Augsburg ermöglicht es in der Innenstadt. Aschaffenburg hat es kürzlich für jeden Samstag eingeführt, Fürth an Adventssamstagen. Und in Würzburg diskutieren es die Stadträte an diesem Donnerstag im Hauptausschuss: Die kostenlose Nutzung des ÖPNV. Stadträte von CSU, FWG, Bürgerforum und Linke haben Anfang November beantragt, dass die Fahrt in Bussen und Straßenbahnen an den Samstagen im Dezember nichts kosten soll.
Das Argument der Politik: Wenn mehr Menschen an den Adventssamstagen mit der Straßenbahn in die Stadt kämen, gäbe es an diesen Tagen weniger Parksuchverkehr in der vollen Innenstadt. Aber haben Gratis-Strabas wirklich diesen Effekt?
"Ich bezweifle, dass der Preis das ausschlaggebende Argument für den Umstieg ist", sagt Kämmerer Robert Scheller gegenüber dieser Redaktion. Tatsächlich fahren laut der Studie eines Verkehrsforschers in Städten mit kostenlosem ÖPNV nicht automatisch weniger Autos in die Innenstadt. Wirksamere Instrumente dafür wären die Verbesserung des ÖPNV und die Verteuerung des Individualverkehrs. In Städten, die ihre Parkgebühren drastisch erhöhen, blieben deutlich mehr Autos draußen.
Marketing statt Umwelt
In Würzburg war beim Stadtfest im September erstmals Strabafahren umsonst.Abschließend ausgewertet ist der Pilotversuch noch nicht. Laut Rathaus habe sich aber gezeigt, dass zwar die Strabas voller als sonst waren - aber auch die Parkhäuser. Deshalb könne man nicht sagen, dass tatsächlich mehr Menschen ihr Auto stehen gelassen hätten. Scheller sieht kostenlosen ÖPNV an Adventssamstagen nicht als umweltpolitisches Instrument, sondern als eine reine Marketingmaßnahme.
Ausführlich wollen sich sich die Stadt und ihr Konzern WVV (Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH) Anfang nächsten Jahres in einem Workshop mit ÖPNV-Konzepten der Zukunft beschäftigen. Dabei sollen zum Beispiel die Möglichkeiten eines 365-Euro-Jahresticket oder die Idee, kostenlosen ÖPNV an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung anzubieten, diskutiert werden.
Bezahlt wird das kostenlose Angebot vom Steuerzahler
70.000 bis 75.000 Euro kostet die WVV ein Umsonst-ÖPNV-Tag im gesamten Liniennetz. Neben den entgangenen Erlösen aus dem Fahrkartenverkauf dieses Tages stecken in diesem Betrag zum Beispiel auch die Mindererlöse aus Monats-, Ausbildungs- oder Jahreskarten. Diese müsste man entsprechend verbilligen., wenn man dauerhaft kostenlose ÖPNV-Tage anbietet. Laut Scheller hatten sich Monatskarten-Besitzer nach dem Stadtfest beschwert, dass sie für etwas bezahlt haben, was jetzt umsonst ist.
"Wenn wir kostenlosen ÖPNV an den beiden verbleibenden Adventssamstagen anbieten, wird das Begehrlichkeiten nach weiteren Aktionen wecken", nennt Scheller ein weiteres Argument gegen den Vorstoß. Und bezahlen müsste diese die Stadt.
Auf 15,8 Millionen Euro belief sich das Defizit des ÖPNV in der jüngsten Jahresbilanz der WVV. Ausgeglichen wird es durch Einnahmen des Konzerns in anderen Bereichen. Im Endeffekt aber durch die Würzburger, da das Ergebnis des städtischen Konzerns im Stadtsäckel aufschlägt.
Auch Schweinfurt, Nürnberg und Erlangen sagen Nein zum kostenlosen ÖPNV-Angebot im Advent
Dass die Verwaltung die Anträge erst jetzt auf die Tagesordnung des Hauptausschusses bringt, erklärt Scheller mit der dafür nötigen Vorbereitung. Deshalb geht es dort jetzt "nur" noch um die zwei letzten Samstage im Advent. Linke-Stadtrat Sebastian Roth hatte das Rathaus kritisiert, weil dieses die Anfang November von mehreren Stadträten gestellten Anträge nicht so zügig bearbeitet hatte, dass eine Abstimmung vor dem 1. Dezember möglich war.
Nach der Diskussion am Donnerstag wird eine Woche später der gesamte Stadtrat eine Entscheidung treffen. In Schweinfurt wurde ein entsprechender Vorstoß der Linken Anfang Dezember mit knapper Mehrheit vom Stadtrat abgelehnt. Das Argument: Kostenloser ÖPNV an vier Samstagen im Jahr führe langfristig nicht dazu, dass mehr Menschen ihr Auto stehen lassen. Auch Erlangen und Nürnberg haben sich gegen Gratis-ÖPNV im Advent entschieden.
Ich habe ein Auto, ich werde dieses Auto auch noch ein paar Jahre haben. Aber 2,80€ für in die Stadt rein und dort einen Händler zu unterstützen und nach Hause für weitere 2,80€ ist viel Geld. Das mache ich ungern täglich.
Ich würde mich aber tatsächlich in den kostenlosen Bus setzen. Um es mal klar zu machen: Die Menschen werden nicht ihre Autos verschrotten, wenn es kostenfreien ÖPNV gibt. Aber die Menschen sagen sich auch: Wieso Busfahren und noch mal Geld zahlen? Ein Monatsticket bringt mir nichts - außer dass ich weitere 40€ ausgeben muss.
Wie kann es sein, dass zu einem vorliegenden Stadratsantrag, der noch nicht im Gremium behandelt wurde, der Kämmerer sich gegenüber der Presse und Öffentlichkeit meinungsbildend äußert.
Grundsätzlich ist Herr Scheller dem Stadtrat unter-/nachgeordneter Verwaltungsmitarbeiter, der seine Meinung erst einmal dem OB bzw. dem Gremium kundzutun hat. Als Stadtrat würde ich dem Scheller für diese Ungehörigkeit aber gründlich den Marsch blasen.
Ich bin öfter in Südfrankreich. In den dortigen Buslinien kostet eine Fahrt 1,50 €. Egal ob man eine Haltestelle oder vier Orte weit fährt. Sicher - das kostet den Steuerzahler. Aber das Ziel ist doch den Verkehr aus der Stadt und die Luft rein zu bekommen.
Bitte an der richtigen Stelle ansetzen. Am Geldbeutel packt man die Leute doch am Besten - oder?
Der ÖPNV in Würzburg ist schlicht und ergreifend zu unattraktiv und zu teuer.