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Röttingen
Junges Theater Röttingen: Wie man mit dem Musical "Heidi" über zwei Jahre Corona getrotzt hat
Nach über zwei Jahren und unzähligen Corona-Wirrungen kam das Musical "Heidi" des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen endlich auf die Bühne. Über einen emotionalen Auftritt.
Nach zweieinhalb Jahren kam es endlich auf die Bühne: das Stück 'Heidi' in der Burghalle Röttingen. Im Bild (v.l.): Lena Fries (Sebastian), Jonathan Ball (Dorflehrer), Linus Seifert (Herr Sesemann), Luna Horwarth (Heidi), Franka Trenten (Frau Rottenmaier) und Ida Krieger (Klara).
Foto: Silvia Gralla | Nach zweieinhalb Jahren kam es endlich auf die Bühne: das Stück "Heidi" in der Burghalle Röttingen. Im Bild (v.l.): Lena Fries (Sebastian), Jonathan Ball (Dorflehrer), Linus Seifert (Herr Sesemann), Luna Horwarth ...
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:58 Uhr

Sonntagnachmittag in der Burghalle Röttingen: "Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass dieser Tag kommen würde", sagt Frederike Faust, Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen, in ihrer emotionalen Eröffnungsrede vor dem sichtlich gespannten Publikum. Ganze zweieinhalb Jahre sind von der ersten Probe des Musicals "Heidi" bis zur tatsächlichen Aufführung vergangen. Dazwischen lagen Corona, Lockdowns, Planänderungen, Rückschläge – "und viele Kartenrückabwicklungen", so Faust. Sie habe irgendwann aufgehört, mitzuzählen, wie oft das Stück zur Aufführung angekündigt war – unter anderem in der Tauberphilharmonie Weikersheim – nur, um dann doch nicht aufgeführt werden zu können.

Fotoserie

Es sollte ein ganz besonderes Projekt des Jungen Theaters der Frankenfestspiele werden – das erste eigene Musical mit Jugendlichen. Die Proben zu "Heidi" (Text: Hannes Hirth, Musik: Martin Hanns, nach dem Roman von Johanna Spyri) hatten im Oktober 2019 begonnen, mit 30 Schülerinnen und Schülern aus der Region, im Alter von zehn bis 17 Jahren. Aufgrund der vielen Teilnehmer wurde das Stück um Szenen, Tänze, Chorstücke und zusätzliche Rollen erweitert; unter der Leitung von Jutta Rietschel entstand ein opulentes Bühnenbild.

"Ich habe nicht mehr dran geglaubt, dass dieser Tag kommen würde."
Frederike Faust, Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen

Doch Corona machte das ursprüngliche Konzept zunichte. Nach dem Entschluss, trotz völlig veränderter Rahmenbedingungen weiterzumachen, wurde das Ganze auf Corona-Bedingungen umgestellt: Aus den gemeinsamen Proben wurden Einzel- und Onlineproben, zudem wurde das Stück vom Chorsatz bis hin zum Setting vereinfacht. Hauptrollen wurden doppelt besetzt, schließlich konnte wegen Corona jederzeit jemand ausfallen. "Ein Ziel mit so vielen Stolpersteinen immer weiter zu verfolgen, ist toll, ich bin von ganzem Herzen stolz auf Euch", lobt Faust in ihrer Ansprache die Jugendlichen. Sie sieht darin auch eine Lektion fürs Leben: "Manchmal muss man seine Ziele anpassen und korrigieren."

Emotional und gelöst: In ihrer Begrüßungsrede dankte Regisseurin Frederike Faust allen, die mit ihr über zweieinhalb Jahre an das Projekt 'Heidi' geglaubt hatten.
Foto: Silvia Gralla | Emotional und gelöst: In ihrer Begrüßungsrede dankte Regisseurin Frederike Faust allen, die mit ihr über zweieinhalb Jahre an das Projekt "Heidi" geglaubt hatten.

Von den anfangs 30 Jugendlichen blieben 13, und aus dem Musical wurde eine "kleine, aber feine Werkschau, halb szenisch, halb gespielt", erklärt Faust. "Wir haben das Stück so gedreht, dass es passt." Das Bühnenbild, geplant für eine große Bühne, wurde für die Burghalle reduziert. Ein Baugerüst zur Linken, davor eine Leinwand mit einem Bild der Alm, symbolisiert die Welt der Berge; ein vornehm eingerichtetes Wohnzimmer auf der Bühne steht für die Welt der im Rollstuhl sitzenden Klara in Frankfurt.

Vor dieser Kulisse kommt das lang erwartete Stück dann endlich zur Aufführung: Aufgrund der kleineren Besetzung sind manche Jugendliche in mehreren Rollen zu sehen – und fast alle wechseln zwischendurch von ihrer Rolle in die des Erzählers. Durch die Doppelbesetzung der Hauptrollen führen zwei Heidis sowie zwei Geißenpeter durch die Geschichte: Luna Horwarth und Heidi Pflüger (jeweils als Heidi) sprechen ihre Dialoge abwechselnd, singen klar und bestechend einzeln und im Duett; ebenso die beiden Geißenpeter (Anna Schmidt und Natalie Bätz).

Heidi (Heidi Pflüger) ist anfangs überzeugt, dass sie der Großvater, der Almöhi (Nico Faustus), nicht bei sich haben will.
Foto: Silvia Gralla | Heidi (Heidi Pflüger) ist anfangs überzeugt, dass sie der Großvater, der Almöhi (Nico Faustus), nicht bei sich haben will.

Die Tatsache, dass die Jugendlichen die Dialoge zum Teil ablesen, tut der Geschichte keinen Abbruch. So wirkt eine Schimpftirade der strengen Frau Rottenmaier (Franka Trenten) auch mit Textbuch in der Hand sehr authentisch. In die Handlung hineingezogen wird das Publikum zudem durch die stimmungsvollen Lieder, viele mit melancholischer Note. Unter anderem in der Zugabe, dem verträumten "Die Tage, sie kommen und gehen" können die Kinder im mehrstimmigen Gesang ihr ganzes Können zeigen.

In gerade mal zwei Tagen hat das Team um Frederike Faust (Regie) mit Edith Wolff (musikalische Leitung), Angelina Lochner (Choreografie) und Matthias Engel (Kostüme) mit den Jugendlichen die gekürzte Werkschau auf die Beine gestellt. Intensivere Proben über eine längere Dauer hätte die Motivation mancher zu sehr auf die Probe gestellt und sollte den Jugendlichen nach all den Rückschlägen und Pausen nicht mehr zugemutet werden, war sich das Team einig. "Wir haben das Stück nochmal komprimiert, dann musste es endlich raus", sagt Faust.

Aus Kindern wurden Jugendliche: Kostüme mussten immer wieder angepasst werden

Wie schafft man es, innerhalb kürzester Zeit ein Stück bühnenreif einzustudieren, dessen letzte Probe vor dem Sommer 2021 stattgefunden hat? "Die Kinder konnten sich besser erinnern, als wir Erwachsenen", sagt Angelina Lochner. "Am Tag vor der Aufführung standen alle noch mit Textbüchern auf der Bühne, bei der Aufführung selbst kamen viele schon ohne sie aus", ergänzt Edith Wolff.

"Zu Beginn der Proben im Herbst 2019 waren die Kinder alle noch ziemlich klein – jetzt sind alle ziemlich groß", stellt Faust eingangs nüchtern fest. Die Konsequenzen hatte vor allem der Kostüm-Verantwortliche zu spüren bekommen: "Die Kinder sind sehr gewachsen, es war ein großes Durcheinander und wir haben bis zur letzten Minute an den Kostümen herumgebastelt", so Matthias Engel. "Ich hatte am Ende viel mehr Kleidung da, als zum Einsatz gekommen ist."

"Es war gut, dass man etwas zum Festhalten hatte."
Klara-Darstellerin Ida Krieger über die Proben während der Corona-Zeit

All die Energie, die in das Stück gesteckt wurde, hat sich gelohnt – so das einhellige Urteil des Publikums, der Jugendlichen und des Teams nach der Aufführung. "Es war anstrengend, aber vor allem das Schauspielern und Singen mit den anderen hat immer Spaß gemacht – man hat während Corona ja nicht so viele andere Menschen gesehen", sagt Linus Seifert, der Klaras Vater, Herrn Sesemann, sowie einen Pfarrer spielt. Stolz sei er, und traurig, dass es vorbei ist, so der 17-Jährige.

Auch Klara-Darstellerin Ida Krieger hat das Gemeinschaftsgefühl genossen: "Es war gut, dass man etwas zum Festhalten hatte", so ihr Fazit über die Proben während der Corona-Zeit. Luna Horwarth (Heidi) ist stolz und erleichtert, dass das Stück endlich aufgeführt werden konnte. Als "ergreifend" hat die Mutter der Zwölfjährigen die Aufführung erlebt. Die Lieder aus "Heidi" hätten die Familie über die ganze Zeit begleitet, berichtet sie: "Luna hat sie ihren kleinen Geschwistern immer zum Einschlafen vorgesungen."

Den Kindern sollte in Corona-Zeiten ein Ziel geboten werden

Dass es zur Aufführung kam, sei vor allem dem Durchhaltewillen und der Hartnäckigkeit von Regisseurin Frederike Faust geschuldet, sind sich viele der Anwesenden einig. Ihr Anliegen war es, den Kindern, deren Alltag sich durch Corona komplett verändert hatte, Abwechslung, eine gemeinsame Tätigkeit und ein Ziel zu bieten. "Es ist nicht wichtig, ein qualitativ möglichst hochwertiges Stück auf die Bühne zu bringen. Wichtig für die Kinder ist, dass es überhaupt passiert", hatte Faust in einem Gespräch im Dezember 2020 noch betont – nicht ahnend, wie lange es zu diesem Zeitpunkt noch bis zur Aufführung dauern sollte.

 
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