjamin Kampf den Krankenwagen.

"Wir haben es mit ganz normalen Problemen zu tun." Allergien, Wespenstiche, Migräne oder Krämpfe. "Das kann überall passieren, aber hier haben die Leute bei uns eine Anlaufstelle", sagt Stefan Krüger. Der 57-Jährige engagiert sich seit 35 Jahren im Roten Kreuz und ist ebenso lange als Helfer bei Kiliani dabei.
Alkohol, berichtet er, sei normalerweise kein Problem: "Natürlich sind einige Patienten nicht mehr nüchtern. Aber es ist die Ausnahme, dass wir sie aus diesem Grund behandeln." Schwindel und Übelkeit durch Fahrgeschäfte komme da häufiger vor.

"Wie viel wir zu tun haben, hängt davon ab, wie voll der Platz ist", sagt Krüger. Deshalb konzentriere sich der Bereitschaftsdienst vor allem auf das Wochenende. "Die Leute feiern mehr und länger, weil sie am nächsten Tag nicht arbeiten müssen.". Die Schicht an jenem Samstagabend gemeinsam zu übernehmen, sei von der Gruppe von langer Hand geplant gewesen.
"Wir haben uns vorher untereinander abgesprochen, wer was mitbringt", sagt Jennifer George. So stehen Schüsseln mit Snacks, Gummibärchen und Chips auf dem Tisch. Die Schicht solle schließlich so angenehm wie möglich verlaufen. Mehrmals am Abend dreht ein kleines Team eine Runde über den Platz, entweder zu Fuß oder mit den Elektrorollern.
Schicht so angenehm wie möglich gestalten
Es kündigt sich Aufregung an: Ein junger Mann in Lederhose und Trachtenhemd eilt, begleitet von seiner Clique, zur Rotkreuzstation. Er hat sich mit einem zerbrochenen Glas in die Hand geschnitten und blutet stark. Ihn zu versorgen, dauert länger. Die wartende Gruppe wird zunehmend unruhiger und bedrängt die Sanitäter. Benjamin Kampf handelt und bittet zwei Polizisten um ihre Unterstützung. Sie können die aufgebrachten Jugendlichen beruhigen.

Der BRK-Einsatzleiter erklärt: "Wir wollen unseren Bereich so ruhig wie möglich halten. Angehörige und Freunde bleiben erstmal draußen, falls ihre Anwesenheit nicht notwendig ist." Insgesamt gehe es bei Kiliani aber recht zivilisiert zu. "Es kommt ganz selten vor, dass einer ausrastet. Wir müssen dennoch zusehen, dass wir nicht selbst in Gefahr geraten", ergänzt Krüger.
Trend zur Gewaltbereitschaft
Einen Tag vorher war im Kiliani-Festzelt ein Polizist angegriffen und verletzt worden. "Natürlich beschäftigt uns das. Es deutet sich ein gewisser Trend an", sagt Krüger. Beim Faschingszug in Rimpar und einer Feier in Versbach seien in diesem Jahr auch Kollegen von ihm angegriffen worden. "Die Hemmschwelle ist bei manchen niedriger geworden. Zum Glück sind das bislang Einzelfälle." Die überwiegende Mehrheit sei dankbar, wenn man ihnen helfe, betont der Sanitäter.

Eine junge Frau wird von ihrem Freund zur Sanitätsstation gebracht. Sie war in der Dunkelheit auf dem nassen Boden gestürzt, hat starke Schmerzen und ihr Fuß ist dick. Die Helfer verbinden ihn und fordern den diensthabenden Notarzt an, da sie ihren Patienten keine Schmerzmittel und andere Medikamente geben dürfen. Auch für die Frau endet ein launiger Kiliani-Abend im Krankenhaus, wo ihr verletzter Fuß genauer untersucht werden soll.

Es ist Mitternacht. Der Platz leert sich langsam. Im Festzelt johlen, klatschen und stampfen die Feiernden weiter bis zum letzten Lied. Für den Bereitschaftsdienst endet die Schicht erst, wenn der letzte Gast das Festgelände verlassen hat. Das ist frühestens um halb zwei.
Kiliani: Meist friedlich, fast familiär
Müde, aber erleichtert, dass der Samstagabend ohne ernsthafte Zwischenfälle verlaufen ist, verlässt das Team vom Roten Kreuz den Platz. "Was die Feier betrifft, ist Kiliani im Gegensatz zu anderen Volksfesten meist friedlich, fast familiär", findet Krüger. Manchmal komme es sogar vor, dass ein Patient am nächsten Tag noch einmal kommt und sich bedankt.