
Vielen Ärzten und Apothekern ist in dieser Saison extrem früh der Grippeimpfstoff ausgegangen. Um solche Engpässe künftig zu verhindern, will Bayern seine Vorräte aufstocken. Mediziner sollen mehr Impfdosen vorbestellen können, mindestens drei Viertel des voraussichtlichen Bedarfs. So hat es die Landesarbeitsgemeinschaft Impfen beschlossen. Nur: "Das Problem ist damit nicht gelöst", sagt Dr. Christian Pfeiffer, unterfränkischer Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). "Ärzte tragen weiter das Risiko, dass sie bei zu viel bestelltem Impfstoff auf den Dosen sitzen bleiben." Die Folge: Es wurde und wird lieber zurückhaltend bestellt.
Schuld daran sind aus Sicht des Giebelstädter (Lkr. Würzburg) Hausarztes die Krankenkassen. Wer als Mediziner den Bedarf in seiner Praxis zu hoch einschätze, dem drohten Regresse. Die Kassen fordern dann die Kosten für übrig gebliebenen Impfstoff zurück. Das Risiko schrecke ab. Und das gilt nicht nur für Ärzte.
"Ich werde mich auf eigenes finanzielles Risiko nicht mehr aus dem Fenster lehnen", sagt Bernward Unger, unterfränkischer Bezirksvorstand im Bayerischen Apothekerverband. Auch in seiner Apotheke in Dettelbach (Lkr. Kitzingen) war der Impfstoff-Engpass spürbar. Trotzdem will er für den nächsten Winter nicht mehr Dosen bestellen. Hunderte Euro Minus zu machen, stehe nicht dafür. "Exakt die Menge an Impfstoff vorzubestellen, die gebraucht wird, ist ein Ding der Unmöglichkeit."
Fest steht: In dieser Saison war die Kalkulation zu niedrig. Bereits im Oktober und November wurde Impfstoff in vielen Teilen Deutschlands knapp, auch in der Region. Die KVB schätzte, dass die Nachfrage "um den Faktor 10" höher war als das Angebot. Noch bevor die Grippewelle richtig begonnen hatte. Insgesamt wurden bundesweit 15,7 Millionen Dosen mit Influenza-Impfstoff freigegeben, eine Million mehr als im Vorjahr genutzt wurden. Dennoch mussten Ärzte und Apotheker zeitweise Impfstoffe tauschen und zusätzlich Dosen aus dem europäischen Ausland importiert werden. Wie kann das sein?

Der Schluss liegt nahe, dass sich nach der schweren Grippewelle 2017/2018schlicht mehr Menschen impfen ließen. Mit 1,5 Millionen Impfstoff-Dosen lag die Nachfrage laut Landesamt für Gesundheit tatsächlich um zehn Prozent höher als zuvor. Auch bekamen erstmals Kassenpatienten den besseren Vierfachimpfstoff bezahlt.
Diesen herzustellen dauert etwa sechs Monate. Bereits jetzt müssen Ärzte also ihren Bedarf für den nächsten Winter melden. Damit die Vorbestellungen dieses Mal ausreichen, fordern der Bayerische Hausärzteverband und die KVB unisono, Regresse für Grippeimpfstoff abzuschaffen.
Für die geplante Erhöhung der Vorbestellungen im Freistaat soll das auch passieren. Laut Landesamt hat die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern zugesichert, dass bei den aufgestockten Mengen keine Rückforderungen erhoben werden, wenn Impfstoff übrig bleibt. Zeitnah soll es dazu eine Vereinbarung zwischen Kassen und KVB geben.
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Ob damit die Impfstoff-Not wirklich Vergangenheit ist, wird sich zeigen. Denn wie viel produziert wird entscheiden letztlich die Hersteller. Und "das ist schlicht Marktwirtschaft", sagt eine Sprecherin des Pharmakonzerns Sanofi auf Anfrage. Begonnen wird mit der Produktion, sobald die Weltgesundheitsorganisation die erwarteten Grippestämme bekannt gibt. Normalerweise passiert das im Februar. Dieses Jahr wurden bisher jedoch nur drei der Stämme für den neuen Vierfachimpfstoff genannt. Der vierte soll Ende März folgen. Reicht das? Oder droht ein neuer Engpass mit Ansage? Die Verspätung "müssen wir in der Produktion auffangen", so die Sanofi-Sprecherin. Wie und ob es dadurch zu Problemen komme, könne sie noch nicht sagen.