Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in Würzburg, die Ermittlungen gegen einen Mann einzustellen, der bei einer Demonstration der Initiative "Eltern stehen auf" die Corona-Impfungen mit dem Holocaust verglichen hatte, sorgt weiter für Unverständnis. Zunächst hatte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, von einem "völlig falschen politischen Signal" gesprochen.
Der Vergleich verhöhne die Holocaust-Opfer und sei deshalb "aufs Schärfste" zurückzuweisen, sagt Ludwig Spaenle (CSU), der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung. Hier würden "ganz bewusst Schutzmaßnahmen, die ein demokratisch legitimierter Rechtsstaat trifft, mit der fabrikmäßigen Tötung durch das verbrecherische NS-Regime gleichgesetzt". Spaenle bittet die Behörden der Justiz, "sensibel" zu prüfen, ob die Äußerungen nicht doch bereits den Tatbestand der Volksverhetzung träfen.
Thomas Goger, der Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg, kann Spaenle und den anderen Kritikern der Würzburger Justiz-Entscheidung da keine Hoffnung machen. So "unerträglich" die Äußerungen des Beschuldigten auch seien, mit den Paragrafen des Strafrechts sei ihnen nicht beizukommen, sagt der Oberstaatsanwalt. Um Antisemitismus zu bekämpfen, sei neben den Ermittlungsbehörden vor allem die Zivilgesellschaft gefordert. Er, so Goger, hätte im konkreten Fall auch nicht anders entscheiden können als sein Würzburger Kollege.
Das hohe Gut der Meinungsfreiheit
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit genieße im Rechtsstaat Deutschland einen "überragenden Stellenwert", erläutert der Oberstaatsanwalt. Das Bundesverfassungsgericht habe dies 2009 in einer Entscheidung ausdrücklich betont. Damals hatten die Karlsruher Richter die Strafrechtsnovelle, mit der das öffentliche Billigen, Verherrlichen und das Rechtfertigen der NS-Herrschaft explizit unter Strafe gestellt wurde, für verfassungsgemäß erklärt, aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Meinungsfreiheit solchen Regulierungen enge Grenzen setzt.
Entsprechend habe der Würzburger Demo-Redner die Grenzen der Strafbarkeit nicht überschritten, als er davon sprach, die Covid-19-Impfungen seien ähnlich schlimm wie der Holocaust, erläutert Goger. Da der Beschuldigte die Handlungen nicht heruntergespielt habe, könne man auch - rein juristisch betrachtet- nicht von einer Verharmlosung sprechen.
Unverständnis über diese Bewertung durch die Justiz äußert derweil auch das Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage. Dem Verein gehören 80 Organisationen an, die sich für eine kritische Zivilgesellschaft sowie gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit einsetzen.
Bündnis spricht von "verbaler Grenzverschiebung"
In einer Pressemitteilung betont das Bündnis, es beobachte die Demos gegen die Corona-Politik schon länger. Gerade in diesen Pandemie-Zeiten gelte es, "wachsam zu sein und darauf zu achten, dass Solidarität und Zusammenhalt gemeinsame Leitwerte bleiben und dubiose Rädelsführer keine Bühne und Bestätigung für krude und menschenfeindliche Ideen erhalten". Dazu gehöre es, bei Holocaust-Vergleichen klar Position zu beziehen. Solche "Entgleisungen" trügen nämlich zu einer "verbalen Grenzverschiebung" bei, die dazu führe, "den alltäglichen Antisemitismus zu normalisieren und den Weg für Gewalttaten zu ebnen".
"Impfungen mit Mord und Verfolgung von jüdischen Menschen in Relation zu bringen, ist offener Antisemitismus und purer Geschichtsrevisionismus", schreibt das Bündnis weiter. Dem werde man sich entgegenstellen. Die Zivilgesellschaft bleibe wachsam und hoffe, dass die bayerische Justiz sensibler für alle Formen von Antisemitismus werde - "gerade bei sekundärem Antisemitismus in Form von Holocaust-Vergleichen".
"Krude Ideen" sind nicht strafbar.
Nicht jede "Entgleisung" ist strafbar.
Maßstab ist das Recht und nur das Recht und nicht moralische Kategorien, die man sich zurecht legen kann, wie man gerade will.
Wenn wir das Primat des Rechts beachten und nicht auf die unsicheren Moralbegriffe der Linksilliberalen abstellen, wird unsere Gesellschaft derartige Aktivitäten locker aushalten und der Rechtsstaat wird dort greifen, wo unzulässigerweise Grenzen überschritten werden.
Erinnert sei bspw. nur daran, wie ein Oberstaatsanwalt „privat“ tätig und besonderen Eifer wurde, weil ein ehemaliger Studienrat im Stadtrat im Zusammenhang mit drohenden Baumfällungen den Begriff „Blutbad“ benutzte.
Solche Beispiele gibt es zahlreich. Auch gilt die „Meinungsfreiheit“ dann nichts mehr, wenn sie sich gegen die Justiz selbst und insbesondere gegen die Staatsanwaltschaft richtet. Da wittert man dann gerne auch eine „Bedrohung“ und fantasiert von „drohenden“ Amokläufen. Dies war bspw. der Fall, nachdem ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft eingereicht hatte: die Folge zehn Monate „Untersuchungshaft“ - mittlerweile hat sich auch in Würzburg herumgesprochen, dass dies wohl eine gezielte Freiheitsberaubung gegen einen „lästigen Justizkritiker“ und Antragsteller war....!
Die Staatsanwälte sind das primäre Problem!
Der „Fall“ hier ist natürlich zur Anklage zu bringen, hier muss ein Richter entscheiden, es geht auch um die Fortbildung des Rechts, ggf. muss das BVerfG klären und die Strafbarkeit weiter differenzieren. Es ist keinesfalls „abschließend“ geklärt, ob diese „Verharmlosung“ des Holocaust in diesem Kontext - öffentliche Veranstaltung - strafbar ist.
Wenn es „Beleidigung“ von Justizanghörigen und Juristen geht, ist man auch mit Eifer dabei, die höchstrichterlichen Vorgaben immer weiter zu dehnen.
M.Deeg
Polizeibeamter a.D.