Wie konnte es dazu kommen, dass ein mehrfach behindertes Kind in einer Spezialklinik in Würzburg schwer verletzt wurde? Fügte eine Mitpatientin dem Kind die Verletzungen zu? Trägt die Einrichtung die Verantwortung? Wurde die Aufsichtspflicht verletzt? Seit Jahren schon läuft ein Rechtsstreit um diese Fragen. Eine gütliche Einigung ist gescheitert, jetzt läuft am Landgericht Würzburg das zivilrechtliche Verfahren. Das Urteil steht noch aus.
Klägerin ist das Mädchen Meri. "So wird sie von den meisten genannt", sagt Mutter Ardita V., die mit ihrem Mann und einer Rechtsanwältin das Kind vor Gericht vertritt. Der Fall zehrt an den Nerven der Familie aus Aschaffenburg. Vor fünf Jahren – vom 18. Oktober 2017 bis 6. Januar 2018 – war Meri für einige Wochen in der Klinik am Greinberg in Würzburg untergebracht. Träger der Spezialeinrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ist der Bezirk Unterfranken.
Verletztes Mädchen kann nichts zur Aufklärung beitragen
In der Klinik zog sich Meri am 6. Januar 2018 einen mehrfachen Gesichtsbruch unter der Augenhöhle zu. Auch der Kiefer war der Mutter zufolge betroffen. Das damals zehnjährige Mädchen wurde notfallmäßig in die Unikinderklinik eingewiesen und operiert.
Meri selbst kann nichts schildern und nicht zur Aufklärung beitragen. Sie ist nicht sprachfähig und hat eine schwere Intelligenzminderung, sagt Ardita V.. In ihrer Entwicklung sei ihre Tochter auf dem Stand einer Zwei- bis Dreijährigen.
Familie zeigte Klinik am Greinberg wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen an
Nach dem Unfall hatten die Eltern die Klinik am Greinberg wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelte gegen Unbekannt. 2019 wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Die Begründung: Es sei davon auszugehen, dass die Verletzungen eine Folge autoaggressiven Verhaltens waren, dass das Mädchen sich also selbst verletzt hat.
Strafrechtlich wurde der Fall damit zu den Akten gelegt. Doch die Familie aus Aschaffenburg bemüht sich seither auf zivilrechtlichem Weg um Schadensersatz. Ardita V. sagt, für sie fühle es sich an wie ein Kampf "David gegen Goliath".
Im Dezember sagte vor dem Landgericht Würzburg die letzte Zeugin in dem Zivilverfahren aus: eine Psychologin, die Meri aus mehreren Aufenthalten im Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg kennt. Sie hatte damals eine Verlegung in die Klinik am Greinberg befürwortet, weil Meri "herausfordernd" gewesen sei und eine Eins-zu-Eins-Betreuung gebraucht habe. Im Zentrum für Körperbehinderte sei das nicht möglich gewesen.
Sachverständiger: Behandlung der Patientin sei ordnungsgemäß gewesen
Vor Gericht geladen war auch ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Tübingen. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Würzburger Klinik keine Fehler gemacht habe.
Damit bleibt offen, ob die Mitpatientin, mit der sich Meri in der Klinik das Zimmer teilte, ihr die Gesichtsverletzungen zugefügt haben könnte. Etwa, indem sie Meri heftig gestoßen hat und die Zehnjährige dadurch auf eine Tischkante fiel.
"Keiner weiß genau, wie es passiert ist", hielt der Richter fest und stellte die Frage, ob der Unfall zu verhindern gewesen wäre. "Ja", lautet die Antwort der Aschaffenburger Rechtsanwältin der Familie, Natascha Braunschläger. Der Anwalt des Bezirks Unterfranken schwieg bislang zu allen Ausführungen vor Gericht.
Rechtsanwältin schreibt nach Verhandlung ans Landgericht Würzburg
Braunschläger, Fachanwältin für Familienrecht, will das Urteil nicht abwarten. Sie hat nach dem jüngsten Verhandlungstag ans Landgericht Würzburg geschrieben und ausgeführt, dass Meri am 6. Januar 2018 just in der Zeit des Schichtwechsels verletzt worden sei. Die Übergabe von der Früh- zur Spätschicht beim Pflegepersonal finde im Stationszimmer statt und dauere etwa eine Stunde, so die Anwältin. Zeugen zufolge könnten Kinder und Jugendliche während dieser Zeit ihre Zimmer verlassen und sich auf dem Gang oder in anderen Zimmern aufhalten. Die Pflegekräfte, so die Anwältin, hätten die Kinder vom Stationszimmer aus nicht im Blick.
Zudem war laut Braunschläger kein Verantwortlicher aus dem Pflege- und Erziehungsdienst auf der Station anwesend. Damit liege ein Verstoß gegen das Kinderschutzkonzept der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Würzburg vor, zu der auch die Klinik am Greinberg gehört.
Der Tübinger Sachverständige sagte vor Gericht, eine umfassende Betreuung sei wünschenswert. Aber angesichts der Ressourcen gebe es Grenzen. Die Klinik habe immer abgewogen gehandelt. Er erkenne keine Punkte, bei denen andere Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Es gebe immer wieder Situationen, wo Kinder nicht in direkter Beobachtung sind.
Waren die Kinder ohne Aufsicht?
Rechtsanwältin Braunschläger verweist darauf, dass hier psychisch kranke und aggressive Kinder eine Stunde lang ohne Aufsicht seien. Zudem habe man in der Klinik nicht darauf reagiert, dass es immer wieder Konflikte zwischen Meri und ihrer Zimmernachbarin gegeben hatte.
Generell sei für Meri der Kontakt mit anderen Kindern schwierig, sagt ihre Mutter. "Deshalb haben wir ja versucht, einen Platz in der Klinik am Greinberg zu erhalten." Die Hoffnung sei gewesen, dass sich dort Meris auto- und fremdaggressives Verhalten bessern würde.
Für den Gutachter war die Situation kein Anlass, die beiden Kinder zu trennen. Diese Art von Konflikten habe man ständig. "Ist mein Kind also allein schuld?", fragte Meris Mutter jetzt aufgewühlt vor Gericht. Er sei kein Chirurg, antwortete ihr der Gutachter ruhig. Aber "aus eigener ärztlicher Erfahrung" bejahe er. Man könne sich solche Verletzungen selbst zufügen.
Laut Braunschläger sollte der Sachverständige eigentlich genau diese Frage erörtern: Hat sich Meri die Verletzungen selbst zugefügt oder sei eine Mitpatientin dafür verantwortlich? "Diese Beweisfrage wurde bis heute nicht beantwortet", so die Anwältin in ihrem Schreiben ans Landgericht. Sie beantrage deshalb ein weiteres Gutachten.
Termin für Entscheidung vom Gericht "weiträumig verlegt"
Das Landgericht Würzburg hat der Rechtsanwältin inzwischen mitgeteilt, dass ihre Argumente an den Bezirk Unterfranken zur Stellungnahme übermittelt würden. Wann ein Urteil in der Sache fällt, ist offen. Die Verkündung der Entscheidung sei "weiträumig verlegt" worden.
23/7 ?
…danke für Ihr Kompliment.
Und wenn es annähernd stimmt, dass diese Patienten/innen während einer einstündigen Übergabezeit nicht beaufsichtigt und betreut wurden, verstehe ich nicht, warum das seitens des Gerichtes und auch des Gutachters nicht als Verletzung der Aufsichtspflicht gesehen wird. Das wäre durchaus vergleichbar mit einer Tagesmutter, die sich gut dafür bezahlen ließe, eine Gruppe zwei bis sechsjähriger Kinder zu betreuen, zwischendurch die Wohnung verlässt um mal eine Stunde etwas anderes zu unternehmen. Und bei allen Besonderheiten dieser Gruppe kann nicht „normal“ sein, dass sich die Kinder mal ganz schnell die Schädel einschlagen.
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/maedchen-schwer-verletzt-mutter-zeigt-wuerzburger-spezialkinderklinik-an-art-10320789
In diesem Artikel gibt die Main-Post bereits 2019 der Mutter eine Plattform für (haltlose) Anschuldigungen, denen die Klinik aufgrund von Datenschutzregelungen nicht wirklich etwas entgegensetzen kann.
Ich hoffe, dass die Familie zivilrechtlich leer ausgeht.
Genau aus dieser Haltung wird unser Land untergehen…
Dass hier die Voraussetzungen vorliegen, lässt sich bezweifeln.
Irgendwann wird es eine Entscheidung hierzu geben - bis dahin wäre eine weniger parteiische Berichterstattung begrüßenswert gewesen.
Hätten die Eltern Anstrengungen unternommen dazu beizutragen, dass so etwas nicht mehr passiert, könnte ich ein solches Verhalten akzeptieren. Denn auch wenn niemand zweifelsfrei belegen kann wie es zu den Verletzungen kam, wäre die Klinik sicher bereit gewesen mögliche Szenarien durchzuspielen und Konsequenzen zu ziehen (sicher fand das im Nachhinein sowieso statt aber eben ohne die Eltern). In einem anderen Artikel wird darauf hingewiesen, dass der Klinikdirektor ein klärendes Gespräch anbot. Aber hier scheint sich eine Mutter darauf zu versteifen einen Schuldigen zu finden, den es wsl. nicht gibt.
Als das Verfahren eingestellt wird, versucht man's auf dem Zivilweg. Warum? Wohl wirklich nur wegen des Geldes - das Kind war verletzt, wurde gefunden und medizinisch versorgt. Wo genau ist da ein Schaden entstanden? Die Familie kümmert sich seit Jahren nicht mehr selbst um das Kind, schiebt die Verantwortung ab und gibt dann anderen die Schuld (wenn's das Personal nicht war, dann war's halt die Mitpatientin).
Ich verstehe, dass ein solches Kind eine Belastung für die Eltern darstellt, auch wenn sie es nicht selbst betreuen. Aber ich finde, ein bisschen mehr Dankbarkeit, dass sich überhaupt Menschen finden, die solche Kinder betreuen, sollten sie schon zeigen. 1/2
Davon können Sie sich gerne in diversen Schulen oder Pflegeheimen überzeugen.
Das geht sogar sehr schnell und auch wenn Personal in der Nähe ist.
PS: damit meine ich nicht eine gezielte Selbsttötung oder schwere Selbstverletzung von Menschen, die dazu geplant in der Lage wären/waren.
Kapital aus dem Zwischenfall schlagen.
Es reicht doch schon dass der Betreuer sich einmal umdreht und zwei aufeinander losgehen.
Ja es ist sehr schlimm dass dieses Kind sich so verletzt hat.
Aber ich denke nicht dass es sich vollständig klären lässt und weiß auch nicht was es bringen würde wenn man weiß dass die beiden Kinder einen Streit hatten.
Sollen doch die Eltern sich den ganzen Tag um ihr Kind kümmern und nicht die Allgemeinheit dafür verantwortlich machen.
Es ist sicher nicht einfach mit dem behinderten Kind, aber wenn man es selbst nicht schafft andere dafür verantwortlich zu machen, ist in meinen Augen nicht in Ordnung.
Die mainpost lässt sich wieder vor den Karren spannen und und ist mittlerweile mit der Überschrift schon mit der Bildzeitung zu vergleichen.
Die Journalistin sollte sich nächstes Mal genauer überlegen, ob so eine Überschrift notwendig ist.