
Der Hitzesommer 2022 bereitete den fränkischen Winzern ein Jahr der Extreme. Umso ist größer die Spannung, wie der Wein, der noch in den Kellern reift, wohl ausfallen wird. Einen ersten Vorgeschmack gab es bei der Jungweinprobe des Winzervereins in Frickenhausen. Die Erkenntnisse, die die rund 100 Gäste von dort mitnehmen durften, sind durchaus überraschend.
Früher blieben die Winzer bei dieser ersten Verkostung lieber unter sich, um zu diskutieren und mit fachkundiger Unterstützung zu erfahren, wo und wie der Kellermeister noch Hand an den jungen Wein anlegen muss. Daran hat sich in Frickenhausen nichts geändert: Es sind die jungen, unreifen Weine, die verkostet werden. Nur, dass inzwischen eine große Fangemeinde interessierter Laien am Wissen der Weinkundigen teilhaben darf.
Die fachliche Expertise steuern diesmal die Weinbautechnikerin und ehemalige Fränkische Weinkönigin Carolin Meyer und Stefan Nunn, Kellermeister bei der Winzergemeinschaft Franken GWF, bei. Ausgerüstet mit mitgebrachten Häppchen, die sich auf den Tischen türmen, wird die Jungweinprobe im Frickenhäuser Ratskeller so – nach zweijähriger Corona-Zwangspause – erneut zu einem ebenso lehrreichen wie geselligen Abend.
25 verschiedene Proben wurden verkostet
Eine gute Nahrungsgrundlage ist an einem solchen Abend durchaus von Vorteil. Immerhin gilt es, 25 Kostproben zu bestehen. Zumindest unter den Profis lautet die Devise deshalb: "Spucken statt schlucken". Die Weine, die die GWF und sechs Weingüter für die Blindverkostung bereitgestellt haben, spiegeln die ganze Bandbreite des Frickenhäuser Weins wider, angefangen vom Muskateller, einer uralten Aromasorte, die fast schon in Vergessenheit geraten ist, bis zum Chardonnay, der erst seit wenigen Jahren in Franken angebaut wird und zu den Gewinnern des Klimawandels zählen könnte.

Ein kühles Frühjahr hatte die Vegetation zunächst um zwei Wochen verzögert, erinnert sich Kellermeister Nunn. Der Rückstand war aber schnell wieder aufgeholt, als ab Ende April die Niederschläge ausblieben und das Thermometer immer weiter nach oben kletterte. "Die Reben wurden gequält und standen schon früh unter Trockenstress", urteilt der Fachmann. Dafür setzte prompt zur Hauptlesezeit Ende September der Regen ein und stellte die Winzer vor eine neue Herausforderung. Taggenau galt es die Lese abzupassen, berichtet der Vorsitzende der Frickenhäuser Winzervereins, Markus Öder. Sonst hätte sich schnell die Fäulnis in den Weinbergen breit gemacht.
Trockenheit sorgte für schlanke, geradlinige Weine
Das Ergebnis überrascht: Anders als die vielen Sonnenstunden erwarten lassen, seien es nicht die schweren, alkohol- und aromareichen Tropfen, die den Jahrgang prägen werden, sagt Stefan Nunn, sondern überwiegend schlanke und geradlinige Weine – ganz dem Zeitgeist entsprechend. Auch das ist eine Folge von Trockenstress, erläutert der Kellermeister. In der späten Reifephase habe der Wassermangel die Vegetation ausgebremst und so auch die Zuckerbildung und die Einlagerung von Aromastoffen behindert.

Ein junger Bacchus steht am Anfang der Probenreihe. Die Rebsorte, die mit rund zwölf Prozent der fränkischen Anbaufläche Platz drei hinter Silvaner und Müller-Thurgau einnimmt, könnte künftig ins Hintertreffen geraten. Durch die frühe Reife und die Empfindlichkeit gegen Trockenheit könne der Bacchus die Klimaerwärmung nur schlecht wegstecken, sagt Carolin Meyer. Die Lücke, die die Sorte im halbtrockenen Segment hinterlässt, könnten Scheurebe und Kerner schließen, die seit einiger Zeit eine kleine Renaissance erleben, so die ehemalige Weinkönigin.
Nach wie vor gibt der Silvaner an der Südspitze des Maindreiecks den Ton an, wenngleich Riesling und Weißburgunder, gerade unter den hochwertigen Weinen zunehmend von sich reden machen. "Der Muschelkalk und der Weißburgunder passen einfach zusammen", urteilt Stefan Nunn.
Es sind die großen Gewächse dieser Rebsorten, die die Jungweinprobe beschließen, und die den Probanden noch einmal alle Vorstellungskraft abverlangen. Viele der hochwertigen Tropfen werden noch von der Feinhefe getrübt. Sie wirkt als natürliche Antioxidans und sorgt dafür, dass die Aromen auch nach monatelanger Lagerung im Fass klar erhalten bleiben, erklärt Weinbautechnikerin Carolin Meyer. Deshalb erfordert es Erfahrung, um beurteilen zu können, wie der Wein später einmal schmecken wird. "Es sind Rohdiamanten, die noch beschliffen werden müssen", erklärt Meyer.